- Eine Demenzerkrankung bedeutet nicht im Umkehrschluss, nichts mehr machen zu können.
- Durch diese Aufgaben fühlen sich Betroffene weiterhin gebraucht und die Gedächtnisleistung wird aktiviert.
Medikamente, die eine Demenz heilen, gibt es noch nicht. In der Anfangsphase können manche Mittel eine Verschlechterung hinauszögern. Bei mittlerer oder schwerer Demenz setzt man allerdings oft auf ruhigstellende Medikamente. Dabei sind Medikamente längst nicht alles, wenn es darum geht, möglichst gut mit der Demenz zu leben. Die sogenannte Aktivierung ist für die Betroffenen mindestens genauso wichtig – wenn nicht sogar noch wichtiger.
Betroffene sollten aktiv bleiben
Aktivierung kann viele Formen annehmen. Es kann heißen, kleine Aufgaben in Haushalt und Garten zu übernehmen oder Beschäftigungen nachzugehen, die die Sinne ansprechen. Musik von früher zu lauschen ist ebenfalls eine Möglichkeit oder barfuß durch den Garten laufen. Im Kern geht es darum, aktiv zu bleiben.
"Es wirkt sich positiv auf die Gedächtnisleistung aus, je aktiver eine Person mit Demenz ist", sagt Laura Mey, Beraterin beim Alzheimer-Telefon der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft. Die Betroffenen können ihre Fähigkeiten so länger erhalten. Oft zeigt sich, dass sie noch mehr können, als ihre Angehörigen vermuten.
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"Wenn man Menschen mit Demenz gut aktiviert, können sie noch ganz viel selbständig machen", sagt Susette Schumann. Als Präsidentin der Deutschen Fachgesellschaft für aktivierend-therapeutische Pflege (DGATP) bildet sie Pflegefachkräfte aus.
Aktivierung ist dabei mehr als "nur" Freizeitgestaltung. Sie umfasst den gesamten Alltag. So können Demenzkranke etwa den Flur fegen oder Staub wischen. "Die Fähigkeit, das zu tun, ist oft noch da. Aber man kommt vielleicht nicht unbedingt auf die Idee und weiß nicht mehr, wo die Putzsachen stehen", sagt Laura Mey.
Konkrete Anweisungen geben und Reize setzen
Wichtig seien daher konkrete Anweisungen: "Du kannst die Fensterbank im Wohnzimmer abstauben, hier ist der Lappen." Genauso kann man Betroffenen den Korb mit der frisch gewaschenen Wäsche geben und sie zum Wäscheständer führen.
"Auch Menschen mit Demenz wollen sich nützlich fühlen. Das ist ein gutes Gefühl und führt zu einer gewissen Ausgeglichenheit", erklärt Mey. Angehörige sollten daher überlegen, wie sie die erkrankte Person einbinden können. Möglichkeiten gibt es viele, zum Beispiel bei wiederkehrenden Tätigkeiten.
"Eine Aufgabe kann zum Beispiel sein, die Post aus dem Briefkasten zu holen", schlägt Mey vor. Das jeden Tag zu tun, bringt Routine in den Alltag. Routinen sind gerade für Menschen mit einer Demenz wichtig, da sie Sicherheit, Struktur und Orientierung geben.
Aktivierung kann aber auch heißen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Mit Bildern, Gerüchen oder Gegenständen können Angehörige Reize setzen – am besten abgestimmt auf die Vorlieben der Person mit Demenz.
"Hat jemand gerne genäht und sich für Kleidung und Mode interessiert, kann das zum Beispiel eine Kiste mit verschiedenen Stoffen sein", sagt Mey. Anschauen, befühlen und darüber sprechen – gut ist, wenn Demenzkranke Dinge in die Hand nehmen können.
"Man kann Menschen mit Demenz auch verschiedene Küchengeräte oder Werkzeuge auf den Tisch legen, sie aussuchen lassen und darüber reden, was man mit ihnen machen kann beziehungsweise gemacht hat", sagt Mey. Weitere Anregungen erhalten Angehörige auch in der App "Alzheimer and You" der Alzheimer-Gesellschaft.
Egal für welche Aktivität man sich entscheidet: Sie sollte möglichst klein und überschaubar sein. "Menschen mit Demenz haben irgendwann große Probleme mit der Konzentration. Sie können sie etwa zehn Minuten lang halten", sagt Susette Schumann. Wird es den Betroffenen zu viel, lassen sie oft alles stehen und liegen und gehen einfach, weiß die Pflegeexpertin.
Wichtig ist daher, die Aktivierung nicht als Pflichtübung zu verstehen. Lehnt die Person mit Demenz eine Aktivität ab, sollten Angehörige das akzeptieren.
Viel eher steht die Freude an der Sache im Vordergrund. Die kann bei vielen Aktivitäten aufkommen: Malen, Musik hören, backen, tanzen, kleine Spiele. Schön für alle Seiten ist, wenn ein gemeinsames Lachen entsteht. "Der Sinn für Humor ist noch lange Zeit gegeben", weiß Mey.
Angehörige können sich Hilfe von Fachkräften holen
Aktivierung wird aber nicht nur von Angehörigen durchgeführt, sondern auch in Pflegeeinrichtungen. Kommt ein Mensch mit einer Demenz ins Heim, können Angehörige biografische Hinweise weitergeben, die bei der Aktivierung helfen können: Was hat die Person früher gerne gemacht, was war ihr wichtig?
Bei Fragen oder Anregungen sind sogenannte Betreuungsassistenten, die es in vielen Heimen gibt, die richtigen Ansprechpartner.
Eine weitere Möglichkeit: Familienmitglieder können bei einer Aktivierung im Heim dabei sein. "Ich erlebe oft, dass sich Angehörige mal dazusetzen", sagt Susette Schumann: "Als Heim würde ich dazu sogar einladen."
Denn das kann für Sohn oder Tochter eine große Hilfe sein, wenn sie nicht so recht wissen, wie sie mit dementen Eltern umgehen sollen. "Gute Heime haben in Demenz geschulte Mitarbeiter, die nehmen die Angehörigen mit rein", sagt Schumann.
Übrigens: Bei der Aktivierung zählt weniger, was genau man macht – und mehr, wer es macht. "Demenzkranke suchen sich oft ihre Menschen aus, sie haben einen Lieblingsmenschen", sagt Schumann. Das können Angehörige oder auch Pflegefachkräfte sein. "Sie suchen sich diejenigen aus, die ihnen guttun."
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Hochwertige soziale Kontakte sind damit entscheidender als Medikamente, glaubt die Pflegeexpertin: "Wenn man solche Beziehungen herstellen kann, kann man teilweise auch auf Medikamente verzichten." Wer demente Menschen beruhigen wolle, müsse ihnen Beziehungen anbieten, so Schumann. "Wenn ich emotional reagiere und nach Sicherheit suche, kann mir die ja nur ein lebendes Wesen geben und keine Tablette." (sbi/dpa)
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