"Heiraten bringt steuerliche Vorteile": Diesen Satz hat jedes angehende Ehepaar schon einmal gehört. Tatsächlich werden Ehepaare und eingetragene Lebenspartner in Deutschland durch das Ehegattensplitting steuerlich gefördert – doch das lohnt sich nicht für jeden. Ein Experte erklärt, wen das betrifft und was sich sonst noch durch Verlobung, Ehe und Kinder ändert.
Beim Heiraten geht es nicht immer nur um Romantik: Eine Hochzeit bringt etliche finanzielle Veränderungen mit sich – doch nicht jeder profitiert davon. Nach dem Jawort wechseln die Eheleute oder eingetragenen Lebenspartner automatisch von Steuerklasse 1 in Steuerklasse 4.
"An der Höhe der steuerlichen Abzüge ändert sich dadurch erst einmal nichts", sagt Steuerfachanwalt Stefan Heine. Denn der Grundfreibetrag, der beim monatlichen Einkommen nicht steuerlich belastet wird, ist bei Steuerklasse 1 und 4 gleich hoch (Stand 2024: 11.604 Euro).
Wann lohnt sich die Kombination aus Steuerklassen?
Eheleute haben aber die Möglichkeit, in eine Kombination aus Steuerklassen 3 und 5 zu wechseln. In diesem Modell wird bei der Berechnung der Lohnsteuer in Steuerklasse 5 kein Grundfreibetrag anerkannt. Das Einkommen wird also ab dem ersten Euro besteuert, während in Steuerklasse 3 der doppelte Grundfreibetrag angerechnet wird.
Eine Kombination aus Steuerklasse 3 und 5 lohnt sich zum Beispiel dann, wenn ein Ehepartner mindestens 60 Prozent (Steuerklasse 3) und der andere 40 Prozent (Steuerklasse 5) oder weniger zu den Haushaltseinkünften beisteuert. Zwar bezahlt dann der Ehepartner mit dem niedrigeren Einkommen mehr Steuern, zusammengerechnet steht beiden am Ende aber ein höheres Nettoeinkommen zur Verfügung.
Beispielrechnung: Partner A verdient 60.000 Euro im Jahr, Partner B 20.000 Euro
- Steuerklasse 3/5: Partner A (Steuerklasse 3) zahlt 5.814,06 Euro an das Finanzamt, Partner B (Steuerklasse 5) 2.742,44 Euro. Insgesamt 8.556,50 Euro.
- Steuerklasse 4/4: Steuerklasse 4/4: Partner A zahlt 10.755,03 Euro an das Finanzamt, Partner B 599,50 Euro. Insgesamt 11.354,53 Euro.
"Für die Höhe der Steuern, die man am Ende des Jahres unter dem Strich bezahlt, spielt die Steuerklasse gar keine Rolle", sagt Stefan Heine. Häufig komme es bei der Kombination aus 3 und 5 zu Nachzahlungen. Bei diesem Modell müssen Eheleute daher verpflichtend eine Steuererklärung abgeben. Bei der Steuerklasse 4/4 gibt es hingegen meist eine Steuerrückzahlung. "Die Steuerklasse beeinflusst nur, wie viel Geld man unter dem Jahr zur Verfügung hat", erklärt Heine.
Das hat allerdings Einfluss auf die Berechnung von Lohnersatzleistungen wie Elterngeld oder Arbeitslosengeld. Sie werden anhand des Nettoeinkommens der letzten Jahre berechnet: Je höher das Nettoeinkommen war, desto höher fallen die Lohnersatzleistungen aus. "Für die Person, die absehbar in Elternzeit gehen möchte, ergibt es daher Sinn, in Steuerklasse 3 oder in das Modell 4/4 zu wechseln, um ein höheres Nettoeinkommen zu haben", sagt Heine.
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Was bringt Steuerklasse 4 mit Faktorverfahren?
Ehepaare haben auch die Möglichkeit, Steuerklasse 4/4 mit Faktorverfahren zu wählen. Durch den Faktor wird der Splittingvorteil bereits im Laufe des Jahres berücksichtigt. Das heißt: Die voraussichtliche Jahreseinkommensteuerschuld des Ehepaares wird zuerst berechnet. Das soll dafür sorgen, dass die Lohnsteuerlasten innerhalb einer Ehe gerechter verteilt wird. Entscheidet man sich für das Faktorverfahren, ist man zur Abgabe einer Einkommenssteuererklärung verpflichtet.
"Wenn man Steuernachzahlungen am Jahresende vermeiden möchte, aber sich keine zu hohe Steuer unter dem Jahr erlauben kann, weil dann zu wenig Geld zur Verfügung steht, ist Steuerklasse 4 mit Faktor ideal", sagt Heine. In der Realität komme dieses kompliziertere Verfahren aber nur selten zum Einsatz. "Da die Steuerlast am Ende unabhängig von der Steuerklasse ist, beschäftigen sich nicht mehr so viele Menschen mit der Steuerklasse", sagt Heine.
Wer profitiert vom Ehegattensplitting?
Nach der Hochzeit haben Eheleute die Möglichkeit, ihre Steuererklärung einzeln oder gemeinsam zu machen. "Das kann man jedes Jahr aufs Neue wählen", sagt Stefan Heine. Entscheidet sich das Ehepaar für eine gemeinsame Veranlagung, kann das sogenannte Ehegattensplitting weitere steuerliche Vorteile mit sich bringen.
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Beim Ehegattensplitting werden die Einkommen beider Ehepartner zusammengerechnet, durch zwei geteilt und dann versteuert. Die so berechnete Einkommensteuer wird dann wiederum verdoppelt. Jeder Ehepartner versteuert also die Hälfte des gemeinsamen Familieneinkommens.
"Finanziell lohne sich das Ehegattensplitting vor allem dann, wenn die Einkommen beider Ehepartner sehr unterschiedlich sind", sagt Heine. "In rund 90 Prozent der Fälle wird die gemeinsame Veranlagung gewählt, weil es die günstigere Variante ist."
Ist das Einkommen beider Ehepartner ungefähr gleich hoch, bringt das Ehegattensplitting keinen Vorteil. Auch in anderen Fällen kann die Einzelveranlagung günstiger sein. "Etwa dann, wenn zum Beispiel Abfindungen gezahlt werden, einer besonderen Besteuerung unterliegt oder Lohnersatzleistungen wie Eltern- oder Arbeitslosengeld bezogen werden", sagt Heine.
Drohende Altersarmut: Darauf sollten Ehepaare achten
Oft verfügt auch heute noch der Mann in einer Ehe über das höhere Einkommen. Denn immer noch kümmern sich hauptsächlich die Frauen um die Betreuung des Nachwuchses. Deshalb arbeiten Frauen häufiger in Teilzeit - und generell häufiger in schlechter bezahlten Jobs.
In dieser Konstellation erscheint es wirtschaftlich sinnvoll, die Kombination aus Steuerklasse 3 und 5 zu wählen. Der Nachteil ist allerdings, dass es sich durch die hohe Steuerbelastung in Steuerklasse 5 und durch das Ehegattensplitting für sie kaum lohnt, mehr zu arbeiten. "Das ist das perfide", sagt Heine. "Deshalb leiden Frauen später stärker unter Altersarmut, weil sie einfach zu wenig der Rentenversicherung eingezahlt haben."
Die Forderung, Ehegattensplitting und die Kombination 3/5 abzuschaffen, um die Lohnsteuerbelastung von Eheleuten fairer zu gestalten, steht schon lange im Raum. Tatsächlich plant die Ampelregierung laut Koalitionsvertrag, das Modell 3/5 künftig in das Faktorverfahren der Steuerklasse 4 zu überführen - allerdings gibt es dafür noch keinen konkreten Termin.
Um die Belastung schon heute fairer zu gestalten, können Eheleute private Abmachungen treffen. Bei der Miete kann etwa der Partner, der weniger Steuern bezahlt, einen höheren Anteil übernehmen. Die gemeinsame Steuerersparnis könne auch in eine private Altersvorsorge für beide eingezahlt werden, schlägt Heine vor.
Was ändert sich sonst noch nach der Hochzeit?
Auch der Freibetrag auf Kapitalerträge nach der Eheschließung wird auf 2.000 Euro verdoppelt (Stand: 2024). Bis zu dieser Summe fällt auf Zinsen oder Dividenden keine Kapitalertragssteuer an. Insgesamt haben die Eheleute dadurch zwar keinen höheren Freibetrag, die Summe kann jedoch frei aufgeteilt werden. Wer seine 1.000 Euro nicht komplett ausschöpft, kann den restlichen Freibetrag auf seine Partnerin oder seinen Partner übertragen.
Vor allem die Obergrenze, ab der eine Schenkungssteuer anfällt, steigt deutlich von 20.000 Euro auf 500.000 Euro an – und das bereits vor der Hochzeit. "Beim Schenkungssteuerrecht spielt schon die Verlobung eine Rolle. Das nennt man aufschiebende Bedingung", sagt Heine. Eine Verlobung vorzutäuschen, um Schenkungssteuer zu sparen, lohnt sich aber nicht. "Wird die Verlobung wieder aufgelöst, fällt wieder eine Schenkungssteuer ab 20.000 Euro an – spätestens, wenn einer der beiden Personen stirbt", sagt Heine.
Kann man eine Scheidung steuerlich absetzen?
Kommt es zur Trennung, muss die Steuerklassen zum nächsten Jahreswechsel wieder geändert werden. Grundsätzlich gilt dann wieder die Steuerklasse 1. Sind Kinder im Spiel, kommt für die Person, bei der das Kind gemeldet ist, die Steuerklasse 2 in Betracht.
Die Anwaltskosten für die Scheidung können inzwischen nicht mehr steuerlich abgesetzt werden. "Früher konnte man die Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Dem hat der Gesetzgeber inzwischen einen Riegel vorgeschoben."
Heute kann eine Scheidung nur dann steuerlich abgesetzt werden, wen dadurch die Existenz oder Befriedigung der Lebensbedürfnisse massiv beeinträchtigen wird. "Aber das ist bei Prozesskosten eigentlich nie der Fall", sagt Heine.
Was ändert sich durch Kinder?
Wer Kinder hat, kann entweder Kindergeld in Höhe von 250 Euro (Stand: 2024) beziehen oder den Kinderfreibetrag nutzen. Der Kinderfreibetrag wird vom Einkommen abgezogen. Ab einem bestimmten Einkommen bringt der Kinderfreibetrag mehr als 250 Euro. "Insbesondere Leute, die viel verdienen, profitieren von Kinderfreibeträgen", sagt Heine.
Kindergartengebühren und Schulgeld können als Betreuungskosten abgezogen werden. "Letzteres wird in der Praxis aber relativ selten gemacht", sagt Heine. Für die Ausbildung eines volljährigen Kindes kann bei einer auswärtigen Unterbringung ein Freibetrag in Höhe von 1.200 Euro pro Jahr (Stand: 2024) geltend gemacht werden.
Darüber hinaus ändert sich durch den Nachwuchs steuerlich aber wenig. "Es gibt viele gute Gründe, Kinder zu haben. Steuern sparen ist allerdings keiner davon", sagt Heine.
Über den Gesprächspartner
- Stefan Heine ist gelernter Rechts- und Fachanwalt für Steuerrecht und Geschäftsführer bei Smartsteuer, einem Anbieter für Onlinesteuererklärung.
Verwendete Quellen
- Telefoninterview mit Stefan Heine
- Bertelsmann-Stiftung: "Wie funktioniert die Ehegattenbesteuerung in Deutschland?"
- Hans-Böckel-Stiftung: "Ehegattensplitting macht Erwerbsarbeit für Frauen unattraktiv"
- Smartsteuer.de: "Steuerklassenrechner für Ehepaare"
- SPD.de: "Koalitionsvertrag 2021— 2025" (PDF)
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