Sind funktionelle Lebensmittel wie Eiweißbrot, glutenfreie Brötchen oder laktosefreie Produkte wirklich sinnvoll? Für die Lebensmittelerzeuger ist die Antwort auf diese Frage ein klares "Ja!". Die Konsumenten können schließlich nicht immer mehr, sie können aber teurer essen. Also werden ihnen für gutes Geld angebliche "Zusatzfeatures" wie Herzschutz, eine schlanke Linie oder der Schutz vor Unverträglichkeiten verkauft.
Im Gegensatz zu Medikamenten gibt es funktionelle Lebensmittel nicht auf Rezept: Man isst davon, was einem schmeckt oder was der Gesundheit nach eigenem Ermessen gut tut. Doch mitunter isst man zu viel von dem, was angeblich gesund machen kann oder man bezahlt für Dinge, die man einfach nicht braucht. Wir haben die wichtigsten Food-Trends unter die Lupe genommen und kommen zum Schluss: Nicht alles, was in den Regalen der Supermärkte mit Zusatznutzen glänzt, ist auch wirklich Gold!
Eiweißbrot: Macht nur die Geldbörse schlank
Abnehmen ganz easy - das verspricht das neue Trendlebensmittel "Eiweißbrot". Es enthält weniger Kohlenhydrate als herkömmliches Gebäck, dafür aber bis zu viermal mehr Proteine aus pflanzlichem Eiweiß. Neben Sojaschrot und Weizeneiweiß finden sich in den Lifestyle-Brötchen auch Lupinenmehl, Molkepulver und Ölsamen. Der Anteil an Kohlenhydraten macht maximal ein Siebtel aus.
Um gesund zu bleiben, ist diese Extraportion Eiweiß aus den Proteinbrötchen allerdings nicht erforderlich. Was der Organismus täglich an Eiweiß braucht, lässt sich problemlos über eine ausgewogene Ernährung zuführen. Männer nehmen laut der aktuellen nationalen Verzehrsstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Schnitt ohnehin bereits doppelt so viele Proteine zu sich als gut für sie wäre.
Und wie steht es mit dem angepriesenen Diäteffekt? Die Verbraucherzentrale Bayern, die die Eiweißbrote in einem Marktcheck unter die Lupe genommen hat, sieht dafür wenig stichhaltige Beweise. Sie hatten jedoch im Gegenzug so manches zu bemängeln: Die von ihr gezogenen Stichproben waren recht teuer, die meisten Sorten hatten zudem mehr Kalorien als herkömmliches Brot und einen bis zu zehnmal so hohen Fettanteil!
Laktosefrei: nicht immer sinnvoll
Wer unter einer Laktoseintoleranz leidet, kann Laktose - also Milchzucker - nicht oder nur unzureichend verdauen. Der Körper reagiert darauf mit Bauchgrummeln und anderen gesundheitlichen Störungen. Zehn bis 15 Millionen Deutsche sollen darunter leiden. Ein lukrativer Markt für die Lebensmittelhersteller: Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg ergab, dass Betroffene für laktosefreie Lebensmittel 2,4-mal so viel auf den Tisch legen müssen wie für herkömmliche Produkte. Und so mancher zahlt umsonst. Bei Butter zum Beispiel ist der Laktosegehalt von Natur aus so gering, dass er vernachlässigt werden kann. Dazu kommen fehlende gesetzliche Regelungen für den Begriff "laktosefrei". Die Angabe des Restgehalts ist nicht verpflichtend.
Und nicht immer steht hinter Bauchgrummeln und Co. tatsächlich eine Laktoseintoleranz. Laut einer Umfrage der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW sind nur 54 Prozent aller Käufer von laktosefreien Produkten nachweislich von einer Laktoseintoleranz betroffen, während alle anderen dies lediglich vermuten. Klarheit bringt nur ein Test beim Arzt, der bei einem positiven Befund auch etwas dagegen anbieten kann: Die für die Verdauung fehlende Laktase lässt sich in Form von Tabletten oder Pulver ergänzen. Mit diesen Helfern und dem Rat von Ernährungsexperten verliert das Werbeetikett "laktosefrei" oft viel von seiner Anziehungskraft!
Glutenfrei: für Gesunde kein Thema
Immer mehr Produkte werden damit beworben, ohne das Klebereiweiß Gluten auszukommen. Für etwa ein Prozent der Bevölkerung, die unter der Autoimmunerkrankung Zöliakie leiden, so die vorherrschende Lehrmeinung, macht das Sinn. Doch inzwischen mehren sich Stimmen, die darauf hinweisen, dass eine Reduktion des Glutenkonsums auch Nicht-Zöliakie-Patienten gut tut. Das ergab etwa eine Studie unter der Leitung von Alessio Fassano, dem Medizinischen Direktor der University of Maryland's Center for Celiac Research.
Sie zeigt, dass Eiweiß in Weizen, Roggen und Co. auch dann, wenn keine Zöliakie vorliegt, dem Darm- und Immunsystem zusetzen kann. Die Zahl jener Menschen, die von dieser zweiten, noch wenig erforschten Gluten-Unverträglichkeit betroffen sind, könnte deutlich höher liegen. Experten in den USA schätzen, dass einer von 20 Amerikanern an dieser Krankheit leidet, und eben nicht an Zöliakie. Das bestätigt die Erfahrung vieler Reizdarm-Patienten, deren Test auf Zöliakie negativ ist und die dennoch kein Gluten vertragen.
Der Experte für Nahrungsmittelunverträglichkeiten Maximilian Ledochowski von der Universität Innsbruck erklärt in seinem Buch "Wenn Brot & Getreide krank machen", dass sich Menschen mit einer Gluten-Unverträglichkeit ohne Zöliakie lediglich glutenarm und nicht völlig glutenfrei ernähren müssen. Wer gesund ist, und darin ist sich die Ernährungswissenschaft einig, profitiert überhaupt nicht vom Verzicht auf Gluten.
Phytosterine: mehr Schaden als Nutzen?
Es klingt verlockend einfach: Jeden Tag verspeist man die Margarine eines namhaften Herstellers und schon sinkt der Cholesterinspiegel auf ganz "natürliche" Weise. Die angeblich heilsamen Produkte sind mit Pflanzenstoffen, den Phytosterinen angereichert, die die Cholesterinaufnahme im Darm blockieren. Entsprechend angereicherte "Cholesterinsenker" gibt es als Margarine, Brot, Trinkjoghurt oder in Form von Fruchtsäften.
Doch Phytosterine wie Sitosterol und Campesterol haben ihre Schattenseiten. Die Schutzwirkung etwa gegen Schlaganfall oder Herzinfarkt ist wissenschaftlich nicht hieb- und stichfest erwiesen. Und es gibt offenbar alarmierende Begleiterscheinungen. Wissenschaftler der Universität des Saarlandes in Homburg fanden bei Mäusen, die sie mit den Pflanzenstoffen gefüttert hatten, starke Ablagerungen an den Gefäßwänden und ein verstärktes Auftreten von Schlaganfällen. Außerdem entdeckten sie bei Herzklappen-Patienten, die mindestens zwei Jahre lang regelmäßig die Phytosterin-Margarine verzehrt hatten, überdurchschnittlich hohe Konzentrationen der pflanzlichen Stoffe im Blut und in den Ablagerungen der entnommenen Herzklappen.
Die angeblich so gesunde Margarine ist also mit Vorsicht zu genießen. Das gilt besonders dann, wenn sie von anderen Familienmitgliedern und Kindern einfach mit verspeist wird.
Omega-3-Fettsäuren: Vorsicht vor Überdosierung!
Omega-3-Fettsäuren gelten als wahres Wundermittel. Der trendbewusste Esser greift daher mit freundlicher Unterstützung der Lebensmittelindustrie immer häufiger zu Omega-3-angereicherten Brötchen, Eiern oder Margarine. Dass Omega-3-Fettsäuren positive Gesundheitseffekte haben, ist unbestritten. Sie senken die Blutfettwerte und verbessern die Fließeigenschaften des Blutes, helfen dem Immunsystem und hemmen Entzündungen. Auch Hinweise auf eine Senkung des Krebsrisikos gibt es.
Doch das gilt vor allem dann, wenn die Stoffe auf natürlichem Wege via Makrele, Hering oder Weizenkeimöl in den Körper gelangen. Oder wenn sie etwa bei Herzinfarkt-Patienten unter ärztlicher Aufsicht in Form von Fischölkapseln aufgenommen werden, was nachweislich positive Effekte hat. Allerdings weiß die Wissenschaft nicht, ob und wie es der Gesundheit förderlich ist, wenn diese Fettsäuren mehr oder weniger unkontrolliert und langfristig in angereicherten Lebensmitteln aufgenommen werden. Ernährungsexperten empfehlen daher, die gesunden Fettsäuren lieber in Form von fettem Fisch und hochwertigen Ölen in den Speiseplan zu integrieren!
Fleischalternativen: nicht alle sind gesund
Häufig, wenn auch nicht gänzlich fleischlos zu essen, liegt im Trend. Immer mehr Deutsche outen sich als Teilzeitvegetarier. Die Lebensmittelindustrie reagiert darauf mit einem verstärkten Angebot von Fleischersatz-Gerichten: Die Palette reicht von Soja-Geschnetzeltem, über Seitan-Würste bis hin zur Spagetti-Sauce auf Weizenbasis.
Doch die Verbraucherzentrale Bayern warnt: Offenbar ist nicht alles so gesund, wie die Werbung verspricht. "Viele solcher Fleischalternativen enthalten Aromen und andere Zusatzstoffe", erklärt Daniela Krehl, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Bayern. Sie rät dazu, die Zutatenliste auf Zusatzstoffe wie etwa Geschmacksverstärker und Aromastoffe zu untersuchen. Noch besser sei es, sich mit klassischen Eiweißlieferanten wie Eiern oder Hülsenfrüchten gesund zu ernähren. Sie liefern zudem alle wichtigen Mineralstoffe und Vitamine, die beim aufwendigen Herstellen von Fleischlos-Convenience oft verloren gehen.
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