Wenn jemand eine Beziehung nicht beendet, sondern sie langsam auslaufen lässt, spricht man von Quiet Dumping. Wir haben mit einem Paartherapeuten über dieses Phänomen gesprochen.
Einige Menschen haben bei Beziehungen, Freundschaften oder Dates womöglich schon einmal die schmerzhafte Erfahrung gemacht, "geghosted" worden zu sein. Ghosting beschreibt in einer zwischenmenschlichen Beziehung den plötzlichen und vollständigen Kontaktabbruch seitens einer Person.
Beim Quiet Dumping ist die Situation in gewisser Weise umgekehrt, aber nicht weniger schmerzhaft: Denn die Person, die die Beziehung beenden möchte, teilt dem Partner oder der Partnerin ihre Entscheidung nicht mit, sondern tut über einen längeren Zeitraum so, als sei alles in Ordnung, und zieht sich emotional langsam zurück, in der Hoffnung, dass die andere Person die nonverbale Botschaft versteht und die Beziehung im besten Fall von sich aus beendet.
Warum Quiet Dumping nicht als Trend betrachtet werden sollte
Quiet Dumping ist angelehnt an ein Phänomen namens Quiet Quitting, das nichts mit zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern vielmehr mit dem Job zu tun hat. Denn Quiet Quitting beschreibt jene Situation im Arbeitsleben, bei dem Arbeitnehmende nur noch das Nötigste im Job leisten und nebenbei häufig bereits nach einer neuen Anstellung Ausschau halten bzw. bereits einen neuen Job in Aussicht haben. Vor allem in den Sozialen Medien tummeln sich zahlreiche Beiträge zu dem Quiet-Quitting-Trend. Kann also mit Blick auf Quiet Dumping auch von einer Art Trend gesprochen werden?
Wie der Hamburger Paartherapeut Eric Hegmann im Gespräch mit unserer Redaktion einordnet, handelt es sich bei Quiet Dumping aber nicht um ein neues Phänomen, sondern um einen "künstlichen, vermeintlich neuen Begriff, der durch Bedrohlichkeit Interesse, Suchanfragen und Klicks erzeugen soll". Laut Hegmann sei es aber "vor allem ein Beispiel dafür, wie sehr Dating heute dramatisiert und apokalyptisiert wird".
Paartherapeut: Ursachen für Quiet Dumping sollten individuell beantwortet werden
Warum manche Menschen eine Trennung in die Länge ziehen und eine Beziehung lieber langsam auslaufen lassen statt sich konsequent zu trennen, kann laut Hegmann nur individuell beantwortet werden.
So könne die Unsicherheit, die aus einer früheren schmerzhaften Beziehung resultiert, eine Ursache für Quiet Dumping sein. "Möglicherweise kann sich die Person nicht entscheiden. Vielleicht verfolgt sie mehrere Kontakte gleichzeitig. Vielleicht will sie aber auch sich und der anderen Person und einer gemeinsamen Beziehung eine Chance geben trotz Zweifel", sagt er und betont in diesem Zusammenhang, dass Menschen bestimmte Verhaltensweisen immer unterschiedlich bewerteten: "Wenn jemand zu spät kommt, dann hat er oder sie für sich eine gute Erklärung: ein unerwarteter Anruf, eine verpasste Bahn, ein Katzenbaby, das gerettet werden musste. Kommt aber die andere Person zu spät, dann ist das ein Zeichen von Unverbindlichkeit, von toxischer Dynamik, Narzissmus und manchen anderen Diagnosen."
Die langsame Beendigung einer Beziehung kann verschiedene Formen annehmen. Gibt es typische Anzeichen für Quiet Dumping? "Je nachdem, welche Erfahrungen mit Bindungen Sie in Ihren Leben bisher gehabt haben, werden Sie unterschiedlich starke Emotionen verspüren, wenn Sie einen Rückzug Ihres Kontaktes befürchten", sagt Eric Hegmann. Seiner Einschätzung nach lohne es sich, zu überprüfen, welche Botschaften diese Emotionen übermitteln und ob darin tatsächlich eine Gefahr bestehen könne.
Was macht Quiet Dumping mit einem Menschen?
Wie die Fachzeitschrift "Psychology Today" schreibt, denken Menschen, die sich für eine langsame Trennung entscheiden, oft, dass es eine Art nette Geste ist, sich langsam und nicht abrupt von jemandem zu trennen. Dadurch fühlen sie sich oft besser mit der Situation, auch weil sie sich nicht mit schwierigen und emotionalen Diskussionen und Auseinandersetzungen auseinandersetzen müssen. Was aber stattdessen wirklich passiert, ist, dass der Partner oder die Partnerin in die Irre geführt und nicht selten in die Situation gebracht wird, seine oder ihre eigene Version der Realität zu hinterfragen.
Das Magazin stellt in diesem Zusammenhang sogar die These auf, Quiet Dumping sei eine Form von Gaslighting, dem bewussten Manipulieren der Wahrnehmung der Realität einer Person. Auch Paartherapeut Hegmann schätzt die Auswirkungen von Quiet Dumping ähnlich ein. Bei einer Person, die in der Vergangenheit bereits negative Erfahrungen gemacht hat, könne Quiet Dumping "ein Hinterfragen des eigenen Wertes, also eine Schwächung des Selbstwertes", bewirken, so der Paartherapeut.
Wege aus der "Quiet-Dumping-Spirale"
Was gilt es also zu tun, wenn man sich in der Quiet-Dumping-Spirale befindet? Eric Hegmann sagt: "Frustrierende und schmerzhafte Dating-Erfahrungen sorgen für ganz natürliche Schutzstrategien" und nennt in diesem Zusammenhang Selbstoptimierungsmaßnahmen, um sich Liebe zu verdienen oder auch misstrauischen Rückzug, bei dem "die andere Person erst einmal beweisen soll, dass sie es ernst meint".
So verständlich diese Reaktionen laut Hegmann auch sind, "sabotieren sie die Partnersuche, die emotionale Kontaktflächen benötigt, also Nähe und Distanz". Sein Rat an Betroffene: "Der Weg daraus ist nahezu immer eine Heilung oder Stärkung des Selbstwertes. Das Lernen von Vertrauen, aber eben nicht in andere, sondern in sich selbst. Das Wissen, dass ich ein Date, aus dem keine Beziehung wurde, nicht als persönliches Scheitern erleben muss. Dass Dates keine Bewerbungsgespräche sind, bei denen der persönliche Wert bemessen wird."
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