Ob Herz, Gehirn oder Bein: Ein Infarkt kann an vielen Stellen des Körpers auftreten. Das Wirkungsprinzip ist dabei immer das gleiche: Es kommt zu einem Gefäßverschluss und dadurch zu einer Sauerstoffunterversorgung durch unzureichenden Blutfluss. Eine solche Durchblutungsstörung kann auch das Rückenmark betreffen. Wir erklären, was bei einem solchen Infarkt passiert und ob es jeden treffen kann.

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Bei einem Rückenmarksinfarkt handelt es sich um eine medizinisch besonders schwierige Situation, weil mit dem Rückenmark auch Nervengewebe geschädigt wird. Die Impulse und Befehle vom Gehirn können nicht mehr weitergeleitet werden.

"Grundsätzlich ist der Rückenmarksinfarkt seltener, weil die Gefäße an anderen Organen wie Auge, Ohr oder Herz viel kleiner sind und deutlich schneller verschließen", erklärt Prof. Dr. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule Köln.

Deshalb müssen für die Entstehung eines solchen Infarktes mehrere Faktoren zusammenkommen: "Das können genetisch bedingte Gefäßveränderungen wie ein erhöhtes Arteriosklerose-Risiko sein", so Froböse. Auch wer an einer Gerinnungsstörung leidet, hat ein erhöhtes Infarktrisiko. Zudem können sich durch Formvariationen von Nervengewebe, Knochenstrukturen oder Bindegewebe anatomisch bedingte Engstellen bilden und letztlich einen Gefäßverschluss begünstigen.

Rückenmarksinfarkt äußert sich durch motorische Ausfälle

Der Rückenmarksinfarkt tritt plötzlich auf und wird meist von Rückenschmerzen begleitet. Erste Symptome sind Missempfindungen und leichte Sensibilitätsstörungen. Dabei können die Schmerzwahrnehmung oder das Temperaturempfinden gestört sein.

Darauf folgen häufig motorischen Ausfälle bis hin zu Lähmungserscheinungen oder eine vollständige Lähmung. "Sensibilitätsstörungen lokaler Art, etwa an den Beinen, sind immer ein Warnzeichen, das man ernst nehmen sollte", rät Froböse. "Wenn es komplette Sensibilitätsstörungen gibt oder in einer Region kein Gefühl mehr vorhanden ist, ist das eine Notfallsituation, in der sofort der Notarzt gerufen und ein Krankenhaus aufgesucht werden muss."

Erkannt wird der Rückenmarksinfarkt anhand einer MRT-Aufnahme. Andere Ursachen können zudem durch die Untersuchung von Nervenwasser ausgeschlossen werden. Um Lähmungen zu verhindern, muss wie bei einem Schlaganfall schnell reagiert werden.

Im Krankenhaus wird versucht, die blockierende Engstelle im Gewebe zu beheben und so die Durchblutung wiederherzustellen. Muss das Gewebe zu lange mit zu wenig oder ganz ohne Sauerstoff auskommen, wird es nachhaltig geschädigt. "Im schlimmsten Fall stirbt das Gewebe ab und es bildet sich eine Nekrose", so der Experte.

Infarkt trifft meist Menschen ab 50

Der Rückenmarksinfarkt macht nur rund ein Prozent aller Infarkterkrankungen aus. In der Regel sind Menschen im Alter zwischen 50 und 60 Jahren betroffen. Je höher der Infarkt an der Wirbelsäule stattfindet, desto größer und umfassender ist die Lähmung.

Meist ist ein weiter unten liegender Wirbelbereich betroffen, so dass Patienten danach querschnittsgelähmt sind. In der Folge können auch die Blasen- und Darmfunktion sowie die Sexualfunktion gestört sein.

Die Erkrankung kann auch Spitzensportler treffen, wie im Falle des britischen Olympiaruderers Pete Reed, der im Herbst 2019 einen Rückenmarksinfarkt erlitt und bis heute von der Brust abwärts gelähmt ist und nur noch seine Arme bewegen kann.

"Sportler und insbesondere Leistungssportler haben einen erhöhten Bedarf bei der Versorgung mit Blut und Sauerstoff", sagt Froböse. Zusätzlich haben sie durch Belastungen oft größere Normvariationen an der Muskulatur und dem Bindegewebe als Nicht-Sportler. "Bei extremen Belastungssituationen kommt es dann zu einer Engerstellung der Gefäße", so der Experte. In der sportlichen Situation kann sie zu einer Überforderung und Schwächung der Gefäße führen und so das Risiko für einen Rückenmarksinfarkt erhöhen.

Der tragische Fall von Pete Reed

Der Rückenmarksinfarkt von Pete Reed mit einer Lähmung von der Brust abwärts ist ein besonders seltener Fall. "Dabei handelt es sich um eine völlig ungewöhnliche Situation", sagt Froböse. "Im Brustbereich geschieht so ein Infarkt nicht häufig." Bei Ruderern ist ja gerade der Oberkörperbereich gut trainiert.

Jedoch führen die Ruderbewegungen auch zu Veränderung am Knochen und am Bindegewebe. "Dadurch entstehen große, hohe Muskelpakete. Sie können die Durchblutung zusätzlich beschränken", erklärt Froböse. "Wenn ich sportlich dann sehr aktiv bin und wie beim Rudern hohen Druck ausübe, kann es zu einer derartigen Infarktsituation kommen."

Ob sich diese bei Pete Reed jemals zurückbilden wird, weiß man nicht. "Natürlich hat man immer Potenzial", sagt Froböse. Wichtig ist nach einem Rückenmarksinfarkt der frühzeitige Start mit Rehabilitationsmaßnahmen, damit die Muskulatur erhalten bleibt. "Vielleicht gibt es durch viel Training noch Hoffnung auf eine Regeneration des Nervengewebes. Zwei Jahre muss man ihm dafür geben", so Froböse.

Über den Experten: Prof. Dr. Ingo Froböse ist Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung und Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln.

Verwendete Quellen:

  • NDR: "Infarkt im Rückenmark. Symptome und Therapie"
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