- Aktuell läuft eine bundesweite Aktionswoche, welche die Impfgeschwindigkeit beschleunigen soll.
- Experten aber sind der Ansicht, es herrsche noch viel zu viel Unwissenheit über die Impfung. Was es vor allem brauche, sei mehr Aufklärung.
- 18 Prozent wollen beispielsweise mit ihrer Impfverweigerung ein Statement gegen die Politik setzen - dabei geht es um den eigenen gesundheitlichen Schutz.
Die Idee klingt gut: Diese Woche hat eine bundesweite Aktionswoche für die Impfung gegen das Coronavirus gestartet. Die Menschen müssen nicht mehr ins Impfzentrum, stattdessen kommt das Impfangebot zu ihnen. Mobile Impfteams warten dort, wo die Leute unterwegs sind: in Einkaufszentren, an Spiel- und Sportplätzen oder in der Straßenbahn. "Nie war es einfacher, eine Impfung zu bekommen. Nie ging es schneller", sagt Angela Merkel in ihrem aktuellen Podcast. "Ich bitte Sie daher, schützen Sie sich selbst und andere", appelliert die Bundeskanzlerin.
Doch Experten zweifeln, ob das Angebot vor Ort der schwächelnden Impfkampagne einen großen Auftrieb geben wird. "Das ist sicherlich eine gute Idee, aber sie muss kombiniert werden mit guter, aktiver Aufklärung", sagt Cornelia Betsch, Expertin für Gesundheitskommunikation. Die Forscherin an der Uni Erfurt fordert wie viele andere Experten mehr Information der Bevölkerung, damit sich die Impfquote deutlich verbessert.
Denn nach einer aktuellen Umfrage haben sich erst etwa 20 Prozent der Menschen, die noch nicht geimpft sind, für eine Impfung entschieden. Die Zahl stammt aus der Studie "COSMO – COVID-19 Snapshot Monitoring" der Universität Erfurt, die seit Beginn der Pandemie die Einstellung der Bevölkerung zum Thema Corona ermittelt.
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Fakten zur Impfung immer noch zu wenig bekannt
Das größere Problem sind diejenigen, die der Impfung immer noch skeptisch oder unwissend gegenüber stehen. Es gebe einen großen Informationsbedarf, sagt Betsch. Viele Menschen unterschätzten noch immer das Risiko einer Erkrankung mit COVID oder halten sich nicht für gefährdet. "Wir müssen den individuellen Nutzen der Impfung stärker betonen", sagt die Forscherin.
18 Prozent lassen sich nicht impfen, um politisches Statement zu setzen
Die Kommunikation müsse deutlich machen, dass die Impfung sehr gut vor der Einweisung ins Krankenhaus schütze und dass sie wirksam sei, obwohl sich auch geimpfte Menschen noch immer anstecken können. Auch die Spätfolgen der Erkrankung, die bei einem milden Verlauf eintreten können (Long COVID), seien nicht ausreichend bekannt.
Zudem müsse stärker deutlich werden, dass die Impfung eine persönliche Gesundheitsentscheidung sei und keine politische Meinungsäußerung. Denn 18 Prozent der Ungeimpften sagen, für sie sei die Verweigerung der Impfung auch ein Ausdruck von politischer Unzufriedenheit.
Diese Informationen müssen zum Publikum gebracht werden, statt darauf zu warten, bis sie angefragt werden, bestätigt ein anderer Experte. "Wir müssen an die Menschen herantreten, die sich selbst keine Informationen über die Impfung suchen", sagt Felix Rebitschek, wissenschaftlicher Leiter des Harding Zentrum für Risikokompetenz an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Potsdam. Arbeitgeber, Vereine und Verbände müssten stärker in die Kommunikation eingebunden werden.
Diese Gruppen müssen besser informiert werden
Das Forscherteam aus Erfurt hat konkrete Vorschläge, an wen sich eine Kampagne richten sollte:
- Das ist zum einen die Gruppe von Menschen mit niedrigem Bildungsniveau und/oder oder Migrationshintergrund. Ihnen fehlt Informationsmaterial mit gut verständlichen Erklärungen. Am besten auch in anderen Sprachen. Ein weiteres Problem: Menschen aus migrantischen Milieus sind derzeit weniger von der Wirksamkeit der Impfungen überzeugt als der Durchschnitt der Bevölkerung.
- Auch jüngere Frauen, vor allem solche, die schwanger sind oder schwanger werden wollen, sind nach Betschs Ansicht eine wichtige Zielgruppe für seriöse Informationen. Fragen rund um die Fruchtbarkeit und mögliche Schäden für das ungeborene Kind seien extrem relevant für die Impfentscheidung. "Da braucht es noch einmal Aufklärung", sagt sie und sieht vor allem Gynäkologen in der Pflicht. Spontan-Impfungen in der Straßenbahn oder im Einkaufszentrum seien für diese Gruppe keine Lösung. Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für schwangere Frauen sei dafür ein guter Aufhänger, meint Betsch.
- Zum anderen sollten Familien mit Kindern stärker angesprochen werden. Denn fast zwei Drittel der Eltern fühlen sich schlecht über Vor- und Nachteile einer Impfung ihrer Kinder informiert, hat die Erfurter Studie ermittelt. Nur 60 Prozent der Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren wollen sich demnach impfen lassen.
Diese Werte hätten sich auch nach der Impfempfehlung für Jugendliche durch die Stiko kaum verändert, so Betsch. Offenbar schlägt die bisherige Kommunikationsstrategie der Bundes- und Landesbehörden nicht an. Es sei nötig, mit Kindern und jungen Leuten in Schulen und Universitäten über die Impfung zu sprechen. Betsch hält es für sinnvoll, dort Material zu verteilen, das dann auch Erwachsene anspreche. Bisher liegt die Impfquote in der Gruppe der Zwölf– bis 17-Jährigen bei 25 Prozent.
"Impfbereitschaft ist ansteckend"
Wenn es gelingt, diese Gruppen zu überzeugen, könnte die Kampagne Fahrt aufnehmen. "Impfbereitschaft ist ansteckend, wir orientieren uns oft am Verhalten anderer", sagt Katrin Schmelz, Psychologin und Verhaltensökonomin an der Universität Konstanz. Leider gelte das auch andersherum. "Wenn wir hören, dass die Impfkampagne stockt, haben diejenigen, die skeptisch sind, das Gefühl, sie sind in guter Gesellschaft", ergänzt Schmelz. Der harte Kern der Impfgegner, der sich nie überzeugen lassen wird, liegt nach ihrer Einschätzung stabil bei etwa fünf Prozent der Bevölkerung.
© RiffReporter
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