Die Fitnessbranche boomt wie nie zuvor. Noch nie wollten so viele Menschen fit und gesund leben. Bis 2020 könnten laut Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) zwölf Millionen Deutsche Mitglied in einem Fitnessstudio sein. Doch allein mit guten Vorsätze geht es nicht. Was man auf dem Weg zum Traumgewicht wirklich beachten muss und welche Arbeit Schauspieler und andere Stars in ihren Körper investieren müssen, erklärt Promi-Trainer Ralf Ohrmann im Interview.
Herr Ohrmann, die sozialen Netzwerke sind voll mit durchtrainierten Körpern, die Bestsellerlisten gespickt mit Büchern über Sport und Ernährung. Haben diese beiden Themen in den vergangenen Jahren einen deutlich höheren Stellenwert bekommen oder fühlt es sich nur so an?
Ralf Ohrmann: Das bilden Sie sich nicht ein, es ist wirklich so. Die Frage ist nur, welche Qualität jeweils dahintersteckt. Influencer und YouTuber schaffen sich auf den entsprechenden Plattformen selbst eine Daseinsberechtigung, allein durch die Tatsache, dass sie fit aussehen und in Form sind. Im Idealfall wissen sie außerdem ganz grob, wie man mit Ernährung und Training umgeht — der eine mehr, der andere weniger.
Die Inszenierung dieser Menschen in der Öffentlichkeit sorgt dann dafür, dass die Follower und somit Endkunden auf sie aufmerksam werden und sich denken: "Wow, wer so aussieht, der muss ja Ahnung haben." Meines Erachtens passiert in diesem Bereich aber auch viel Unsinn. Versprechungen wie "I make you sexy" oder "Ich mach dich krass" in zehn Wochen oder in welchem kurzen Zeitraum auch immer, sind immer schwierig. Denn so funktioniert der Zauber von der Traumfigur nun mal nicht. Das gilt auch für die ganzen "Fit in 14 Tagen"-Programme der bekannten Fitnessmagazine.
Was wäre denn Ihrer Meinung nach ein realistisches Trainingsziel?
Ohrmann: Sie haben eine Chance, wenn Sie acht Wochen lang wirklich fleißig sind. Das gilt nicht nur für das Training, sondern auch für die Ernährung. Nur so haben Sie die Chance, für Sie angenehme, positive und sichtbare Erfolge zu erreichen. Ob es dem entspricht, was Sie sich von den ersten acht Wochen versprochen haben, steht auf einem anderen Blatt. Schlichtweg weil es eine Diskrepanz zwischen dem Wunsch und der Realität gibt. Aber nach objektiven Kriterien würde ein Coach oder ein Messinstrument wie etwa eine Körperfettwaage Ihnen nach acht Wochen deutliche Ergebnisse zeigen.
Ist das Problem, dass Wunsch und Realität nicht immer übereinstimmen, etwas, womit Sie bei Ihren Klienten oft zu kämpfen haben?
Ohrmann: Eigentlich weniger. Nicht bei Kunden und Klienten, aber bei denjenigen, die ihre ganze Hoffnung auf Online-Programme oder Ähnliches setzen. Denn dort sind die Versprechen ganz andere. Wenn jemand zu mir kommt, sage ich ihm klar, was er in welchem Zeitraum erreichen kann. Somit hat der Klient eine klare Vorstellung von seinen möglichen Erfolgen. Wenn er nach wie vor an etwas anderes glaubt, dann ist das sein Problem. Daran kann ich dann nichts ändern.
Sie sagen, dass der Abnehm-Erfolg nicht nur eine Frage des Trainings, sondern eben auch der Ernährung ist. Woher weiß man denn, wie viele Kalorien man am Tag wirklich zu sich nehmen darf? Der allgemeine Grundumsatz von zirka 2.000 Kalorien bei Frauen und 2.400 Kalorien bei Männern gilt ja mehr als Orientierung. Er gibt aber keine Auskunft über den persönlichen Kalorienbedarf.
Ohrmann: Grundsätzlich gibt es viele tolle Apps fürs Handy, die das berechnen. Dort geben Sie Alter, Größe und Gewicht an und die App wirft Ihnen einen Wert aus. Dieser ist als Anhaltspunkt gar nicht schlecht. Viele glauben leider, dass ihnen jeden Tag ein Depot von 3.000 oder 4.000 Kalorien zur Verfügung stehen. Schließlich sind sie groß oder schwer oder haben eine gute Verbrennung. Spätestens nach einem halben Jahr merken Sie aber, ob die Rechnung aufgeht, wenn Sie abnehmen möchten — und ob Sie sich an den richtigen Werten orientieren.
Egal, wie schwer oder leicht einem die Umstellung fällt: Wie lange muss man eine Fitness- und Ernährungsumstellung durchhalten, damit der Körper tatsächlich darauf reagiert?
Ohrmann: Wenn Sie die ersten vier Wochen durchhalten, ist das schon mal gut. In meinem Buch findet sich auf den ersten Seiten der "Vertrag mit dir selbst", in dem steht: "In den ersten vier Wochen verspreche ich mir selbst nach bestem Wissen und Gewissen ..." — weil die ersten vier Wochen nun mal die anstrengendsten sind. In diesen vier Wochen entscheidet sich, ob Sie langfristig zum Gewinner im Besiegen des inneren Schweinehundes werden oder nicht.
Hand aufs Herz: Der innere Schweinehund ist in Sachen Trainingsprogramm das einzige, was ein "normaler" Mensch mit Prominenten wie etwa
Ohrmann: Sophia ist ein Beispiel, das man nicht so einfach verallgemeinern kann. Sie ist eine Lebefrau, trinkt hier mal einen, isst dort mal einfach das, was sie will. Ich schätze, ohne ein Follower von ihr zu sein, dass sie relativ wenig für ihren Körper tun muss. Sie hat also das Glück, mit wenig Aufwand das zu erreichen, was andere sich lange erarbeiten müssen. Es kommt beispielsweise vor, dass sie zwei Monate keinen Sport macht oder keine Lust aufs Training hat. Das ist zumindest das, was man ab und zu in der Branche mitbekommt.
Kann man Prominenten also wirklich glauben, wenn sie behaupten: "So viel Sport mache ich gar nicht"?
Ohrmann: Ich kann da nur für meine Promis sprechen. Die bekommen von mir natürlich Vollgas in den Hintern getreten (lacht). Die Frage ist immer: Was für ein Ziel steht hinter dem Training? Muss der Klient etwa für eine Rolle zwölf Kilogramm Muskelmasse zunehmen, wie etwa ein Matthias Schweighöfer? Der kann nicht einfach sagen: "Ich mache dann mal nichts". Bei ihm steht ein völlig anderer Druck dahinter. Entweder er hat die Form für den Film, wie es im Vertrag steht, oder er hat sie nicht.
Es gibt aber auch die anderen, die sagen: Ich will einfach gesund und fit aussehen. Denn meine Fans interessiert es nicht, ob ich 60 oder 62 Kilo wiege. Es ist immer eine Frage des Anspruchs an die eigene Person: Wie möchte ich bei anderen ankommen? Welche Anforderungen stellt der Job an den Körper und die Fitness? Wenn ein Andreas Gabalier das ganze Jahr auf der Bühne rumturnt und unzählige Handtücher vollschwitzt, dann ist er nach zweieinhalb Stunden Auftritt durch. Das funktioniert aber erst gar nicht, wenn er nur alle drei Wochen mal mit einem Fahrrad auf den Berg fährt.
So gesehen stelle ich mir auch das Leben einer Helene Fischer wahnsinnig anstrengend vor.
Ohrmann: Helene Fischer ist wirklich sehr, sehr, sehr diszipliniert. Diese Frau trainiert definitiv jeden Tag, wenn sie nicht gerade extrem mit Proben beansprucht und belastet wird. Allein aufgrund der Performance, die sie bei der Probe ableisten muss.
Jemand wie Helene Fischer oder Andreas Gabalier benötigen eine gewisse Grundkondition. Das trifft auf einen Matthias Schweighöfer, wenn er sich explizit auf eine Rolle vorbereitet, ja nicht unbedingt zu. Wie läuft ein Training mit so jemandem an?
Ohrmann: Nehmen wir mal die ganzen Hollywoodstars als Beispiel. Was diese für ihre Rollen an Transformationen leisten müssen! Da ist das bisschen, was wir in Deutschland mit dem ein oder anderen Künstler machen, harmlos. Tom Hanks musste damals für "Cast Away" vom Moppelchen zum Unterernährten werden. Das geht nicht einfach, indem er zu Hause nichts mehr isst, sondern nur durch die Begleitung von Trainern, Ernährungsberatern und Ärzten. Da steckt noch mal eine völlig andere Disziplin dahinter - und natürlich auch ein ganz anderes Budget und eine andere Vergütung. In Hollywood gibt es nur Vollgas, wenngleich im Rahmen des Machbaren und Leistbaren.
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