Müde, unkonzentriert im Verkehr, reizbar - viele Menschen schlafen permanent zu wenig und quälen sich durch die Arbeitswoche. Zu wenig Schlaf kann aber schlimme Folgen haben: Auch wenn jemandem jede Nacht nur ein bisschen Schlaf fehlt, kann er gefährliche Krankheiten entwickeln.
Immer mehr Menschen leiden unter Schlafstörungen. Das hat eine GfK-Umfrage für die "Apotheken Umschau" ergeben. Fast jeder Dritte leidet unter gelegentlichen Schlafstörungen.
Viele Menschen kommen morgens kaum aus dem Bett, wenn ihr Wecker klingelt. Das heißt meistens, dass sie zu wenig geschlafen haben. "Sobald der Wecker das Schlafprogramm vorzeitig beendet, ist der Schlaf eigentlich nicht abgeschlossen", sagt der Schlafforscher Dr. Hans-Günter Weeß.
Er leitet das Interdisziplinäre Schlafzentrum am Pfalzklinikum Klingenmünster und ist Autor des Buches "Die schlaflose Gesellschaft". Ein leichter chronischer Schafmangel sei sehr verbreitet: "Davon sind wir fast alle betroffen."
"Eulen" leiden besonders
Besonders unter einem solchen Schlafmangel leiden die sogenannten Eulen. Ihr Biorhythmus führt dazu, dass sie abends nicht so früh in den Schlaf finden und morgens eigentlich länger schlafen müssten.
Das können sie meistens aufgrund ihrer Lebensumstände aber nicht. "Durch die festen Zeiten von Arbeit oder Schule müssen vor allem Eulen es gewohnt sein, mit wenig Schlaf auszukommen", sagt Weeß.
Leichter Schlafmangel bereits Gesundheitsrisiko
Bereits ein leichter Schlafmangel, der sich über die Arbeitswoche hinweg aufbaut, stellt ein Gesundheitsrisiko dar.
Das zeigen Studien der National Sleep Foundation aus den USA. "Das Risiko ist nicht so dramatisch wie bei Menschen, denen durch eine Schlafstörung mehrere Stunden pro Nacht fehlen", sagt Weeß. "Aber es ist bei chronischem Schlafmangel vorhanden."
Zu den eher kurzfristigen Auswirkungen zählt ein eingeschränktes Leistungsvermögen. Wer zu wenig schläft, ist körperlich und intellektuell nicht so fit wie sonst. "Körperlich fühlt man sich erschöpft", sagt Weeß. "Auch die Aufmerksamkeit lässt nach."
Zu wenig Schlaf kann depressiv machen
Es falle dann zunehmend schwer, sich bei monotonen Aufgaben zu konzentrieren. Wer müde ist, stellt auch im Verkehr ein Risiko dar. "Es passieren in Deutschland doppelt so viele tödliche Unfälle durch Müdigkeit wie durch Alkohol", sagt Weeß.
Studien zeigen laut Weeß außerdem, dass Menschen mit Schlafmangel zu einer depressiven Stimmung neigen. "Das heißt nicht unbedingt, dass sie dadurch ein hohes Risiko haben, eine Angststörung oder eine Depression zu entwickeln", sagt Weeß. "Aber sie sind emotional leichter irritierbar, in der Stimmung gedrückter und reagieren eher gereizt."
Wer zu wenig schläft, lebt ungesund
Wer zu wenig schläft, neigt zu einem ungesunden Lebensstil. "Es hat sich gezeigt, dass Menschen mit chronischem Schlafmangel eher rauchen, sich schlecht ernähren und mehr Alkohol trinken", sagt der Schlafforscher. Das sei vermutlich ein Versuch, sich wachzuhalten.
Im Schlaf wird außerdem ein Sättigungshormon ausgeschüttet. Schläft man zu wenig, sinkt der Spiegel dieses Hormones im Körper ab. Damit steigt der Appetit – und das Risiko für Übergewicht.
Bereits ab einer Schlafdauer von sechs Stunden nimmt das Risiko für Übergewicht laut der "National Health and Nutrition Examination Survey" um fast ein Viertel zu. Bei fünf Stunden Schlaf steigt es bereits um die Hälfte.
Schwere Folgen durch Schlafmangel
Zu kurze Nächte haben noch weitere Folgen: Wer dauerhaft ein bisschen zu wenig schläft, hat laut Weeß außerdem ein erhöhtes Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. "Das Risiko steigt natürlich nicht nach einer Nacht mit zu wenig Schlaf, sondern über die Zeit."
Wer über Monate oder Jahre hinweg zu wenig Schlaf bekommt, ist eher gefährdet als jemand, der ein paar Tage lang zu wenig schläft. "Es gibt aktuell auch Untersuchungen, die darauf hinweisen, dass ein chronischer Schlafmangel das Risiko für Demenz erhöht", sagt Weeß. "Aber das ist noch nicht ausreichend erforscht."
Mindestgrenze gibt es nicht
Wie aber findet man heraus, ob man ausreichend schläft? "Von Apps, die den Schlaf berechnen, rate ich ab", sagt Weeß. "Sie sind medizinisch nicht abgesichert und fallen eher in den Bereich der Pseudowissenschaft."
Entscheidend sei hingegen, wie man sich am Morgen fühlt: "Wenn man sich gut und erholt fühlt, kann man davon ausgehen, dass man ausreichend geschlafen hat."
Eine Mindestgrenze, ab wann man auf jeden Fall zu wenig schläft, gibt es übrigens nicht. "Ich hatte einmal einen 70-jährigen Mann in meiner Sprechstunde, der mir berichtet hat, dass er jede Nacht nur zweieinhalb Stunden schläft", sagt der Schlafforscher. "Er war kerngesund, ihm hat nichts gefehlt."
Auch Kinder können leiden
Kinder mit Schlafstörungen kämpfen in vielen Fällen auch als Erwachsene mit Schwierigkeiten bei der Nachtruhe. "Etwa 60 Prozent der Kinder mit Schlafstörungen behalten das Problem", sagte Prof. Angelika Schlarb von der Universität Bielefeld.
Schlafstörungen bei Kindern können laut Schlarb schnell negative Konsequenzen haben, da die Kinder emotional unausgeglichener, weinerlicher und aggressiver werden.
Schlafbedürfnis findet man am besten im Urlaub heraus
Im Durchschnitt liege die Schlafdauer aber bei rund sieben Stunden – mit individuellen Unterschieden. Frauen benötigen laut Weeß zudem rund 20 Minuten mehr Schlaf als Männer.
Wie aber findet man sein Schlafbedürfnis heraus? Man könnte einfach am Wochenende auf den Wecker verzichten und schauen, wann man von selbst wach wird. Von dieser Methode rät Weeß aber ab: "Meistens baut man am Wochenende ein Schlafdefizit ab, dass man unter der Woche aufgebaut hat. Daher ist die Schlafdauer nicht so verlässlich."
Der Schlafforscher rät eher dazu, im Urlaub auf den Wecker zu verzichten. "In der ersten Woche erholt man sich von den letzten Arbeitswochen. Aber die zweite Urlaubswoche gibt einen guten Anhaltspunkt."
Wichtig sei dann aber auch, nicht zu überschlafen: "Wenn man morgens wach wird und es schwer fällt, wieder einzuschlafen, dann hat man vermutlich genug geschlafen und sollte besser aufstehen." Zu viel Schlaf kann nämlich auch müde machen und gesundheitliche Konsequenzen haben.
(mit Material der dpa)
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