Nach dem Urlaub leiden viele Menschen am Post-Holiday-Syndrom. Zu den Symptomen zählen Schlaflosigkeit, schlechte Laune, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen oder Angst. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt Psychologin Laura Stoiber, wie es zu dem "Blues" nach dem Urlaub kommen kann und warum man die Warnzeichen des Körpers ernst nehmen sollte.

Ein Interview

Sich nach einem erholsamen Urlaub wieder voll ins Berufsleben zu stürzen, fällt nicht allen Menschen gleichermaßen leicht. Zu groß ist bei einigen von ihnen das Tief, der sich mit Blick auf die Strapazen des Alltags nach einer schönen Reise bemerkbar macht. Doch wann sprechen wir von Niedergeschlagenheit und wann vom sogenannten Post-Holiday-Syndrom? Im Gespräch mit unserer Redaktion hat die Psychologin Laura Stoiber die Thematik eingeordnet und hält fest: Die Warnsignale unseres Körpers sollten von uns nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

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Was genau hat es mit dem Post-Holiday-Syndrom auf sich?

Laura Stoiber: Bei dem Post-Holiday-Syndrom handelt es sich um ein Stimmungstief nach dem Urlaub. Zu den Hauptsymptomen des Urlaubsblues zählen Schlaflosigkeit, schlechte Laune, Konzentrationsmangel, Kopfschmerzen, Gereiztheit und Ängstlichkeit. Der Körper sagt also gewissermaßen "Stopp!". Aus psychologischer Sicht ist das Ganze schon sehr ernst zu nehmen, da das Post-Holiday-Syndrom einer depressiven Verstimmung ähnelt. Der Körper zeigt den Betroffenen klar Grenzen auf, die vom Unterbewussten kommen und signalisiert, dass es ihm mit der Umstellung nicht gut geht.

Was sind die Ursachen für das Post-Holiday-Syndrom?

Das Post-Holiday-Syndrom kann als Folge der Ausschüttung von Stresshormonen nach einem Urlaub beschrieben werden. Der Körper hat sich allmählich an die Ruhe der freien Zeit gewöhnt und wird anschließend wieder auf Höchstleistung gebracht. Viele Urlauber sehen sich schon während der Auszeit mit der Angst vor der Rückkehr zur Routine oder der Menge an Aufarbeitungen von Arbeitsrückständen, der Anzahl an Anrufen, die nach dem Urlaub eingehen werden, sei es auf Grund der Terminvergabe oder eines dringenden gesundheitlichen Anliegens, konfrontiert. Aber auch die Angst vor einer schwierigen Führungskraft oder vor zu viel Arbeit können hier eine entscheidende Rolle spielen.

Inwiefern nehmen Betroffene den Blues auf der Arbeit mit nach Hause ins Privatleben?

Es sind tatsächlich eher Menschen betroffen, die Schwierigkeiten damit haben, Grenzen zu setzen oder oft sehr herausfordernde Projekte oder Tätigkeiten haben, bei denen man die Arbeit häufig mit nach Hause nimmt. Aber auch wenn beispielsweise die Stimmung im Büro schlecht ist, neigen Betroffene dazu, die dadurch entstehenden Sorgen und Konflikte gedanklich mit nach Hause zu nehmen.

Verlieren Betroffene durch das Post-Holiday-Syndrom gewissermaßen ihren gesamten Erholungseffekt aus dem Urlaub?

Ja, das Stresshormon ist schneller wieder da und baut sich schneller auf. Dadurch kann es passieren, dass die durch den Urlaub geschaffene Erholung gleich Null ist.

Wann spricht man von einem "Blues nach dem Urlaub" und wann von dem Post-Holiday-Syndrom?

Hält das Stimmungstief etwa ein bis zwei Tage an, kann man von einer Art "Blues nach dem Urlaub" sprechen. Ist die Verstimmung nach ein bis zwei Wochen noch immer spürbar, sprechen wir vielmehr vom Post-Holiday-Syndrom.

Tritt das Post-Holiday-Syndrom bei Betroffenen eher gegen Ende des Urlaubs auf oder nehmen sie die Angst vor dem "Nach-dem-Urlaub" gewissermaßen schon mit in den Urlaub?

Typischerweise tritt es eher mit Ende des Urlaubs auf. Es ist ein vorübergehendes Stimmungstief beziehungsweise ein Erschöpfungszustand in den ersten Arbeitstagen nach dem Urlaub. Es gibt aber auch Betroffene, die bereits vor ihrer Erholungsphase durchaus die Angst vor dem "Nach-dem Urlaub"-Gefühl verspüren. Das äußert sich dann ähnlich.

"Es sind ganz klar jene mehr betroffen, die unglücklich oder überarbeitet sind."

Psychologin Laura Stoiber

Sind vom Post-Holiday-Syndrom eher Menschen betroffen, die in ihrem Job unglücklich sind, oder kann das Tief jeden Menschen treffen?

Es sind ganz klar jene mehr betroffen, die unglücklich oder überarbeitet sind. Gerade in stressigen Zeiten kann das Post-Holiday-Syndrom aber auch Personen betreffen, die grundsätzlich glücklich im Job sind und sich nur momentan etwas übernehmen. Das ist dann nicht weiter tragisch, sondern eher ein Zeichen, wieder besser auf sich zu achten. Tritt das Post-Holiday-Syndrom aber nach jeder Urlaubsphase auf, ist dies sehr ernst zu nehmen und sollte keinesfalls einfach ignoriert werden.

Bedeutet das, dass aus dem Post-Holiday-Syndrom auch eine ernstzunehmende Angststörung oder sogar eine Depression entstehen kann?

Wer seine Arbeit grundsätzlich gerne macht, wird im Regelfall nach kurzer Zeit über das Post-Holiday-Syndrom hinweg sein. Zeigt sich das Syndrom jedoch hartnäckiger, gilt es, genauer hinzuschauen und sich mit den folgenden Fragen zu konfrontieren: Sind es die Umstände, etwa die Arbeitsatmosphäre, die für das Stimmungstief sorgen? Oder haben sich grundsätzlich Ihre Interessen verschoben? Was gibt mir Energie – und was nicht? Welche Menschen tun mir gut? Der Körper sagt es Ihnen oft früher. Treten die Verstimmungen immer häufiger auf, empfehle ich, einen genauen Blick auf die jeweilige Arbeitssituation zu werfen. Und ja: Verdrängt man die Warnzeichen des Körpers, kann sich sich daraus irgendwann eine ernstzunehmende Angststörung oder Depression entwickeln. Das Post-Holiday-Syndrom kann also gewissermaßen als eine leichte Vorstufe dessen betrachtet werden.

Was raten Sie Betroffenen, die sich auch nach mehreren Wochen noch am Post-Holiday-Syndrom leiden?

Wer sich drei bis vier Wochen nach dem Urlaub immer noch müde und niedergeschlagen fühlt oder immer noch schlecht schläft, sollte sich überlegen, Hilfe zu suchen. Dann kann es sein, dass aus dem Syndrom eine Depression entsteht. Das Gleiche gilt auch, wenn jeder Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag von diesen Symptomen begleitet wird. Der Körper setzt uns damit ernstzunehmende Grenzen. Wer ständig über seine Belastungsgrenze geht, läuft Gefahr, ein Burnout zu entwickeln. Das bedeutet nicht, dass es im Job nicht auch einmal fordernd sein darf. Das ist völlig okay. Aber danach muss es auch wieder eine Phase der Entspannung geben. Schließlich geht es im Leben immer genau darum: Anspannung und Entspannung. Und um die richtige Balance, die daraus entsteht.

"Direkt den nächsten Urlaub zu planen ist gut für die Psyche."

Psychologin Laura Stoiber

Welche Tipps geben Sie Betroffenen vom Post-Holiday-Syndrom?

  • 1. Step by step in die neue Woche starten

Das heißt: Keine großen Projekte oder Aufgaben direkt für den Montag vornehmen, sondern lieber mit kleinen To-do's starten, die schnell abgearbeitet sind. Das sorgt direkt am Vormittag für erste Erfolgserlebnisse und motiviert auch für den restlichen Arbeitstag. Keine Überstunden und regelmäßige Pausen sind wichtig, um nicht gleich ein Gefühl der Überforderung zu bekommen.

  • 2. Vorfreude ist die schönste Freude

Direkt den nächsten Urlaub zu planen, ist gut für die Psyche. Forschungen haben ergeben, dass statt eines langen Urlaubs viele kleinere Kurzurlaube über das Jahr verteilt mehr Regeneration versprechen und Vorfreude die intensivste Freude ist.

  • 3. Bei Rückkehr Arbeitswoche verkürzen

Erst am Mittwoch oder sogar Donnerstag in die Arbeitswoche starten. Wenn man nach einer Erholungsphase lediglich zwei bis drei Arbeitstage vor sich hat, wirkt das gleich viel machbarer! Und wenn der Mittwoch der erste Arbeitstag ist, dann ist das Wochenende auch schon nah. Wer etwa sehr viele Mails empfängt, kann auch die Abwesenheitsnotiz um ein paar Tage verlängern, um zunächst Nachrichten, die während der Urlaubszeit eingegangen sind, abzuarbeiten

  • 4. Bringen Sie den Urlaub in den Alltag

Die Wehmut und die nostalgischen Gefühle beim Post-Holiday-Syndrom können mit schönen Souvenirs aus dem Urlaub abgemildert werden. Indem man sich Urlaubserinnerungen auf den Schrei-tisch im Büro stellt oder etwa ein schönes Urlaubsfoto als Bildschirmhintergrund eingerichtet wird, kann die Stimmung verbessert werden. Kochen Sie zu Hause landestypische Gerichte aus Ihrer Urlaubsregion und versuchen Sie, angenehme Urlaubsrituale in den Alltag daheim zu integrieren. Auch das Abspielen entspannender Hintergrundmusik oder dem Meeresrauschen-Sound kann sich positiv auf die Arbeit auswirken.

  • 5. Pünktlich Feierabend machen und Grenzen setzen – sonst setzt der Körper Grenzen

Auch wenn es, vor allem nach dem Urlaub, viel zu tun gibt – der Feierabend sollte nicht allzu spät in die Nacht verschoben werden. So bleibt genügend freie Zeit, um sich von den nicht mehr so gewohnten Anstrengungen eines Arbeitstages zu erholen. Demnach ist es wichtig, Grenzen zu setzen und nach Hause zu gehen. Die besten Manager sind am ehesten in ihrer Balance, wenn sie Dinge in einem realistischen Zeitfenster erledigen. Nicht die, die ewig bleiben. Karriere ist kein Sprint, sondern ein Marathon! Wer steht am Grab am Ende des Lebens? Die Familie und die Freunde. Nicht das Unternehmen. Insofern plädiere ich dafür, mehr Loyalität zu sich selbst als zum Unternehmen zu zeigen.

Was kann die Führungskraft und/oder das Team tun, um Mitarbeitenden den Wiedereinstieg nach dem Urlaub zu erleichtern?

Dem Urlaubsrückkehrer persönliche Aufmerksamkeit zu schenken, kann eine Menge bewirken. Es geht darum, sich nicht nur für die Person als reine Arbeitskraft zu interessieren, sondern wirklich Anteil an Urlaubserlebnissen zu nehmen. Strukturierte Briefings mit klaren To-do's geben zum Start Orientierung. Ein Update, was während des Urlaubs Wichtiges geschehen ist, hilft ebenfalls. Zudem ist es wichtig zu betonen, dass gute Führungskräfte ihre Mitarbeitenden im Urlaub in Ruhe lassen und klar Grenzen einhalten. Ist das nicht der Fall, sprechen wir von einer grenzüberschreitenden Führungskraft und einem Führungsstil, der nicht für das Unternehmen spricht.

Die besten Unternehmen haben klare Vertretungsregeln. Heißt: Bereits vor Urlaubsantritt klären die Mitarbeitenden untereinander, wer wen vertritt und welche Aufgaben zu erledigen sind. So hat sich beispielsweise bei manchen Unternehmen eingebürgert, dass sämtliche Mails während der Urlaubszeit an die jeweilige Vertretung weitergeleitet werden. Das bringt als positiven Effekt mit sich, den ersten Arbeitstag nach dem Urlaub als noch "freien Tag" zu betrachten und den Mitarbeitenden ankommen zu lassen.

Zur Person: Dr. Laura Stoiber ist Psychologin und ehemalige Tennis Leistungssportlerin aus Österreich. In Wien leitet sie die Praxis 1010 – eine Praxisgemeinschaft von Psychologen, Psychiater und Psychotherapeuten.
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