Berlin - Arztbefunde, Röntgenbilder, Medikamentenlisten: Seit zwei Jahren gibt es elektronische Patientenakten, mit denen Versicherte Gesundheitsdaten parat haben können - abrufbar am Smartphone. Doch die Nachfrage hält sich in engen Grenzen.
Überhaupt kommt eine umfassende Digitalisierung auf breiter Front der Praxen und Kliniken nicht richtig in Gang. Gesundheitsminister
Der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, sagt: "Wir sehen, dass es bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems gerade an vielen Stellen hakt, ob nun bei der Akte oder beim E-Rezept. Das Grundproblem ist die fehlende Nutzerfreundlichkeit." Entscheidend für den Erfolg der E-Akte sei, dass sie im Praxisalltag ankomme. Dafür müssten Ärzte an sie angebunden sein und sie dann auch befüllen. "Es muss selbstverständlicher Teil des Arztbesuchs werden, dass die Daten der Patientinnen und Patienten auch in ihrer Akte abgelegt werden."
Versorgung effektiver und besser machen
Als freiwilliges Angebot für die 74 Millionen gesetzlich Versicherten war die elektronische Patientenakte (ePA) am 1. Januar 2021 gestartet und soll schrittweise mehr Funktionen bekommen. Das Ziel lautet, die Versorgung für Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte effektiver und besser zu machen.
Etwa, indem Mehrfachuntersuchungen unnötig werden, weil man Infos zu eingenommenen Medikamenten oder früheren Behandlungen nicht immer dabei hat. Bei der Vernetzung der Praxen gibt es jedoch Verzögerungen. Bei mehreren Fragen schwelt ein Streit über den Datenschutz.
Auch zwei Jahre nach dem Start nutzt weiter nur ein Bruchteil der Patienten die E-Akte. Bei den größten Kassen TK, Barmer, DAK und den elf Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) haben sie inzwischen 450.000 von zusammengenommen 52 Millionen Versicherten, wie eine dpa-Umfrage ergab.
Auf "Opt-out"-Prinzip umschwenken
Über alle gesetzlichen Kassen hinweg seien es 570.000, sagt Spitzenverbandschefin Doris Pfeiffer der Funke-Mediengruppe. Um einen Durchbruch zu erreichen, will die Ampel-Koalition deswegen grundlegend auf das Prinzip "Opt-out" umschwenken - also, dass alle die E-Akte bekommen und man aktiv widersprechen muss, statt wie derzeit aktiv einzuwilligen.
Die Umstellung könne für weiteren Schwung sorgen, heißt es bei der Barmer, bei der 50.000 der 8,7 Millionen Versicherten E-Akten haben. Die ePA werde relevant, wenn sie wichtige Informationen enthalte. Nötig sei auch eine unkomplizierte Anmeldung für Versicherte. Bei der TK haben 350.000 der 11 Millionen Versicherten E-Akten.
Meistgenutzte Funktion sei das eigene Laden etwa von Impfdaten oder Infos zu Arztbesuchen. Bei den AOKs haben 40.000 der 27 Millionen Versicherten E-Akten. Um den Mehrwert bekannter zu machen, soll die Kommunikation verstärkt werden. Damit die ePA ins Fliegen komme, müsse sie auch Prozesse in den Praxen erleichtern.
Von zahlreichen Veränderungen ist die Rede
Lauterbach plant im neuen Jahr ein großes Digitalisierungsgesetz. Von zahlreichen Veränderungen ist im Ministerium die Rede - und dass die ePA damit "wirklich zur Realität" werden soll. Zum Datenschutz soll es eine internationale Expertenkonferenz geben. DAK-Chef Andreas Storm wirbt für neue Wege bei einem Neustart.
Statt gegenseitiger Blockade wie bislang brauche es "ein lösungs- und konsensorientiertes Vorgehen". Er schlug ein Steuerungsgremium vor, in dem auch Datenschützer, Ärzte, Kliniken und Kassen mitarbeiten. Bei der DAK haben 10.000 der 5,6 Millionen Versicherten eine E-Akte.
Lauterbach geht es auch um eine bessere Versorgung. Die systematische Auswertung vieler digitaler Daten kann Forschungserkenntnisse entscheidend beschleunigen - wenn man sie denn hat. Ein Vorbild dafür ist Israel, das vor mehr als 25 Jahren mit der Digitalisierung begann. "Hier nutzen alle Kliniken und Praxen eines Patienten dieselben Daten", erläuterte Lauterbach bei einem Besuch vor einigen Monaten.
Für Deutschland gibt es nun zumindest eine ehrgeizige Zielmarke, notiert in der Digitalstrategie der Regierung: Sie will sich 2025 daran messen lassen, ob mindestens 80 Prozent der gesetzlich Versicherten eine E-Patientenakte haben. © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.