Ischgl war in der Anfangsphase der Pandemie das Zentrum der Corona-Ausbreitung in Europa. Im Umgang mit dem Virus und dessen Eindämmung gab es schwerwiegende Versäumnisse. Was sich in der kommenden Wintersaison ändern wird, legt Andreas Steibl, Geschäftsführer des Tourismusverband Paznaun – Ischgl, im Interview aus.

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Ischgl gilt als Party-Hochburg der Alpen und ist die bekannteste Gemeinde der Ferienregion Paznaun im österreichischen Tirol. Im Frühjahr geriet der Skiort allerdings in die Negativschlagzeilen, weil er zu einem Hotspot für Corona-Infektionen geworden war.

Aufgrund von Versäumnissen und Fehleinschätzungen breitete sich das Virus in viele Regionen und Länder aus. Aktuell geht es um Klagen auf Schadensersatz für Opfer der fehlenden Vorsichtsmaßnahmen, darunter auch Fälle von Deutschen.
Nach dem Debakel im vergangenen Winter wollen die Verantwortlichen in Ischgl nun vorbeugen: Man hat über die behördlichen Vorgaben hinausreichende Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 in der kommenden Wintersaison erarbeitet und vorgestellt.

Steibl: "Die Gesundheit hat oberste Priorität"

Après-Ski soll es in der bisherigen Form aber nicht mehr geben. "Die Gesundheit hat oberste Priorität", darin sind sich alle einig, sagt Andreas Steibl, Geschäftsführer des Tourismusverband Paznaun – Ischgl, unserer Redaktion.

Herr Steibl, welche Rückschlüsse hat man aus der vergangenen Wintersaison gezogen?

Andreas Steibl: Wir haben aus den Erfahrungen gelernt und ein umfangreiches Gesundheitsmanagement entwickelt, um unseren Gästen ein Urlaubserlebnis mit maximalen Gesundheits- und Sicherheitsstandards zu gewährleisten.

Mit den getroffenen Sicherheitsmaßnahmen kann auf jeden Fall erreicht werden, dass sich das Virus nicht unerkannt verbreitet. Unser Ziel ist es, eine der sichersten Destinationen zu sein.

Wie möchten Sie das sicherstellen?

Eine wichtige Maßnahme, auf die wir im Paznaun setzen, ist etwa das Abwasser-Monitoring, eine Initiative des Landes Tirol, die in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck landesweit eingesetzt wird. Diese laufenden Abwassertests sollen mit hoher Genauigkeit die Früherkennung von potenziellen Infektionen ermöglichen.

Gemeinsam mit Experten, den Behörden, mit der Silvrettaseilbahn AG und mit der Gemeinde haben wir in den vergangenen Monaten intensiv an umfangreichen Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen gearbeitet, die weit über den behördlichen Auflagen liegen.

Wir setzen vor allem auf Tests und Screenings und in puncto Hygiene beispielsweise auf umfangreiche Desinfektionsmaßnahmen. In Ausarbeitung befindet sich derzeit auch eine personalisierte Contact-Tracing-App, die den Kontaktkreis von Einzelfällen der Gäste feststellt und damit ebenfalls zur Sicherheit beiträgt.

Was genau kommt auf die Gäste zu? Werden diese im Skibetrieb vermehrt mit Wartezeiten und Einschränkungen rechnen müssen?

Grundsätzlich ist eine Reduzierung der höchstzulässigen Personenanzahl oder der Sesselbahnen nicht verpflichtend. Von einer Ausnutzung der erlaubten Kapazitäten wird die Silvrettaseilbahn AG bei entsprechend geringem Fahrgastaufkommen aber absehen. Die Anstehbereiche werden unabhängig von den aktuellen rechtlichen Vorgaben technisch so organisiert, dass eng zusammenstehende Personengruppen möglichst vermieden werden.

In jedem Fall ist in den Seilbahnkabinen und bei Fahrten mit Sesselbahnen und Liften ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Hierfür stellt die Seilbahn AG Multifunktionstücher beim Kauf eines Skipasses als kostenlose Zugabe zur Verfügung.

In den Bergrestaurants werden die behördlich angeordneten Mindestabstände der Tische und Sitzmöglichkeiten eingehalten. Darüber hinaus hat man neue Abtrennungen in den Sitzbereichen angebracht und die Hygienemaßnahmen ausgebaut. Um die Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes zu gewährleisten, werden – abhängig von der Auslastung – auch die Zutritte zu den Gastronomiebetrieben am Berg limitiert.

Ischgl steht für Après-Ski. Sie haben bereits angekündigt, dass es das in der kommenden Saison nicht mehr geben wird.

Richtig. Après-Ski in der bisherigen Form wird es diesen Winter nicht geben. Gesetzliche Vorgaben schränken Après-Ski drastisch ein und regeln klar, dass Speisen und Getränke in der Gastronomie und Bars nur am eingenommenen Sitzplatz konsumiert werden dürfen.

Zusätzlich werden wir auch in diesem Segment langfristig qualitative Maßnahmen setzen. Die Details zu den in finaler Abstimmung stehenden Maßnahmen werden rechtzeitig zum Start der Wintersaison präzisiert.

Nutzt man in Ischgl die Gunst der Stunde zum Imagewandel: Weg vom "Ballermann der Alpen"?

Après-Ski ist nur eine der vielen Erlebniswelten in Ischgl. Hauptbuchungskriterium für einen Aufenthalt in Ischgl ist aber nicht – das bestätigt auch eine Umfrage des Marktforschungsinstituts IMAD - "Party machen", sondern ganz klar das außergewöhnliche Skifahrerlebnis.

Wir wollen jedenfalls die Natur und unser weitläufiges, bis in das Schweizer Samnaun reichende Top-Skigebiet mit einer täglich präparierten Pistenfläche von 500 Hektar in den Mittelpunkt stellen.

Und wie sieht es mit den Kosten für die Maßnahmen aus? Wird Wintersport in Ischgl jetzt teurer?

Natürlich ist der Aufwand für die Gesundheitsmaßnahmen kostspielig. Dieser wird aber nicht an die Gäste weitergegeben. Hier geht es um Gesundheitsprävention, das ist eine Verantwortung, die wir übernehmen.

Alle Maßnahmen werden von den jeweiligen Institutionen getragen – der Silvrettaseilbahn AG, dem Tourismusverband und den vier Gemeinden. Die Kosten für COVID-19 Testungen bei Mitarbeitern in Beherbergungsbetrieben und in der Gastronomie übernimmt der Bund.

Wie reagieren die Gäste?

Dass eine herausfordernde Saison für uns alle ansteht, ist eine Tatsache. Der Verlauf der vergangenen Sommersaison macht uns jedoch optimistisch und zeigt, dass die Menschen in den Urlaub fahren und im Winter nicht auf das Skifahren verzichten wollen.

Ein entscheidendes Buchungskriterium stellt ein funktionierendes Gesundheitsmanagement dar. Wir sind vorbereitet und blicken insofern mit Vorfreude in Richtung Wintersaisonstart am 26. November.

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