Kein Brei mehr fürs Baby – das ist ein Trend, an dem Eltern in Deutschland derzeit kaum vorbeikommen. Auch wer sein Kind konventionell mit Brei füttert, dürfte zumindest davon gehört haben. Das sogenannte "Baby-led Weaning" bedeutet, dass Kinder neben dem Stillen direkt an Festkost gewöhnt werden. Mediziner sehen den Trend kritisch.
Eltern wollen alles dafür tun, dass es ihrem Kind gut geht. Manchmal ist es aber gar nicht so einfach, sich zwischen verschiedenen Alternativen zu entscheiden. Das gilt zum Beispiel für die Ernährung: War früher klar, dass ein Kind erst gestillt wird, dann Brei bekommt und schließlich feste Nahrung, werden heute verschiedene Möglichkeiten diskutiert – darunter "Baby-led Weaning" (BLW).
"Baby-led Weaning" bedeutet übersetzt "vom Kind geleitetes Abstillen". Wird das Modell konsequent durchgeführt, erhält ein Baby gar keinen Brei, sondern nur feste Nahrung – und Muttermilch oder Muttermilchersatz. Die Nahrung wird meist als Fingerfood gereicht und besteht zum Beispiel aus gekochten Karotten oder Brokkoli. Die Idee dahinter: Das Kind soll selbst entscheiden, was und wie viel es essen möchte.
Der Trend stammt ursprünglich aus England und verbreitet sich seit einigen Jahren auch in Deutschland. Während Eltern sich in Foren im Internet gegenseitig Tipps geben, sprechen manche Experten aber auch von einem gefährlichen Trend. Die Meinungen über BLW gehen weit auseinander.
Stillen sichert nicht die Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen
Wo also liegt das Problem? Zum Beispiel in der Versorgung mit Nährstoffen. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (DGKJ) aus Berlin empfiehlt, Kinder frühestens mit Beginn des fünften und spätestens mit Beginn des siebten Monat an Beikost heranzuführen, also sie zusätzlich zum Stillen oder zum Muttermilchersatz zu füttern. Bei Brei sei das kein Problem, sagt Dr. Christine Prell. Sie ist Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde und Mitglied der Ernährungskommission der DGKJ. Im Gegensatz zu Beikost können ihn Kleinkinder ab fünf Monaten bereits ohne Probleme essen. Daher minimiert Brei deutlich effektiver das Risiko, Allergien zu entwickeln, als das bei Festkost für Babys der Fall ist.
Beim BLW ist liegt genau hier das Problem: "Kinder sind sehr unterschiedlich an fester Nahrung interessiert. Manche fangen damit tatsächlich bereits mit fünf Monaten an – andere aber erst zum Ende des ersten Lebensjahres. Das ist eigentlich viel zu spät."
Untersuchungen hätten gezeigt, dass überwiegendes Stillen ab dem sechsten Lebensmonat oft nicht ausreiche, damit das Kind alle wichtigen Nährstoffe in ausreichendem Maß bekommt, sagt die Ärztin. Dabei gehe es zum Beispiel um Eisen, aber auch um Phosphor, Vitamin B6, Zink und Magnesium. Der Anteil an fester, stückiger Kost, den Kinder beim BLW essen, ist zunächst oft sehr niedrig und steigt erst mit der Zeit an. "Deshalb werden diese Kinder in der Regel sehr lange hauptsächlich gestillt", sagt die Ärztin. Und dann droht eine Unterversorgung, bei manchen Kindern auch Untergewicht.
In fast allen Kulturen wird Brei gefüttert
Ein Argument der Verfechter von BLW ist, dass Kinder in der Steinzeit auch keinen Brei erhalten hätten. "Das mag sein", sagt Dr. Prell. "Allerdings beobachten wir umgekehrt auch, dass Mütter auf der ganzen Welt in verschiedensten Kulturen ihre Kinder mit Brei füttern." Die Zusammensetzung unterscheide sich womöglich zwischen Getreidebrei in Deutschland, Haferbrei in Amerika und Reisbrei in China. "Aber grundsätzlich füttert aber fast jeder Brei", sagt die Expertin.
Bislang fehlen aussagekräftige Daten aus Studien
Es gebe umgekehrt aber auch keinen Grund, Baby-led Weaning gänzlich zu verteufeln, sagt Dr. Prell. "Bislang liegen noch nicht ausreichend Daten aus Studien dazu vor, um eindeutige Aussagen treffen zu können." Ob feste oder breiige Nahrung: Schwierig sei es, dass der Impuls zum Essen bei der Fütterung von außen gesetzt werde. "Manche Eltern füttern ein Gläschen komplett, ohne auf Sättigungszeichen zu achten – auch wenn das Kind womöglich bereits satt ist." Das führe dazu, dass manche Kinder bereits als Babys Übergewicht hätten.
Insgesamt handle es sich beim BLW um eine "ganz schwierige Frage", sagt die Ärztin. Wer sichergehen wolle, dass sein Kind ausreichend Kalorien und Nährstoffe erhalte, sollte es ab dem fünften bis siebten Lebensmonat konventionell mit Brei füttern. "Wir von der DGKJ können Baby-led Weaning nicht empfehlen, wenn es streng durchgeführt wird", sagt Dr. Prell. "Bislang haben wir auch keinen Hinweis darauf, dass es einen Vorteil mit sich bringt."
Es sei auch bei einer konventionellen Ernährung so, dass kaum ein Kind nur Brei bekomme, sagt die Expertin. Viele Eltern reichen ihrem Kind außer Brei auch hin und wieder ein Stück Obst oder gekochtes Gemüse, um sein Interesse für andere Lebensmittel zu wecken.
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