- Wenn sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsmerkmale vorhanden sind, spricht man von Pseudohermaphroditismus oder Intersexualität
- Seit 2018 haben intersexuelle Menschen die Möglichkeit, ihr Geschlecht als "divers" eintragen zu lassen.
- Der ARD-Film "Einer wie Erika" basiert auf einer wahren Geschichte und setzt sich mit dem Thema auseinander.
Mann und Frau in einem: Von Pseudohermaphroditismus spricht man bei Menschen, die anatomisch, genetisch und hormonell nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können. Der Begriff wird aus den griechischen Wörtern "pseudo" und "hermaphroditos" abgeleitet. "Pseudo" kann hierbei mit "unecht" übersetzt werden, "hermaphroditos" steht für ein zweigeschlechtliches Wesen.
Im Werk "Metamorphosen" beschreibt der antike römische Dichter Ovid, dass aus dem Sohn Hermaphroditos von Aphrodite und Hermes durch eine Umarmung der Nymphe Salmakis ein zweigeschlechtliches Wesen wurde. Beide verschmolzen zu einer Person – einem männlich-weiblichen Doppelwesen.
Männlich, weiblich – und divers
Der Begriff ist allerdings veraltet. Der Deutsche Ethikrat hat sich in einer Stellungnahme auf die Bezeichnung Intersexualität festgelegt, um alte Begriffe wie Zwitter oder Hermaphrodit abzulösen, weil diese "diskriminierenden Charakter" haben können. Im frühen Stadium einer Schwangerschaft haben alle Embryos männliche und weibliche Geschlechtsanlagen. Erst später beginnt die eindeutige Ausbildung – manchmal aber auch nicht.
In den vielen Schritten zur Geschlechtsausbildung kann es vorkommen, dass die biologische Entwicklung sich nicht eindeutig in eine weibliche oder männliche Richtung ausbildet. Diese Menschen können sich als Mann, als Frau – oder als intersexuell fühlen.
Weil die konventionellen Geschlechterrollen in diesen Fällen womöglich nicht passend sind, wurde das sogenannte dritte Geschlecht eingeführt. Seit Dezember 2018 gibt es in Deutschland die Möglichkeit, das Geschlecht als "divers" anzugeben. Wie viele Intersexuelle in Deutschland leben, ist nicht genau bekannt. Schätzungen zufolge sind es zwischen 80.000 und 120.000.
Geschichte der Intersexualität
Erstmals verwendet wurde der Begriff Intersexualität 1915 vom Genforscher Richard Goldschmidt. In den 1950er-Jahren entwickelte der US-amerikanische Sexualforscher John Money "Therapien" für intersexuelle Menschen. Er empfahl Eltern Hormonbehandlungen und frühe Operationen für ihre Kinder, um sie klar einem Geschlecht zuzuordnen.
Er ging sogar noch weiter und riet Eltern dazu, die Behandlung vor der Gesellschaft und auch vor den betroffenen Kindern geheim zu halten, denn er vertrat die Meinung, dass das Geschlecht nicht nur biologisch, sondern auch gesellschaftlich geprägt werde – was heute widerlegt ist.
Viele Intersexuelle fühlten sich durch früh vorgenommene Operationen verstümmelt und entfremdet. Intersexualität ist keine Erkrankung. Intersexuelle Menschen haben meist keine gesundheitlichen Probleme, die durch Operationen oder Behandlungen behoben werden müssten.
Die Einstufung von Intersexualität als "Störung der Geschlechtsentwicklung" (Disorders of sex development) empfinden Organisationen wie die Internationale Vereinigung Intergeschlechtlicher Menschen (IVIM) und der Verein Intersexuelle Menschen als sexistisch und pathologisierend. Statt einer frühen Geschlechtsangleichung wird heute vor allem auf Aufklärung gesetzt, um die Psyche der Kinder zu stärken und Eltern zu informieren.
Abgrenzung zu Transsexualität
Im Gegensatz zu intersexuellen Menschen besitzen Transsexuelle laut der Einstufung des Ethikrats ein "eindeutig biologisches Geschlecht". Sie sind rein von der Anatomie her also klar männlich oder weiblich, empfinden sich aber "psychisch dem anderen Geschlecht zugehörig". Transsexuelle fühlen sich oft im falschen Körper gefangen und möchten als Angehörige*r des anderen Geschlechts leben und wahrgenommen werden.
Deshalb entscheiden sich viele Transsexuelle für medizinische Eingriffe zur Anpassung ihres Körpers an das psychische Geschlecht und lassen oft auch ihren Geschlechtseintrag ändern.
Intersexualität kann zum Beispiel durch eine Chromosomenanalyse bestimmt werden. Immer wieder kommt es jedoch vor, dass intersexuelle Menschen ihre Geschlechterrolle wechseln und gar nicht wissen, dass sie eigentlich intersexuell sind. Deshalb werden sie oft fälschlicherweise als Transsexuelle bezeichnet.
Ein Fall in den Schlagzeilen
Ein bekannter Fall ist der von Erika Schinegger. Sie wuchs als Mädchen auf und wurde 1966 bei der Alpinen Skiweltmeisterschaft Weltmeisterin im Abfahrtslauf. 1968 wurde dann bei einem medizinischen Test festgestellt, dass Schinegger genetisch als männlich einzustufen sei. Bei der Geburt war der Pseudohermaphroditismus aufgrund von nach innen gewachsenen Geschlechtsteilen nicht als solcher identifiziert wurden.
Daraufhin beendete Schinegger ihre Karriere, unterzog sich einer Operation und lebt heute als Mann. Seine Geschichte erzählt Erik Schinegger in seinem Buch "Mein Sieg über mich. Der Mann, der Weltmeisterin wurde". Außerdem wurde sein Leben bereits zweimal verfilmt. Erstmals als Dokumentarfilm im Jahr 2005. Im Jahr 2018 erschien dann der Spielfilm "Einer wie Erika", den das Erste am 25. November um 20:15 Uhr zeigt.
Verwendete Quellen:
- Bundesverband Intersexuelle Menschen e.V
- Deutscher Ethikrat: "Stellungsnahme zu Intersexualität"
- Deutsches Ärzteblatt: "Intersexualität: Geschlecht: "anderes"
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