Kiel/Mönchengladbach - Bei einer Allergie lautet der Rat normalerweise: dem Auslöser aus dem Weg gehen. Was bei Erdnüssen oder Nickel einigermaßen klappen mag, ist bei Pollen unmöglich. Denn der feine Blütenstaub wird kilometerweit durch die Luft getragen, bleibt in Stoff und Haaren hängen, ist überall.
"Selbst wenn Sie sich im Keller einschließen, würden wahrscheinlich noch kleine Pollen durch die Fensterritzen hineinfliegen", sagt Prof. Regina Fölster-Holst. Sie ist Oberärztin der Dermatologie am Campus Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein.
Und eine Pollenallergie kann die Freude am Frühling ordentlich trüben. Die Nase läuft, die Augen tränen, die Haut juckt. All das passiert, weil der Körper die Pollen als Gefahr deutet. "Das Immunsystem hängt an der Decke, es ist viel zu aktiv", sagt Regina Fölster-Holst.
Aber wie können Betroffene mit dem Heuschnupfen umgehen? Hier kommt ein Überblick:
- Diagnostik bei Arzt oder Ärztin
Viele Menschen versuchen im Alleingang, ihre Pollenallergie in den Griff zu bekommen. Anja Schwalfenberg vom Deutschen Allergiker- und Asthmabund rät allerdings dazu, sich die Pollenallergie ärztlich diagnostizieren zu lassen. Anlaufstelle ist dafür ein Allergologe oder eine Allergologin. Oft sind es HNO-, Lungen- oder Hautärzte, die diese Zusatzqualifikation haben.
Warum ist die Einschätzung eines Profis so wichtig? "Die Pollenallergie kann sich verstärken - es kann sogar ein allergisches Asthma daraus entstehen", sagt Anja Schwalfenberg, die in der Patientenberatung tätig ist.
In der Medizin ist dann oft von einem "Etagenwechsel" die Rede. Entwickelt sich ein Asthma, sind nicht mehr nur die oberen Atemwege betroffen, sondern die Bronchien in der Lunge - eine "Etage" tiefer. Starke Hustenanfälle mit Atemnot können die Folge sein.
"Eine Diagnostik ist aber auch wichtig, um herauszufinden: Worauf genau reagiere ich überhaupt?", sagt Anja Schwalfenberg. Ein weiterer Vorteil: Ein Arzt oder eine Ärztin kann entscheiden, welche Medikamente die Beschwerden am besten lindern können. Und auch, ob eine langfristige Behandlung in Form einer spezifischen Immuntherapie möglich ist.
- Medikamente: Antihistaminika oder Kortison
Eine Gruppe von Medikamenten, die die lästigen Symptome eines Heuschnupfens lindern können, sind die sogenannten Antihistaminika. Es gibt sie als Tabletten, Augentropfen oder Nasenspray. Antihistaminika unterbinden die allergische Reaktion des Körpers, indem sie die Rezeptoren des Botenstoffs Histamin blockieren.
Einige Wirkstoffe - Cetirizin oder Loratadin etwa - sind frei verkäuflich, andere gibt es nur auf Rezept. Gängig sind Antihistaminika der zweiten Generation. "Sie machen weniger müde als die der ersten Generation", sagt Regina Fölster-Holst.
Wer zum Beispiel eine Radtour in der Natur vorhat, sollte in Sachen Medikamente am besten vorsorgen. "Heißt: Das Antihistaminikum etwa schon zu Hause nehmen. Wenn die Nase läuft, die Augen jucken und Sie wie verrückt niesen, können Sie schließlich nicht mehr Fahrrad fahren", sagt die Dermatologin.
Regina Fölster-Holst rät außerdem dazu, das Antihistaminikum nicht nach Bedarf zu nehmen, sondern in der Blütezeit des jeweiligen Allergens durchgängig für drei oder vier Wochen. "Mal nehmen, mal nicht - das bringt nichts." Was genau bei der Einnahme zu beachten ist, hängt vom jeweiligen Präparat ab.
Doch nicht immer reichen Antihistaminika aus. Dann kommen kortisonhaltige Sprays oder Augentropfen zum Einsatz. "Kortison hemmt Entzündungen. Denn jede Allergie ist ein entzündlicher Prozess", sagt Fölster-Holst. Wichtig zu wissen: Die Medikamente - ob Kortison-Präparate oder Antihistaminika - heilen die Pollenallergie nicht, sie lindern nur ihre Symptome.
- kleine Schrauben im Alltag drehen
Schon kleine Gewohnheiten können Unterschiede machen. So ist häufiges - oder sogar tägliches Haarewaschen - für Betroffene sinnvoll. Zusätzlicher Schutz: Tuch oder Kappe tragen. "Denn Pollen können in den Haaren hängen bleiben", sagt Anja Schwalfenberg. So kann es passieren, dass man sie mit ins Bett trägt - und die Nase nachts heftig läuft.
Ebenfalls wichtig: "Die Kleidung am besten nicht im Schlafzimmer ausziehen, sondern - wenn möglich - im Wäscheraum", rät Schwalfenberg. Stichwort: Wäsche. So schön es auch ist, die Kleidung nun wieder an der frischen Luft trocknen zu können: Man muss damit rechnen, dass sich Pollen im Stoff festsetzen.
Und noch eine Maßnahme, die bei Heuschnupfen helfen kann: Pollenschutzgitter an den Fenstern. Ob mit Klettverschlüssen befestigt oder richtig eingebaut, sorgen sie dafür, dass weniger Blütenstaub in Wohnung oder Haus gelangt. "Bei solchen Gittern muss man die Lüftungsgewohnheiten anpassen. Da das Material so dicht ist, muss man länger lüften, um einen guten Luftaustausch zu erreichen", sagt Anja Schwalfenberg.
- Wissen sammeln und nutzen
Wissen ist Macht - über die eigene Pollenallergie. Dabei können Pollenflugvorhersagen, zum Beispiel vom Deutschen Wetterdienst, helfen.
Für diese Vorhersagen werden Pollen untersucht, die in Pollenflugfallen landen. Auch das Wetter wird mit einbezogen. "Und es sind Personen in der Natur unterwegs und prüfen, wie weit die jeweiligen Pflanzen hinsichtlich ihres Blütenstandes sind", sagt Fölster-Holst, die 1985 den Polleninformationsdienst Schleswig-Holstein mitgegründet hat.
Durch all das ergibt sich ein Bild, wann die Pollenbelastung wo besonders stark ist. Diese Infos kann man nutzen, um sein Verhalten anzupassen. "Wenn starker Pollenflug angesagt ist, sollte man vielleicht nicht unbedingt draußen Sport treiben, sondern sich eine Alternative suchen - etwa in der Halle oder im Fitnessstudio", sagt Anja Schwalfenberg.
Und es lohnt, sich näher mit den Pflanzen zu beschäftigen, auf deren Pollen man reagiert. Wer etwa die Birke im Hinterhof "lesen" kann, weiß, wann er den Balkon meiden oder die Wäsche dort besser nicht trocknen sollte.
- eine spezifische Immuntherapie in Betracht ziehen
Die Pollenallergie an der Wurzel packen - das geht nur mit einer spezifischen Immuntherapie. "Dabei wird das Immunsystem überlistet, indem man dem Patienten eine ganz, ganz, ganz kleine Menge des Allergens verabreicht, die im weiteren Verlauf langsam aber sicher gesteigert wird", sagt Regina Fölster-Holst.
In aller Regel wird das Allergen unter die Haut gespritzt, erst wöchentlich, später monatlich. Aber es braucht Ausdauer: "Die spezifische Immuntherapie muss mindestens drei Jahre, besser fünf Jahre, durchgeführt werden", sagt Regina Fölster-Holst. Erst dann hat sich das Immunsystem an das Allergen gewöhnt und begreift es nicht mehr als Gefahr.
Wer das durchzieht, wird aber meist belohnt: Die Beschwerden bessern sich, man braucht weniger Medikamente. Und: "Eine spezifische Immuntherapie verhindert, dass weitere Allergene dazukommen und sich ein Etagenwechsel - also etwa ein Asthma - ausbildet", sagt Regina Fölster-Holst. © dpa
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