- Schützen mehrere Gläser Rotwein pro Woche tatsächlich vor einer Corona-Infektion?
- Das besagt zumindest eine kürzlich veröffentlichte Studie.
- Das Forschungsergebnis hat allerdings gleich mehrere Wermutstropfen.
Gerade als man dachte, es gibt bereits zu jedem möglichen und unmöglichen Teilaspekt der Corona-Pandemie eine Studie, belehren uns Forschende aus China eines Besseren. In einer Studie widmeten sie sich der Frage: Wie hängen SARS-CoV-2-Infektionen und Alkoholkonsum zusammen? Heraus kam unter anderem: Wer mehr als fünf Gläser Rotwein pro Woche trinkt, hat ein 17 Prozent niedrigeres Risiko, sich mit dem Coronavirus zu infizieren.
Wer sich jetzt direkt ein Glas einschenken möchte: Bei der Studie, die Anfang des Jahres im Fachmagazin "Frontiers in Nutrition" erschienen ist, gibt es mehr als einen Wermutstropfen.
Studie zu Corona und Alkohol: Alte Daten, neue Fragestellung
Die Forschenden aus dem chinesischen Shenzhen führten nämlich keine aktuelle Umfrage durch, sondern werteten die teils seit vielen Jahren bestehenden Daten von rund 374.000 Menschen aus der U.K. Biobank Study statistisch aus. Dabei handelt es sich um eine Forschungsdatenbank, die seit 2006 Daten zu Gesundheits- und Lebensstil erfasst.
Von den untersuchten Personen waren rund 16.500 mit Corona infiziert, das durchschnittliche Alter der untersuchten Gruppe lag bei 69 Jahren. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erfassten bei ihrer Erhebung verschiedene Faktoren, etwa ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht, Bildungsgrad. Und selbstverständlich den Alkoholkonsum der Teilnehmenden.
Also, ob sie keinen Alkohol trinken, früher getrunken haben oder noch Alkohol konsumieren. Die Gruppe, die Letzteres angab, wurde wiederum in Gruppen unterteilt, die sich mit der Häufigkeit des Alkoholkonsums beschäftigten:
- "Nie" bedeutet in der Studie etwa, dass man durchaus mal zu einem besonderen Anlass etwas trinkt.
- Wer angegeben hatte, weniger als dreimal die Woche zu trinken, wurde zur Gruppe "niedrige Frequenz" hinzugefügt.
- Wer an drei oder mehr Tagen Alkohol konsumierte, fiel unter die Kategorie "hohe Frequenz".
Übrigens: Die Initiative der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung "Kenn dein Limit" gibt hier eine Einordnung: Bei Frauen fällt ein, bei Männern zwei Gläser Rotwein am Tag unter "risikoarmen Konsum" – wenn man an mindestens zwei Tagen pro Woche auf Alkohol verzichtet.
In der Studie ging es zudem auch um die Frage, welches Getränk man sich zu Gemüte führt – Rotwein, Weißwein beziehungsweise Champagner, Bier, Cider oder Hochprozentiges – und wie viele Gläser davon pro Woche. Aus all diesen Angaben untersuchten die Forschenden dann, wie sich die Angaben der Menschen mit einer Infektion von denen unterschieden, die nicht infiziert waren. Aus diesem Vergleich sollte dann abgeleitet werden, wie hoch das Risiko der einzelnen Personengruppen ist.
Was kann die Studie leisten?
Die Studie zeigt daher statistische Zusammenhänge und keine kausalen. Das heißt: Nur weil Menschen, die viel Rotwein tranken, statistisch seltener mit SARS-CoV-2 infiziert waren, muss der Wein nicht der ausschlaggebende Grund dafür sein. Die untersuchten Menschen, die infiziert waren, hatten laut der Studie prozentual eine geringere Bildung, einen insgesamt schlechteren Gesundheitszustand und waren öfter nicht weiß. Interpretieren ließe sich das so: Das Ergebnis spiegelt zunächst einmal wider, was bereits frühere Studien ergaben: Soziale Ungleichheit schlägt sich auch bei Corona nieder.
Das könnte auch eine Rolle spielen, wenn man die Studienergebnisse für den Alkoholkonsum von Infizierten und Nicht-Infizierten vergleicht: Die Analyse ergab, dass Menschen, die mit einer "niedrigen Frequenz" tranken oder angaben, Rotwein zu trinken (egal wie viel), ein niedrigeres Corona-Risiko hatten. In der Studie ist von "schützenden Faktoren" die Rede. Bier und Cider sind demnach hingegen "Risikofaktoren" für eine SARS-CoV-2-Infektion. Die Auswertung ergab unter anderem:
- Wer mehr als fünf Gläser Rotwein pro Woche trinkt, hat ein um 17 Prozent gesenktes Risiko, Corona zu bekommen.
- Ein bis vier Gläser Weißwein oder Champagner senkten das Risiko immer noch um acht Prozent.
- Bier- und Ciderkonsum hingegen könnten das Risiko einer Erkrankung um das sieben- bis 28-Fache erhöhen.
- Wer fünfmal oder häufiger Hochprozentiges trinkt, erhöht ebenfalls das Risiko einer Erkrankung.
Was kann die Studie nicht leisten?
Die Studie geht nicht näher auf die Umstände der Infektion ein, auf die Schwere des Verlaufs der COVID-19-Erkrankung oder wie sich die Menschen der Stichprobe mit Corona infiziert haben. Außerdem thematisiert sie die Rolle, die soziale Ungleichheit spielt, nicht näher. Der Gedanke liegt nahe, dass Menschen, die mehrere Gläser Champagner pro Woche trinken, bessere Möglichkeiten haben könnten, sich vor einer SARS-CoV-2-Infektion zu schützen.
Die Untersuchung liefert außerdem keine Erklärung dafür, warum gerade Rotwein der Corona-Heilsbringer unter den Alkoholika sein soll. Die Forschenden bleiben hier vage: Wahrscheinlich seien die sogenannten Polyphenole im Rotwein verantwortlich. Diese sollen unter anderem entzündungshemmend wirken, den Blutdruck senken und Proteine aktivieren, die das Absterben von Zellen verhindern.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gaben außerdem zu bedenken: Die Studienteilnehmenden sind zwischen 60 und 80 Jahren alt. Die Ergebnisse ließen sich deshalb nicht auf jede andere Altersklasse übertragen. Außerdem wurden die Daten über den Alkoholkonsum bereits vor der Pandemie erhoben, berücksichtigen also keine Veränderungen, die eine ausschlaggebende Rolle spielen könnten.
Die Forschenden betonen zudem, dass sie nicht zu einem höheren Alkoholkonsum verleiten wollen. Und auch wenn die Studie vielleicht zu weiteren Untersuchungen zu einem möglichen Corona-Schutz durch Rotwein führen könnte - den besten Schutz vor einer COVID-Erkrankung, da sind sich die Forschenden einig, bieten Impfungen.
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