- Wer an COVID-19 erkrankt, hat ein bis zu zehnmal so hohes Risiko, eine Thrombose zu erleiden, als eine geimpfte Person.
- Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Universität Oxford.
- Sie legt auch nahe, dass noch weitere Impfstoffe Thrombosen auslösen könnten - doch die Untersuchung hat einen Haken.
Eine aktuelle Studie der Universität Oxford legt nahe, dass die nach Impfungen aufgetretenen Thrombosefälle nicht nur den Vektorimpfstoff von Astrazeneca betreffen könnten. Die Untersuchung ist als Preprint verfügbar, also noch nicht wissenschaftlich begutachtet.
Risiko für Blutgerinnsel nach COVID-Erkrankung laut Studie knapp zehnmal so hoch wie nach Impfung
Der Auswertung zufolge ist das Risiko, ein Blutgerinnsel im Kopf zu entwickeln, nach einer COVID-Erkrankung rund 100-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung - und mit 39,0 pro Million knapp zehnmal so hoch wie nach einer Corona-Impfung (4,1 pro Million). Nach einer echten Grippe traten bei den untersuchten Personen keine Fälle auf (0 pro Million).
Zudem untersuchten die Wissenschaftler, ob ein Blutplättchenmangel vorlag. Dieser trat in einigen Fällen im Zusammenhang mit Sinusvenenthrombosen auf. Erste Hinweise auf den Auslöser der Blutgerinnsel deuten darauf hin, dass sie aufgrund einer Immunreaktion entstehen, bei der die Blutplättchen aktiviert werden.
Die Forscherinnen und Forscher verglichen die Häufigkeit von solchen Sinusvenenthrombosen (SVT) zwei Wochen nach einer COVID-19-Diagnose (n = 513.284 Personen), nach einer Influenzaerkrankung (n = 172.742 Personen) und nach Gabe der ersten Dosis eines mRNA-Impfstoffs von Biontech oder Moderna (n = 489.871 Personen). Als Vergleichswert diente ihnen die SVT-Hintergrundinzidenz in der Gesamtbevölkerung.
Studie legt fast ebenso hohe Zahl an Thrombosefällen bei mRNA-Impfstoffen und Vektorimpfstoffen nahe - doch der Vergleich hinkt
Damit wäre der Studie zufolge das Risiko für eine Sinusvenenthrombose nach einer Impfung mit Biontech/Pfizer oder Moderna beinahe ebenso hoch wie nach einer Astrazeneca-Impfung (4,1 Fälle pro Million beziehungsweise 5 pro Million).
Hier liegt jedoch ein Problem der Studie: Die für die Analyse verwendeten Daten stammen aus Patientendatensätzen aus den USA. Dort ist der Impfstoff von Astrazeneca jedoch noch nicht zugelassen.
Deswegen griffen die Forscher zum Vergleich auf die Daten der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zurück, konkret: dem EU-Meldesystem für Nebenwirkungen - und setzten diese ins Verhältnis. Laut EMA betrifft die Nebenwirkung beim Astrazeneca-Impfstoff fünf von einer Million Geimpften.
Die Daten sind allerdings nur bedingt vergleichbar. Bei Patientendaten könnte es zu einer Übererfassung von Fällen kommen, meldet "Spiegel Online", wohingegen es bei der EMA eher zu einer Untererfassung kommen dürfte.
Laut US-Gremium für Impfstoffzulassungen, dem Advisory Committee on Immunization Pratices (ACIP), wurden in den USA sechs Fälle gemeldet, in denen Frauen nach einer Impfung mit dem Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson eine SVT plus Blutplättchenmangel entwickelten.
Nach der Verimpfung von 97,9 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs sei kein einziger solcher Vorfall aufgetreten. Bei 84,7 Millionen Dosen von Moderna seien drei SVT-Fälle gemeldet worden, allerdings alle mit normaler Blutplättchenzahl.
Studie untersuchte noch eine weitere Art von Blutgerinnsel
Die Arbeitsgruppe um Paul Harrison vom Department of Psychiatry der Universität Oxford und Maxime Taquet von der Oxford Health NHS Foundation untersuchten noch eine zweite Form von Thrombosen - sogenannte Pfortader- oder Portalvenenthrombosen. Diese Blutgerinnsel bilden sich in der Pfortader der Leber.
Auch hier stellten die Forscher einen Zusammenhang mit einer COVID-19-Diagnose fest: Demnach traten nach einer Corona-Erkrankung in 436,4 Fällen pro Million solche Thrombosen auf. Nach einer Influenza waren es 98,4 Personen pro Million, nach einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff 44,9 pro Million.
Studienleiter: Risiko von Impfungen sollte neu bewertet werden
Die Sorge über einen möglichen Zusammenhang zwischen COVID-19-Impfstoffen und dem Auftreten von Thrombosen hatte die Regierungen mehrerer Länder dazu veranlasst, den Einsatz bestimmter Impfstoffe einzuschränken oder vorübergehend auszusetzen. Dänemark verzichtet sogar dauerhaft auf den Einsatz des Astrazeneca-Vakzins.
Die wichtige Frage sei aber eine andere, sagte Studienleiter Paul Harrison. Diese lautete vielmehr: "Wie hoch ist das Risiko einer Sinusvenenthrombose nach einer COVID-19-Diagnose?"
"Unsere Studie hat zu zwei wichtigen Ergebnissen geführt", sagte Harrison: "Zum einen, dass COVID-19 das SVT-Risiko merklich nach oben treibt, und zum anderen, dass das Risiko, durch COVID-19 eine SVT zu erleiden, höher ist als nach einer Impfung gegen COVID-19 - selbst bei den Unter-30-Jährigen“, ergänzte er. "Dies sollte berücksichtigt werden, wenn Nutzen und Risiko der Impfung beurteilt werden."
Co-Studienleiter Maxime Taquet riet zu einer vorsichtigen Interpretation der Ergebnisse, da die Daten zu dem Astrazeneca-Impfstoff von der EMA stammten, die restlichen Daten jedoch aus dem TriNetX-Netzwerk. "Der Zusammenhang zwischen COVID-19 und SVT sowie Pfortaderthrombosen ist jedoch klar."
Verwendete Quellen:
- Ox.ac.uk: Risk of rare blood clotting higher for COVID-19 than for vaccines
- Osf.io: Cerebral venous thrombosis: a retrospective cohort study of 513,284 confirmed COVID - 19 cases and a comparison with 489,871 people receiving a COVID - 19 mRNA vaccine
- Spiegel Online: Riskante Rechnung
- Ärzteblatt.de: Risiko von Sinusvenenthrombose nach COVID-19 viel höher als nach Impfung
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.