Hetlingen - Mentales Loch statt Wolke 7: Es kann passieren, dass nach dem Hochzeitsfest ein Stimmungstief aufzieht. Ein Phänomen, das etwa unter dem Namen Post-Wedding-Blues bekannt ist. Die Psychologin Julia Scharnhorst aus Hetlingen (Schleswig-Holstein) erklärt, was dahintersteckt - und wie man aus so einem Tief wieder herausfindet.
- Woher ein Post-Wedding-Blues kommen kann:
Zeit, Energie, Herzblut, Geld - all das steckt in der Festplanung. Gerade denen, die sich voller Eifer in das Projekt Hochzeit stürzen, kann es passieren, dass sie danach in ein Loch fallen. Eben weil sich das Leben vorher lange so stark an der Festplanung ausrichtet hat. Oft sind Frauen betroffen, so die Beobachtung von Julia Scharnhorst.
"Wenn das Fest durch ist, ist da erst mal eine gewisse Leere", sagt die Psychologin. Und nicht nur das: "Es ist normal, dass nach so einem Ereignis Stress abfällt." Energie und Tatendrang fehlen dann.
Vielleicht ist man auch über zu hohe Ansprüche gestolpert. "Gerade wenn man lange Zeit mit der Planung verbracht hat, soll alles perfekt funktionieren", sagt Julia Scharnhorst. "Aber irgendwas wird wahrscheinlich nicht geklappt haben." Vielleicht war der Onkel betrunken, das Essen ließ auf sich warten. Und gerade bei hohen Erwartungen sorgen schon kleine Pannen für eine riesige Enttäuschung, die auch nach dem Fest nicht gehen mag.
Manchmal sitzen die schwierigen Gefühle nach einer Hochzeit aber tiefer. "Eine Hochzeit ist nicht nur eine große Party, sondern eine Lebensveränderung", sagt Julia Scharnhorst, die den Fachbereich Gesundheitspsychologie des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) leitet.
Große Veränderungen wie diese können uns verunsichern: War die Hochzeit mit diesem Menschen das Richtige für mich? Fragen wie diese können quälen - auch wenn man dem Menschen, den man geheiratet hat, richtig glücklich ist. Dazu kommt, dass sich Konflikte in Beziehungen durch eine Hochzeit nicht einfach auflösen.
- Was gegen den Blues nach dem Fest hilft:
Zuallererst: Geduld. "Man darf sich ein, zwei Wochen Zeit nehmen zum Entspannen und Ausklingen, um die Hochzeit erst mal sacken zu lassen", sagt Julia Scharnhorst. Dabei ist wichtig, sich alle Gefühle zu erlauben und anzuerkennen, dass man mit der Hochzeit kein Abo für die Wolke 7 abgeschlossen hat - denn das gibt es ohnehin nicht.
Helfen kann auch, sich schon während der Hochzeitsplanung viel mit dem Partner oder der Partnerin auszutauschen. Und zwar nicht nur über das Fest, sondern auch über die Erwartungen an das gemeinsame Leben, so der Rat von Scharnhorst.
Wer an der Entscheidung für die Hochzeit zweifelt, kann sich noch einmal vor Augen führen, warum er sich für diesen Menschen entschieden hat. "Es geht darum, Sicherheit für sich selbst zu schaffen", sagt Scharnhorst. Denn das stabilisiert die Psyche.
- Wann es professionelle Hilfe braucht:
Wer sich nun aber sorgt, mit der Hochzeit in ein mentales Loch zu stolpern, für den hat Julia Scharnhorst eine gute Nachricht: Die Regel ist der Post-Wedding-Blues nicht, eher die Ausnahme. Oft verzieht er sich von alleine wieder. "Nach zwei Wochen sollte man sich wieder gefangen haben", sagt Scharnhorst.
Dauert die Phase länger an und gewinnt an Heftigkeit, braucht es professionelle Hilfe von einem Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin. Denn dann steckt möglicherweise eine Depression dahinter - für die nicht nur das Hochzeitsfest verantwortlich ist. © dpa
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