Der eine ist unzufrieden mit einer langen, etwas höckerigen Nase, der andere findet seinen Bauchspeck zu üppig, die Dritte kann ihren Busen einfach nicht leiden.
Mit leichten Unzufriedenheiten leben die meisten Menschen - und das im Grunde ganz gut. Doch wenn der Makel die Gedanken beherrscht, den Alltag bestimmt und sich negativ auf die Partnerschaft auswirkt, kann sich die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper zum Selbst-Hass steigern.
Viele setzen dann all ihre Hoffnungen in das Skalpell. Denn mit dem nötigen Kleingeld muss heutzutage niemand mehr hässlich sein. Die plastische Chirurgie boomt, die Operateure verdienen sich eine goldene Nase, der Patient ist glücklich. Eine Win-win-Situation, könnte man meinen.
Dass die Schönheitschirurgie vermeintlich einfache Lösungen bietet, täuscht jedoch oft über die tieferen Beweggründe für den Körperhass hinweg. Immer seltener stellen wir uns die Frage: Warum haben Äußerlichkeiten eine solche Macht über uns? Gaukelt uns das Leben der Reichen und Schönen vor, durch gutes Aussehen glücklicher zu sein? Häufig steckt hinter den vermeintlich unerträglich hässlichen Körperteilen in Wahrheit ein psychisches Problem und es ist fraglich, ob das Skalpell in einem solchen Fall überhaupt weiterhilft.
Dennoch behaupten viele der Betroffenen nach einem plastischen Eingriff, endlich glücklich zu sein und sich befreiter zu fühlen. Die Monate nach der OP verbringen sie oft mit Schmerzen, aber dennoch in Euphorie: Endlich stimmen die Äußerlichkeiten.
Attraktiver zu werden kann dazu führen, der psychischen Missbefindlichkeit die "Nahrung" zu entziehen. In anderen Worten: Das tiefer sitzende Problem findet keinen Ausdruck mehr im Äußeren und kann daher zunächst leichter ignoriert werden. Doch dieses Hochgefühl muss nicht ewig anhalten. Das veränderte Äußere verhilft den Patienten nicht zwangsläufig zu einem dauerhaft besseren Lebensgefühl.
Im Gegenteil: Bereits kleine Veränderungen am Körper können psychische Auswirkungen haben, doch das machen wir uns schon lange nicht mehr klar. Kanadische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Aufklärung über psychologische Folgen von Schönheits-OPs in unserer Gesellschaft nur sehr begrenzt vorangetrieben wird.
So betonen Frauenzeitschriften in überproportionaler Weise die positive Wirkung der Eingriffe. Gleichauf mit Schminktipps und der Warnung vor Ernährungssünden verkommt die plastische Chirurgie in den Hochglanzmagazinen zur bloßen Frage des Geldes.
Dabei ist im Vorfeld eines Eingriffes nicht unbedingt abzusehen, wie unsere Psyche mit einschneidenden äußerlichen Veränderungen umgeht. Dass sich auch "erfolgreiche" Veränderungen auf das Körpergefühl und das soziale Umfeld auswirken – und das nicht immer positiv – blenden viele aus. Was also kann in der Gefühlswelt der Betroffenen nach der Schönheits-OP passieren?
"Mein Körper ist mir fremd"
Bei Brustvergrößerungen, Sixpack-Modellierungen oder Einsetzen von Lippenimplantaten stellt sich vor allem in den ersten Wochen nach der OP oft ein Fremdkörper-Gefühl ein. Es kann lange dauern, bis Betroffene diese Beklemmung ablegen können – und bei manchen ist das sogar niemals der Fall. Darüber hinaus können auch körpereigene, aber durch den Eingriff veränderte Körperteile als fremd empfunden werden. Das neue Spiegelbild ist dem Betroffenen einfach zu unvertraut und die anfangs stark sichtbaren Narben erinnern immer wieder an die harte Maßnahme gegen den eigenen Körper.
Bei Bauch- und Bruststraffungen wird zudem oft die Sensibilität der Körperteile beeinträchtigt und es kann sich ein dauerhaftes Taubheitsgefühl einstellen. Auch die Umstellung auf Verhaltensweisen, die dem Körper Schonung garantieren sollen, kann zum Gefühl der Fremdheit mit dem eigenen Ich beitragen. So müssen Frauen nach dem Einsetzen von Brust-Implantaten wochenlang Spezial-BHs tragen, sowohl tagsüber als auch nachts. Auch das Schlafen auf dem Bauch stellt sich für viele Frauen zunächst als äußerst unangenehm heraus. Insgesamt können sich die ungewohnten Verhaltensweisen und die ständige Rücksicht auf das korrigierte Körperteil negativ auf das Verhältnis zum eigenen Körper auswirken.
"Eine OP reicht mir nicht"
Wenn nur Monate nach der OP bereits der Wunsch nach einer weiteren auftritt, ist das nicht normal. Die Welt der Promis und der High Society bietet bei näherem Hinsehen eine Vielzahl von Suchtopfern.
Mickey Rourke, Donatella Versace, Michael Jackson, um nur einige zu nennen, haben ein echtes Problem: Sie haben sich dem eigenen Schönheitswahn ausgeliefert. Hat man das Gefühl, erst durch zahlreiche Veränderungen in einen lebenswerten Zustand zu gelangen, sitzt das Problem definitiv tiefer. Doch das kommt nicht nur im Showbiz, sondern auch bei "unspektakuläreren" Mitbürgern vor. Der einzige Unterschied: Stars können sich die Sucht in der Regel besser leisten und unterziehen sich einem Eingriff nach dem anderen.
"Mein Leben hat sich nicht verändert"
Oft werden Schönheits-OPs unterschwellig als Ende aller Selbstzweifel gepriesen. Das schürt hohe Erwartungen an das Leben nach dem Eingriff. Man träumt, die erschlankten Hüften brächten einem neue Freunde, die krumme Nase sorge auf der Straße nicht mehr für schiefe Blicke, der erstraffte Busen lasse die Leidenschaft des Partners wieder aufflammen.
Doch diese Erwartungen können schnell der unsanften Landung auf dem Boden der Tatsachen weichen. Dann nämlich, wenn die neue Oberweite nicht den erwarteten Aufschwung im lauwarmen Sexleben bringt, oder der Betroffene merkt, dass sich die Umwelt ihm gegenüber auch nicht anders verhält als vorher. Was folgen kann, sind neuerliche Selbstzweifel, die das veränderte Äußere schließlich nicht mehr zu überdecken vermag.
Was in diesen Fällen von Grund auf fehlt, ist Selbstbewusstsein. Und das kann eben nicht durch äußere Veränderungen hervorgezaubert werden, sondern muss von innen kommen.
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