• Die Inzidenz in Deutschland liegt aktuell bei 458,5 (Stand 21.06.2022). Die Dunkelziffer liegt vermutlich deutlich höher.
  • Gründe dafür sind eine höhere Ansteckungsrate der Omikron-Variante BA.5 und das Wegfallen der meisten Corona-Regeln.
  • Wichtig ist, weiterhin Erkrankungen zu verhindern und vor allem vulnerable Gruppen zu schützen.

Mehr aktuelle Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

Das aktuelle Infektionsgeschehen

Seit Anfang Juni sind die Zahlen der Corona-Infizierten in Deutschland wieder deutlich angestiegen, die 7-Tage-Inzidenz liegt aktuell bei 458,5 (Stand 21.06.2022), an einem Tag wurden 123.097 Neuinfektionen gemeldet (Stand 21.06.2022). Da es momentan für die meisten Bereiche keine Testpflicht mehr gibt, gehen viele davon aus, dass die Dunkelziffer höher liegt. Auch die Feiertage und verzögerte Auswertungen führen nur zu eingeschränkt aussagekräftigen Ergebnissen.

Was man aber sagen kann: diese Entwicklung ist im Vergleich zum Infektionsgeschehen in den vergangenen beiden Jahren untypisch. Denn mit den höheren Temperaturen waren die Infektionszahlen sonst gesunken und die Viren hatten sich in den letzten beiden Sommern in Europa weniger verbreitet. Diese Saison ist das anders, dennoch ist die Lage momentan nicht dramatisch, da die neueren Virusvarianten in den meisten Fällen auch weiterhin zu milden Krankheitsverläufen führen. Allerdings können auch viele leichte Infektionen für das ganze System eine Belastung darstellen, beispielsweise wenn es durch viele Infektionen zu Ausfällen im beruflichen Umfeld kommt.

"Der Tiefpunkt der 7-Tage-Inzidenz war Ende Mai und die Inzidenz hat sich seither verdoppelt. Gut möglich, dass die Infektionszahlen noch etwas steigen. Wichtiger als die Zahl der Fälle ist, welche gesundheitliche Bedeutung die Zunahme der Infektionszahlen für Einzelne und die Bevölkerung hat. Dabei geht es insbesondere darum, wie empfänglich die Menschen für schwere Krankheitsverläufe sind. Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf bietet eine virusspezifische Immunantwort, die durch Impfung und natürliche Infektion erworben und durch jede Impfdosis und bei jeder neuen Infektion aufgefrischt wird," sagt Professor Dr. Christian Jassoy, Leiter Forschung und Lehre am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie am Universitätsklinikum Leipzig.

Portugal ist aktuell am stärksten von der Ausbreitung der Omikron-Variante BA.5 betroffen, die Infektionszahlen sind dort in den letzten Wochen extrem nach oben gegangen. Mit einer Inzidenz von 1430 (Stand 21.06.2022) liegt Portugal im europaweiten Vergleich aktuell deutlich vorne. Auch die Sterblichkeit ist in Portugal wieder angestiegen. Ob es auch in Deutschland zu ähnlich hohen Inzidenzen und einer ähnlichen Entwicklung kommen wird, werden die nächsten Wochen zeigen.

Welche Rolle spielt das Wetter?

Auch wenn saisonale Wetterbedingungen, wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Wind die Ausbreitung von Viren grundsätzlich beeinflussen und sehr hohe Temperaturen für die Viren eher hinderlich sind, ist das Wetter nicht allein für die Entwicklung der Coronazahlen verantwortlich, es spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle. Das zeigt auch die Tatsache, dass sich das Coronavirus in Ländern mit grundsätzlich höheren Temperaturen ebenfalls rasant ausgebreitet hat:

"Physikalisch betrachtet sind die Viren gleich. Das heißt, wenn die Tröpfchen, in denen das Virus ausgeatmet wird, verdunsten, ist das für alle Coronaviren stressig. Bei Temperaturen über 45-50 ° C gerinnen die Eiweiße des Virus und es wird sozusagen vernichtet. Solche Temperaturen entstehen bei uns im Sommer etwa auf sonnenbeschienenen Oberflächen. Dazu kommt, dass UV-Licht die RNA der Viren zerstört. Das Virus geht unter diesen Verhältnissen also tendenziell rascher zugrunde. Andererseits hat sich das Corona-Virus auch in Afrika und in tropischen Ländern gut verbreitet, die Auswirkungen der Temperaturen scheinen also nur ein Aspekt unter mehreren Faktoren zu sein," sagt der Virologe.

Neue Varianten bestimmen hohen Coronazahlen

Die neue Omikron-Variante BA.5 breitet sich auch in Deutschland aus und das wohl noch schneller als die bisher vorherrschenden Omikron-Variante BA.2. Laut Angaben des Robert-Koch-Instituts ist der BA.5-Anteil Mitte Juni bereits auf 24% angestiegen.

"Die hohen Infektionszahlen belegen, dass sich neue Virusvarianten auch in einer zum großen Teil geimpften Bevölkerung ausbreiten können, und dass sie leicht von einer Person auf die nächste übertragen werden. Zum anderen zeigen die Zahlen auch, dass der Immunschutz gegen das Virus bei vielen Menschen durch ihre Infektion aufgefrischt wurde. Die hohe Zahl der Infizierten hilft, dass die Zahl der zukünftigen schweren Fälle weniger wird," erklärt Jassoy.

Lauterbach: Corona-Tests sollen nicht mehr für alle kostenlos sein

Gesundheitsminister Karl Lauterbach plant, den Zugang zu kostenlosen Corona-Tests deutlich einzuschränken. Dies sei Teil der "Corona-Herbststrategie" des Ministeriums.

Sowohl die höhere Ansteckungsrate von BA.5, als auch die höheren Infektionszahlen im diesjährigen Frühjahr scheinen Gründe zu sein, warum die Zahlen aktuell wieder steigen. Im Frühjahr 2021 gab es einen mehrmonatigen Lockdown, der die Fallzahlen deutlich nach unten drückte und zu einem entspannteren Infektionsgeschehen über den Sommer führte.

"Ich denke zum aktuellen Anstieg der Fallzahlen trägt auch bei, dass gerade mehr Menschen als letztes Jahr infiziert sind und sie die Infektion weitertragen können. Letztes Jahr und vor allem 2020 war der Pool infizierter Personen vermutlich geringer. Je mehr Personen infiziert sind, desto mehr Ansteckungen gibt es auch," sagt der Experte gegenüber der Redaktion.

Verändertes Verhalten verringert Schutz

Die Corona-Maßnahmen in Deutschland sind einigen Wochen weitestgehend gelockert. Viele Menschen haben wieder mehr Kontakt zu anderen Menschen, sie verreisen und nehmen an großen Veranstaltungen teil. Auch das Einkaufen ist wieder ohne das Tragen einer Maske möglich. Dieses veränderte Verhalten bedeutet natürlich auch einen geringeren Schutz und dass mehr Menschen das Virus übertragen können. Jeder sollte in Situationen mit vielen Menschen nun selbst entscheiden, ob sie oder er sich mit einer Maske vor möglichen Viren schützt und auch daran denken, den eigenen Impfschutz aufrecht zu erhalten. Denn was wichtig ist: sich durch Immunschutz vor einer schweren Erkrankung zu schützen.

Denn die Impfungen liegen bei vielen Menschen schon einige Monate zurück, ihre Immunität hat also vermutlich etwas abgenommen. Vor allem wer zu einer Risikogruppe gehört, sollte seinen Schutz mit einer Auffrischungsimpfung optimieren.

Lesen Sie auch: Länder fordern neue Grundlage für Corona-Maßnahmen

Sommerurlaub trotz steigender Coronazahlen?

Viele freuen sich bereits auf ihren Sommerurlaub, endlich können sie wieder ohne große Einschränkungen verreisen. Doch die steigenden Coronazahlen geben einigen Menschen zu Bedenken und sie fragen sich, ob ihr Urlaub möglicherweise gefährdet ist.

Die Pandemie ist nicht vorbei und es kann regional immer wieder zu einem dynamischen Infektionsgeschen kommen. Wer sich trotz gelockerter Coronamaßnahmen besonnen verhält und vor einer Erkrankung geschützt ist, muss sich aber keine großen Sorgen um seine Reise machen.

"Ich denke, man kann nicht eindeutig sagen, ob der Anstieg der Fallzahlen eher mit der höheren Übertragungsrate der neuen Virus-Variante oder mehr mit den abnehmenden Schutzmaßnahmen zu tun hat. Sicher spielt beides ein Rolle. In den Sommerurlaub zu fahren, ist meiner Einschätzung nach aber bedenkenlos möglich. Geschützt vor der Erkrankung sind vor allem diejenigen, die mehrfach geimpft wurden und die, die möglicherweise bereits genesen sind," sagt Jassoy.

Über den Experten:

Prof. Dr. Christian Jassoy ist Leiter Forschung und Lehre am Institut für Medizinische Mikrobiologie und Virologie am Universitätsklinikum Leipzig. Der Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie hat seinen wissenschaftlichen Schwerpunkt in der Infektionsimmunologie und Infektionsepidemiologie.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Prof. Dr. Christian Jassoy
  • Corona in Zahlen: Zahlen für Deutschland
  • Corona in Zahlen: Zahlen für Portugal
  • Robert-Koch-Institut: Wochenberichte zu COVID-19



JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.