Dem Großteil der Babys und Kleinkinder in Deutschland geht es sehr gut, wie die repräsentative Studie "Kinder in Deutschland 0-3 2022" des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) zeigt. Allerdings seien die Chancen auf ein gesundes und entwicklungsförderliches Aufwachsen ungleich verteilt.

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Babys und Kleinkindern geht es in Deutschland insgesamt sehr gut. Allerdings sind kleine Kinder aus armen Familien in vielen Fällen nicht altersgerecht entwickelt, wie Daten des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen vom Dienstag zeigen. Die Chancen auf ein gesundes und die Entwicklung förderndes Aufwachsen seien ungleich verteilt, heißt es in einer Mitteilung zur Studie.

Der Gesundheitszustand von 78 Prozent der Kinder zwischen null und drei Jahren ist aus ärztlicher Sicht sehr gut. Bei jedem zehnten Kind liegt eine Grunderkrankung vor, 14 Prozent sind zumindest teilweise nicht altersgerecht entwickelt.

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Kinder aus armen Familien haben geringere Chancen auf gesundes und entwicklungsförderliches Aufwachsen

In armen Familien ist der Anteil von Kindern mit sehr gutem Gesundheitszustand allerdings mit 64 Prozent deutlich geringer. Bei gut jedem fünften Kind - 21 Prozent - und damit sehr viel häufiger als im Durchschnitt, stellen Ärztinnen und Ärzte zudem eine nicht altersgerechte Entwicklung fest, wie die Studie zeigt.

Die Pandemie habe diese Ungleichheit noch vertieft. Negative Effekte der Corona-Pandemie stellen Kinderärztinnen und -ärzte demnach vor allem bei der sozialen und emotionalen Entwicklung von Kleinkindern fest. Zur emotionalen Entwicklung gehören unter anderem die Fähigkeiten, sich der eigenen Gefühle bewusst zu sein, Gefühle durch Mimik und Sprache auszudrücken und diese eigenständig regulieren zu können.

Auch bei Alleinerziehenden liegt der Anteil der Kinder mit sehr gutem Gesundheitszustand mit 62 Prozent um 17 Prozentpunkte unter dem Anteil der sehr gesunden Kinder in Paarfamilien mit 79 Prozent. Kinder, die in einem Familienumfeld mit psychisch belastetem Elternteil aufwachsen, werden von Kinderärztinnen und Kinderärzten mit 20 Prozent häufiger als nicht altersgerecht entwickelt eingeschätzt.

Mehr Unterstützung für arme Familien gefordert

Die Studie bekräftige, dass Familien in Armutslagen den größten Unterstützungsbedarf hätten, sagt Mechthild Paul, Leiterin des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH).

"Bei ihnen kommen viele Belastungen zusammen und führen dazu, dass ihre Kinder von Anfang an viel geringere Chancen in allen Lebensbereichen haben." Mit den Daten könne man die Angebote noch bedarfsgerechter gestalten, so Paul. Zu den Hilfsangeboten zählen Familien-, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegende oder eine Familienhebamme. 92 Prozent der Eltern, die zu Hause begleitet wurden, bewerten das Angebot als "(sehr) hilfreich".

"Dass das Aufwachsen in Armut die Entwicklung bereits von so kleinen Kindern nachweislich beeinträchtigt, ist nicht hinnehmbar."

Bundesfamilienministerin Lisa Paus

Die Notwendigkeit für Hilfsangebote betonte auch Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte und -ärztinnen. Je früher Familien in belasteten Lebenslagen passende Hilfsangebote erhielten, "desto besser sind die Chancen für ihre Kinder".

"Dass das Aufwachsen in Armut die Entwicklung bereits von so kleinen Kindern nachweislich beeinträchtigt, ist nicht hinnehmbar", wird Bundesfamilienministerin Lisa Paus in der Mitteilung zitiert. "Mit den Angeboten der Frühen Hilfen erreichen wir insbesondere Familien mit kleinen Kindern in prekären Lebensverhältnissen und können negativen Entwicklungen frühzeitig entgegenwirken." So käme man dem Ziel näher, "allen Kindern in Deutschland ein chancengerechtes und gesundes Aufwachsen zu ermöglichen".

Für die Studie wurden von April bis Dezember 2022 insgesamt 7.818 Mütter und Väter befragt. Zudem beteiligten sich 258 Kinderärztinnen und Kinderärzte, die Daten stammen aus Früherkennungsuntersuchungen. (afp/sbi)

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