Die Mieten in deutschen Städten steigen enorm. Junge Erwachsene ziehen trotzdem weiter in die Großstadt. Dort bleiben sie aber nicht mehr so lang wie die Generation vor ihnen.

636: So viele Menschen bewerben sich durchschnittlich täglich auf eine beliebte Mietwohnung in Berlin.

Das geht aus einer Analyse von "ImmoScout24" hervor. In München und Hamburg sind es durchschnittlich ungefähr 200 Bewerberinnen und Bewerber am Tag, die sich für eine beliebte Wohnung interessieren. Der Druck auf den Wohnungsmarkt ist groß – schon seit Jahren. Ob eine Person wegen dieses Platzmangels wirklich umzieht, hängt auch stark von ihrem Alter ab. In den Großstädten ziehen trotz steigender Mieten und knapper werdenden Wohnraums mehr 18- bis 24-Jährige in die Großstädte als weg.

Für Ausbildung und Studium keine andere Wahl

In der Generation Z stehen viele Menschen gerade am Anfang ihrer beruflichen Karriere, nehmen ein Studium auf oder beginnen mit ihrer Ausbildung. "In dieser Lebensphase bleibt ihnen oft keine andere Wahl, als trotz des Mangels an Wohnraum in die Städte zu ziehen", sagt Raumplaner Frank Osterhage vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund.

Auf dem Land gibt es eben nicht die gleichen Bildungsmöglichkeiten wie in der Stadt. Außerdem wollen viele junge Erwachsene lieber städtisch leben. Sie nehmen für die Nähe zu Bars, das lebhafte Umfeld und die kürzeren Wege auch höhere Mieten in Kauf.

Ist die Generation Z also besonders urban und bleibt in der Stadt? "Wahrscheinlich nicht", sagt Frank Osterhage. "Das Umzugsverhalten ist eher eine Frage des Alters und weniger eine der Generation."

Familien ziehen häufiger aus der Stadt

Doch in den vergangenen Jahren hat sich ein Trend gezeigt, der auch die Generation Z in Zukunft betreffen könnte – sollte er sich so fortsetzen: Familien ziehen inzwischen deutlich häufiger aus der Stadt heraus als noch vor einigen Jahren. Um das zu erkennen, lohnt sich ein Blick auf die Umzüge von Minderjährigen, da sie selten allein umziehen:

Viele ziehen ins Umland

2021 sind aus fast jeder größeren Stadt in Deutschland mehr Minderjährige fort- als zugezogen. Im Vergleich zu 2011 zogen 2021 beispielsweise in Köln fast neun Mal mehr Minderjährige weg. Wer heute eine Familie gründet, zieht also eher wieder aus der Stadt raus als noch vor zehn Jahren – ein Ausdruck des zunehmenden Platzmangels. Noch ein paar Jahre, dann muss sich auch die Generation Z entscheiden, wo sie mit der Familie leben will. Seit 2016 zieht diese Gruppe verstärkt aus den Städten raus. Doch wo zieht sie dann hin?

Abwanderung in den Speckgürtel hat bedeutend zugenommen

Oft ziehen die Familien gar nicht besonders weit weg. Außerdem gehe es laut Raumplaner Frank Osterhage bei Wanderungsbewegungen in Deutschland um Nuancen. Aber: "Die Ausdehnung auf die Speckgürtel ist der stärkste Effekt in den letzten Jahren", sagt Osterhage. Während Jahr für Jahr mehr Familien aus den Großstädten ziehen, wachsen die umliegenden Kreise konstant weiter an. Ein Grund dafür seien zum Beispiel mehr Möglichkeiten für Home-Office, sagt Osterhage, "aber vor allem auch Platzmangel und steigende Mieten".

Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr weit verfehlt

Dieser Platzmangel wird sich in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen – und damit auf die Lebensplanung der Generation Z vermutlich noch weitreichende Auswirkungen haben.

  • 400.000 Wohnungen müssen jedes Jahr gebaut werden, um den Bedarf zu decken.

Das hat sich die Bundesregierung vorgenommen. In einem Interview mit der "Zeit" (Bezahlinhalt) sprach Bundesbauministerin Klara Geywitz im April 2023 sogar davon, dass diese Zahl inzwischen veraltet sei und der Bedarf eigentlich eher bei 500.000 oder 550.000 Wohnungen pro Jahr liege. Die Realität sieht aber anders aus:

Eine enorme Diskrepanz zwischen Bedarf und Realität.

Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW

Das hängt auch mit Lieferengpässen und der Auslastung der Baubranche zusammen. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, schätzt, dass diese Zahl nicht zu halten sein wird: "Für ganz Deutschland rechnet die Wohnungswirtschaft mit einem Einbruch der Baufertigstellungszahlen auf nur noch 242.000 Wohnungen für 2023 und lediglich 214.000 Wohnungen im Jahr 2024." Gedaschko spricht von einer "enormen Diskrepanz zwischen Bedarf und Realität".

Das bedeutet: Die Anzahl an neuen Wohnungen pro Jahr bleibt nicht nur hinter dem Bedarf zurück, sie verringert sich sogar in den nächsten Jahren. Die Wohnungsnot nimmt also in den kommenden Jahren weiter zu. Dann werden sich womöglich bald noch mehr Menschen auf die raren Wohnungen in den Großstädten bewerben – und die Generation Z zieht vielleicht schon bald wieder aus den Städten, raus aufs Land.

Verwendete Quellen:

Zur Person:

  • Frank Osterhage ist Raumplaner am Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund. Seine Themenschwerpunkte sind Wohnstandortentscheidungen und Wanderungsbewegungen von Haushalten.

Dieser Beitrag gehört zum Projekt der Abschlussklasse S21 der Journalistenschule ifp und ist in Zusammenarbeit mit der Redaktion von WEB.DE und GMX entstanden. Das gesamte Projekt finden Sie hier:



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