Hannover - Trinken, bis der Notarzt kommt? Jugendliche und junge Erwachsene sind im zweiten Corona-Jahr 2021 seltener mit schwerem Alkoholrausch ins Krankenhaus gekommen als ein Jahr zuvor - aber der Rückgang hat sich abgeschwächt.
Das geht aus Daten der KKH Kaufmännische Krankenkasse in Hannover hervor. Die KKH ist mit rund 1,6 Millionen Versicherten eine der größten bundesweiten gesetzlichen Kassen. 2021 kamen demnach 7,5 Prozent weniger junge Menschen im Alter von 12 bis 18 Jahren mit Alkoholvergiftung in eine Klinik. Unter den jungen Männern betrug der Rückgang 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bei gleichaltrigen Frauen 8,4 Prozent. Den deutlichsten Rückgang hatte es 2020 gegeben - er betrug bei Männern und Frauen jeweils über 30 Prozent. Laut Hochrechnung der Krankenkasse wurden 2021 bundesweit rund 11.000 Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren wegen eines akuten Alkoholrauschs stationär behandelt - ein Jahr zuvor waren es 12.000.
"Diese Entwicklung ist erfreulich", sagte KKH-Psychologin Franziska Klemm. "Sie zeigt aber auch, dass wir bei der Prävention nicht nachlassen dürfen, denn gerade im Jugendalter ist Alkoholkonsum mit besonderen Risiken für eine gesunde Entwicklung verbunden." Für die Untersuchung wertete die KKH anonymisierte Daten von rund 111.000 Versicherten im Alter zwischen 12 und 18 Jahren aus.
Lockdown hatte Einfluss auf Zahl ambulanter Behandlungen
Der Rückgang bei den Einweisungen bedeute aber nicht, dass Jugendliche seit der Pandemie generell weniger Alkohol trinken. Denn: Bei den ambulanten Behandlungen von 12- bis 18-Jährigen wegen eines Alkoholrausches gab es 2021 einen Anstieg - um 18,7 Prozent bei den Jungen und jungen Männern und um 5,9 Prozent bei den Mädchen und jungen Frauen. 2020 war auch die Zahl der ambulanten Behandlungen im Vergleich mit dem Vorjahr massiv gesunken: um 17,8 Prozent bei den Jungen und jungen Männern und 24,5 Prozent bei den Mädchen und jungen Frauen.
Ein Grund für den Anstieg: Es gab mehr Gelegenheiten wie Konzerte oder Partys, die es in den Lockdown-Phasen zu Beginn der Pandemie nicht gegeben hatte. "Wenn Jugendliche Alkohol trinken, spielen Neugier, Leichtsinn und Gruppendruck eine Rolle", sagte Klemm. Teenager, deren Eltern sich scheiden ließen, die in der Schule gemobbt würden oder unter den Pandemiefolgen litten, seien besonders leicht zu beeinflussen: "Gerade für Jugendliche sind lang andauernde Krisen sehr belastend." Sähen sie Alkohol "als Spaßtreiber oder als Sorgenfresser", wachse das Risiko für eine Sucht im Erwachsenenalter.
Im Juni hatte die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bekanntgegeben, dass der regelmäßige Alkoholkonsum bei Jugendlichen 2021 auf den niedrigsten Stand sei Beginn der Aufzeichnungen gesunken sei. Demnach tranken 8,7 Prozent der 12- bis 17-Jährigen nach eigenen Angaben mindestens einmal pro Woche Alkohol. 2011 waren es 14 Prozent, bei der ersten Erhebung 1979 ein Viertel der Befragten. © dpa
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