Datingapps, Matching Nights, Polyamorie oder Paralleldating, das 21. Jahrhundert hat in Sachen Liebe und Beziehung viel zu bieten. Für viele ist das Thema emotional stark aufgeladen, umso wichtiger, das Ganze aus einer neutralen Sicht zu betrachten - genau dies hat die ElitePartner-Studie 2023 getan.
Gleich zu Anfang wird mit dem gängigen Klischee des verzweifelten Singles gebrochen: 56 Prozent der alleinstehenden Teilnehmer geben an, sie seien derzeit gern Single. Bei den Frauen sind es 61 Prozent, bei den Männern 51 Prozent.
Psychologin Lisa Fischbach, die die Studie geleitet hat, weiß diese Diskrepanz der Geschlechter einzuordnen. Sie sieht bei Frauen eine höhere Single-Kompetenz, die der weiblichen Sozialisierung geschuldet sei: "Frauen haben oft anders gelernt, über Gefühle zu sprechen und vertrauen sich gegenseitig mehr an. Single-Frauen leben außerdem gesünder als Single-Männer. Für sich zu sorgen, auf sich zu achten, sich zu pflegen oder auch weniger Alkohol zu trinken – das alles sind Themen, die bei Frauen tendenziell stärker ausgeprägt sind. Diese Kompetenzen kommen Frauen in einer Single-Phase mehr zugute als Männern."
Gründe für das Single-Dasein gibt es viele: Manch einem ist der Job wichtiger (28 Prozent), ein Großteil hat Angst vor (erneuter) Enttäuschung (50 Prozent) und ein kleiner Teil der Teilnehmer (13 Prozent) beschreibt gar, an der sogenannten "Fear of Missing out" (zu Deutsch: Die Angst, etwas zu verpassen) zu leiden.
"Das Phänomen spiegelt die Suche nach dem perfekten Partner bzw. nach der perfekten Partnerschaft wider", so Psychologin Fischbach. "In einer Welt, in der gefühlt alles möglich ist, wo viel Freiheit herrscht – vor allem bei dem Thema Beziehungsgestaltung und Partnerwahl – da muss man eine entsprechende Kompetenz entwickeln, Entscheidungen zu treffen." Es herrsche bei vielen Menschen eine Unsicherheit, den eigenen Gefühlen zu trauen.
Diese Angst davor, etwas Besseres zu verpassen, ist beim männlichen Geschlecht mit 16 Prozent etwas stärker ausgeprägt als beim weiblichen (10 Prozent) und nimmt mit dem Alter stetig ab. Die Studienleiterin hat auch dafür eine Erklärung parat: "Eine wachsende Lebens- und Beziehungserfahrung führt auch in der Liebe zu mehr Klarheit. Man weiß, was man braucht und kann sich auch mehr auf seine Intuition verlassen."
So zufrieden sind die Deutschen mit ihrem Sexleben
Einem weiteren Punkt gegenüber sind Männer im Vergleich zu Frauen aufgeschlossener: Das Modell einer offenen Beziehung wird immer häufiger zum Thema in Partnerschaften. Immerhin jeder zehnte Teilnehmer hat hier bereits Erfahrung gesammelt. Dabei wäre jeder vierte Mann, aber nur jede zehnte Frau offen dafür.
Das stärker ausgeprägte Interesse von Männern am alternativen Beziehungsmodell erklärt Lisa Fischbach so: "Es ist so, dass offene Beziehungen häufiger mit den Bedürfnissen von Männern kompatibel sind. Bei Männern ist nicht nur häufiger eine höhere sexuelle Lust vorhanden, sondern auch eine höhere Lust auf sexuelle Vielfalt. Also wenn es zum Beispiel darum geht, Fantasien auszuleben oder Neues auszuprobieren."
Generell scheint in Deutschland überwiegend Zufriedenheit mit dem eigenen Sexleben zu herrschen. 6 von 10 Paaren machen laut der Umfrage dazu positive Angaben. Frischliierte sind – wenig verwunderlich – am zufriedensten. In Beziehungen von bis zu drei Jahren geben 8 von 10 Paaren Zufriedenheit an, während in 10-jährigen Beziehungen nur noch 6 von 10 Paaren sexuell auf ihre Kosten kommen.
Hat man die 10-Jahresmarke aber erstmal geknackt, hält sich das Zufriedenheitsniveau recht konstant – und das bis ins Alter. Auch mit über 60 sind die Deutschen noch höchst aktiv im Bett: 25 Prozent geben an, mehrmals im Monat Sex zu haben, 17 Prozent einmal pro Woche und 14 Prozent sogar mehrmals pro Woche.
"Sex hat eine beziehungsstabilisierende Wirkung bis ins hohe Alter. Obwohl die sexuelle Frequenz mit dem Alter und den Beziehungsjahren abnimmt, gelingt es vielen Paaren, ihre sexuelle Zufriedenheit zu erhalten", so die Psychologin.
Auch bei den Singles herrscht im Bett keine Flaute: Jeder dritte Single hat mindestens einmal im Monat Sex. Hier sticht allerdings eine interessante Diskrepanz ins Auge. Jeder fünfte Single-Mann gibt an, mindestens einmal wöchentlich Sex zu haben; dagegen sagt nur jede zehnte Single-Frau von sich das Gleiche. Mathematisch scheint das zunächst nicht aufzugehen.
Die Studienleiterin hat dazu drei Thesen: "Es könnte sein, dass die männlichen Singles möglicherweise mit Frauen intim sind, die in einer Partnerschaft sind. Oder dass einige Single-Frauen sexuell sehr aktiv sind und mit unterschiedlichen Männern intim. Zudem gibt es eine generelle Beobachtung in wissenschaftlichen Erhebungen, dass es bei Fragen zu sexueller Häufigkeit so ist, dass Männer ihre Zahlen gern nach oben korrigieren und Frauen tendenziell nach unten. Das Image einer sexuell aktiven Frau ist ja gesellschaftlich immer noch anders bewertet als das eines sexuell aktiven Mannes. Ich denke eine Mischung aller drei Thesen erklärt die Zahlen."
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Trennungsschmerz oder Eheglück? Affäre ist für viele ein No-Go
Gibt es in einer Beziehung allerdings zu wenig Sex, kann dies sogar eine Trennung zur Folge haben. So geben 10 Prozent der Befragten an, zu wenig körperliche Intimität würde über kurz oder lang zum Ende der Beziehung führen. Bei einem einmaligen Seitensprung sehen 35 Prozent die Beziehung als beendet an. Eine längere Affäre verzeihen die wenigsten. Hier würden sogar 67 Prozent einen Schlussstrich ziehen.
Zu finanziellen Vorteilen führt eine Trennung allerdings selten. Nur 9 Prozent geben an, monetär davon profitiert zu haben. Dabei ist sogar jede dritte liierte Frau finanziell von ihrer Beziehung abhängig. Hier tut sich allerdings eine Diskrepanz zwischen Akademikerinnen und Nicht-Akademikerinnen auf. Unter Frauen mit Hochschulabschluss sieht sich nur etwa jede vierte Frau ohne die Unterstützung ihres Partners am finanziellen Limit.
Immerhin herrscht in den meisten Beziehungen allerdings finanzielle Offenheit: 83 Prozent aller Paare weiß über die Einkommensverhältnisse des Partners Bescheid und zwei Drittel der befragten Paare vertraut dem Partner in finanziellen Fragen.
Nicht nur in Geldfragen scheinen Frauen nach wie vor zurückzustecken, auch bei der Wahl des Nachnamens im Falle einer Ehe geben 3 von 4 Frauen ihren Nachnamen auf. Grund für die Frauen ist hier an erster Stelle mit 54 Prozent das Zusammengehörigkeitsgefühl als Paar, gefolgt von (Familien-)Tradition (31 Prozent), sowie dem Wunsch eine Familie zu gründen (28 Prozent).
Für Männer, die ihren Nachnamen aufgeben, stehen andere Gründe im Fokus: 35 Prozent geben an, es sei der Wunsch ihrer Partnerin gewesen, 32 Prozent fanden den Klang des Namens ihrer Partnerin passender und nur 31 Prozent geben das Gefühl der Paar-Zusammengehörigkeit als Grund an.
Frauen, die ihren Nachnamen behalten, tun dies vor allem wegen ihres starken Bezugs zum Namen (44 Prozent) oder aus Gründen der Gleichberechtigung (31 Prozent). Männer, die den Nachnamen ihrer Partnerin annehmen, tun dies häufig ihrer Partnerin zuliebe (30 Prozent) oder ebenfalls aus Gründen der Emanzipation (20 Prozent).
Psychologin Lisa Fischbach sieht die anhaltende Tradition, stets den Nachnamen des Mannes anzunehmen, kritisch: "Die Begründungen für gemeinsame Namen wie Zusammengehörigkeit und Kinderplanung sind zwar nachvollziehbar, nicht aber, wie sie beinahe automatisch dazu führen, dass die Wahl auf den Namen des Mannes fällt. Zwar ist verständlich, wenn die wenigsten Frauen bei der gemeinsamen Namensgestaltung mit ihren Zukünftigen in harte Verhandlungen gehen wollen. Doch nur aus Gründen der Konfliktvermeidung den Erhalt des eigenen Namens unterzuordnen, zeigt, wie viel wir noch auf dem Weg hin zu einer echten Gleichstellung der Geschlechter vor uns haben."
Über die Studie
- Seit 2005 erhebt die Studie von ElitePartner Zahlen zu Verhaltensweisen von Singles und Paaren in Deutschland. Zusammengesetzt ist sie aus 6.776 Teilnehmern, davon 2.380 Singles und 4.396 Liierte. Außerdem bezeichnen sich 84 Prozent der Teilnehmer als heterosexuell. Unter die verbleibenden 16 Prozent fallen homosexuelle Menschen sowie andere sexuelle Ausrichtungen und Teilnehmer, die zu ihrer Sexualität keine Angabe machen wollten.
Über die Gesprächspartnerin
- Lisa Fischbach, Psychologin und Paartherapeutin, kennt Dating und Beziehungen aus allen Perspektiven, denn sie arbeitet seit über 15 Jahren als Forschungsleiterin für die Dating-Plattform ElitePartner und berät Singles und Paare in ihrer Hamburger Praxis. Die gebürtige Kölnerin ist Autorin mehrerer Ratgeber.
Verwendete Quellen
- Interview mit Lisa Fischbach
- ElitePartner Studie 2023: So liebt Deutschland
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