- Viele haben Bedenken gegen den COVID-19-Impfstoff von Astrazeneca, dabei sind die Risiken gering.
- Aktuelle Daten zeigen: Auf 100.000 Impfungen in Deutschland kam ein Fall von Blutgerinnseln.
Die Corona-Notbremse in Deutschland ist in Kraft und es rücken nun mehr Freiheiten für Geimpfte in den Fokus. Zugleich gibt es gute Nachrichten für die Impfwilligen in Deutschland. Die oberste deutsche Impfbehörde stuft die Risiken von schweren Nebenwirkungen bei Astrazeneca und Johnson & Johnson als sehr gering ein.
Gesundheitsminister
Astrazeneca und Blutgerinnsel
Hinsichtlich der Nebenwirkungen erläuterte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, den aktuellen Stand.
- Auf 100.000 Impfungen mit Astrazeneca kam in Deutschland ein gemeldeter Fall eines Blutgerinnsels.
Auch eine erneuerte Untersuchung in Großbritannien habe gezeigt, dass die Thrombosefälle in Zusammenhang mit Astrazeneca sehr selten seien. Bei dem Impfstoff von Johnson & Johnson sei das Verhältnis nach US-Daten sogar 1 zu 1 Million.
- Etliche Behörden, darunter die europäische Arzneimittelbehörde EMA kamen zu dem Ergebnis: Der Nutzen der Impfung überwiege eindeutig das Risiko. "Der Impfstoff rettet Leben", bilanziert der leitende EMA-Datenanalytiker Peter Arlett.
Cichutek begrüßte eine Freigabe des Astrazeneca-Impfstoffs auch für Unter-60-Jährige nach Abwägung mit dem Arzt. "Ich bewerte das als sehr vernünftige Maßnahme", sagte der PEI-Präsident. Die Menschen sollten sich über mögliche Risiken informieren - etwa auf der Internetseite des PEI - und der Arzt diese individuell beurteilen. Bayern, Berlin, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern hatten mitgeteilt, dass Praxen den Astrazeneca-Impfstoff allen spritzen können. Die ständige Impfkommission hatte ihn für Über-60-Jährige empfohlen, seinen Einsatz nach Abwägung mit Ärztin oder Arzt aber ermöglicht.
Bei Johnson & Johnson sieht die Impfkommission nach aktuellem Stand keine Altersbeschränkung vor, wie Cituchek nach einer Sitzung des Gremiums vom Vortag mitteilte. Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) hatte schon grünes Licht für Johnson & Johnson gegeben. Spahn hatte eine zeitnahe Auslieferung angekündigt.
Mehr Rechte für Geimpfte
Welche Beschränkungen fallen für Geimpfte weg? Diese ethisch heikle Frage soll laut Spahn bei der geplanten Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Montag mit im Zentrum stehen. Ein Aspekt sei: "Wie behandele ich vollständige Geimpfte in Relation zu tagesaktuell negativ Getesteten?" Voller Impfschutz könne einem negativen Testergebnis gleichgestellt werden. Das betrifft laut Spahn etwa den Wegfall der Quarantänepflicht nach einem Kontakt zu einem Infizierten, die Regeln bei Einreiseverordungen und bei Öffnungsschritten etwa für Geschäfte.
Eine andere Frage sei: "Darf man jemanden, der vollständig geimpft ist, noch Kontaktbeschränkungen auferlegen?" Laut Spahn müssen die im Grundgesetz geschützten Interessen des Einzelnen und die gleichzeitig hoch zu wertenden Schutzbedürfnisse insgesamt abgewogen werden. Die Regierung bereite für die Runde der Länderchefs eine Übersicht zu den Rechtsfragen vor. Ob es zu Entscheidungen komme, könne er nicht vorhersagen. Mögliche Umsetzungen könnte der Bund mit der neu im Infektionsschutzgesetz eingeführten Ermächtigung für Verordnungen treffen - mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat.
Lagern Impfdosen ungenutzt?
Ärztepräsident Klaus Reinhardt kritisierte beim Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass "mehr als fünf Millionen Impfdosen ungenutzt gelagert" würden. Spahn wies das zurück. Nach mehr als 600.000 Impfungen am Vortag seien im Moment vier Millionen Dosen auf Lager. Bis zur nächsten Lieferung zu Wochenbeginn würden davon zwei Millionen verimpft. Die übrigen seien verplant.
Vom Astrazenenca-Vakzin seien wenige 100.000 unverimpft. Der Zuspruch bei Astrazeenca sei zwar etwas gesunken. Doch seiner Einschätzung nach würden Millionen Menschen ihn nehmen, sobald genug davon geliefert werde, sagte Spahn. Bei den Über-60-Jährigen sollte Astrazeneca nach Ansicht des Ministers bevorzugt zum Einsatz kommen - doch allein mengenmäßig würden für sie auch die anderen Impfstoffe gebraucht.
70 Prozent möglicherweise schon im Sommer geimpft
Ein Großteil der EU-Bürger kann nach Einschätzung von der Leyens deutlich früher gegen das Coronavirus geimpft werden als ursprünglich gedacht. Sie sei zuversichtlich, dass es im Juli genügend Impfstoff gebe, um 70 Prozent der Erwachsenen in der EU zu impfen, sagte sie in Puurs. Bislang war dieses Ziel für den 21. September angepeilt.
Spahn erklärte in Berlin, dass auf Basis der Lieferprognosen im Juni mit einem Ende der bisherigen festen Impfreihenfolge in Deutschland zu rechnen sei. Das bedeute nicht, dass allen gleich ein Termin gegeben werden könne. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte, dann forderten aber immer mehr Menschen ihre Impfung ein. Die Büchse der Pandora würde geöffnet.
Spahn zeigte sich insgesamt optimistisch. "Was mich zuversichtlich macht, ist, dass unser Hauptlieferant Biontech sehr zuverlässig liefert." Von rund 80 Millionen Dosen kämen 50 Millionen von diesem Hersteller. Auch Astrazeneca und Johnson & Johnson wollten ihre Quartalszusagen einhalten. Im Juni kämen die Impfungen durch die Betriebsärzte hinzu. Im Betrieb erreiche man auch jene gut, die noch Fragen hätten oder die Impfung scheuten. 22,2 Prozent der Bevölkerung sind derzeit mindestens einmal geimpft.
Was ist mit Sputnik V?
Unklar ist noch, ob der russische Impfstoff Sputnik V in Deutschland eingesetzt wird. Voraussetzung sei eine Zulassung in der EU, für die noch Herstellerdaten geliefert werden müssten, so Spahn. Der Impfstoff müsse auch rechtzeitig kommen, sodass er überhaupt noch einen Unterschied mache. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte bei einem Besuch in Belgrad, im Moment scheine "die mediale Aufmerksamkeit für die 30 Millionen Impfdosen aus Russland - wenn sie denn kommen - ein bisschen hoch". Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte gesagt, dass Deutschland 30 Millionen Dosen von Sputnik V erwerben wolle.
Wird es ein Leben ohne Corona geben?
Durch die Impfungen kann Corona nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) absehbar nicht ausgelöscht werden. Corona werde sich als Virus etablieren, mit dem man umgehen könne. Eventuell werde es sich saisonal immer wieder stärker verbreiten, aber insgesamt weit milder auswirken als derzeit.
RKI-Vize Lars Schaade meinte, es sei besser, statt von "Herdenimmunität" von "Grundimmunität" der Bevölkerung zu sprechen. Es werde auch Gruppen geben, die nicht geimpft werden könnten oder wollten oder bei denen Impfungen wegen Vorerkrankungen nicht so stark anschlügen. Etwa Impfungen für Kinder sind noch nicht möglich. Das Präparat von Biontech/Pfizer ist ab 16 zugelassen. Im März startete das Unternehmen eine Studie mit Kindern zwischen sechs Monaten und zwölf Jahren. (dpa/af)
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