- Für eine Herdenimmunität sollten mindestens 70 bis 80 Prozent der Menschen geimpft sein.
- Umfragen zufolge ist die Impfbereitschaft in Deutschland hoch, die Entwicklung in anderen Ländern zeigt jedoch, dass die Motivation auch recht schnell nachlassen kann.
- Impfwilligen Geld zu zahlen, kann Studien zufolge zu einer höheren Impfbereitschaft beitragen.
Während in den USA, Polen und einigen anderen Ländern versucht wird, Menschen mit Geld- oder anderen Geschenken für eine Corona-Impfung zu begeistern, gibt es in Deutschland bislang kaum solche Überlegungen. Vielleicht liegt es daran, dass die Impfbereitschaft nach Umfragedaten des Robert Koch-Instituts hier recht hoch ist: 72,6 Prozent sagen demnach, sie wollen sich "auf jeden Fall" impfen lassen; nur 4,6 Prozent wollen das "auf keinen Fall".
Die Impfkampagnen-Entwicklung in anderen Ländern zeigt allerdings, dass anfängliche Euphorie durchaus nachlassen kann - etwa bei Meldungen über Nebenwirkungen der Impfstoffe. Oder weil die Inzidenzen sinken, es wieder mehr Freiheiten gibt und einige sich dann vielleicht fragen: Warum soll ich mich denn jetzt noch impfen lassen?
Geld ist laut Studien ein Anreiz, sich impfen zu lassen
Um eine Herdenimmunität zu erreichen, die die Pandemie beenden könnte, müssten sich mindestens 70 Prozent der Menschen impfen lassen - und zwar am besten weltweit. Einige Wissenschaftler sprechen sogar von 80 Prozent - inklusive der Kinder, bei denen ja noch unklar ist, wann sie und ob sie überhaupt geimpft werden können.
Länder, in denen die Impfbereitschaft niedriger ist als in Deutschland, haben sich deswegen schon einiges einfallen lassen: In den USA sind es zum Beispiel die viel zitierten Joints, in Polen ist es eine Lotterie für Geimpfte.
"In den USA zahlen zudem viele Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Geld, wenn sie sich impfen lassen. Lidl zahlt dort zum Beispiel etwa 200 US-Dollar pro Impfung. Für Mitarbeiter in Krankenhäusern ist es teils deutlich mehr, mitunter sind das 500 oder auch 750 Dollar", schrieb die Wirtschaftswissenschaftlerin Nora Szech vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) unserer Redaktion. Szech hat mit Marta Serra-Garcia von der University of California San Diego eine Studie zum Thema Impf- und Testanreize veröffentlicht.
Wie viel sollte es denn sein?
Eines der Ergebnisse ihrer Online-Befragung war, dass die Bereitschaft, sich gegen Corona impfen zu lassen, steigen kann, wenn dafür gezahlt wird - und zwar um 4,5 bis 13,6 Prozentpunkte, abhängig davon, wie hoch der Betrag ist. 4,5 Prozentpunkte waren es bei 100 US-Dollar, 13,6 bei 500 US-Dollar.
Kleinere Beträge, wie 20 US-Dollar, wirkten hingegen demotivierend. Die Impfbereitschaft war hier um fünf Prozentpunkte niedriger als ohne Bezahlung. Die Studienautorinnen führen das darauf zurück, dass eine Impfung bei solchen Beträgen eher als eine Art Ware gesehen wird, wo sie doch eigentlich einen hohen moralischen Wert hat. Diese Diskrepanz hält einige Menschen offenbar tatsächlich davon ab, sich impfen zu lassen.
Denn viele Menschen lassen sich sicher zum eigenen Schutz impfen, einige aber sicher vor allem aus moralischer Verpflichtung: Weil Impfen für die Bekämpfung des Virus insgesamt wichtig ist. Dafür bezahlt zu werden, empfinden einige von ihnen offenbar als verletzend. Es gibt Studien zu Blutspenden, wo das offenbar auch häufiger der Fall ist.
Im Transfusionsgesetz steht, dass Blutspenden unentgeltlich sein sollen, eine Aufwandsentschädigung aber gezahlt werden dürfe - was offenbar auch immer häufiger genutzt wird. "Bei Blutspenden kommen wir um Kompensationen gar nicht herum - wir hätten sonst viel zu wenige davon", so Nora Szech. Im Gegensatz zu den aktuellen Impfanreiz-Studien, die eher Absichten als tatsächliches Verhalten auswerten, gibt es hier also offenbar tatsächlich einen messbaren positiven Effekt.
Den Aufwand zu reduzieren, würde auch helfen
Für die Wirtschaftswissenschaftlerin Nora Szech ist es jedenfalls "nachvollziehbar, dass der Aufwand für eine Impfung manche abschreckt". Diesen Aufwand so gering wie möglich zu halten, ist für sie deswegen ebenso wichtig wie Geldzahlungen oder andere Kompensationen.
Ihre Studie hat nämlich auch ergeben, dass mehr Menschen sich impfen lassen würden, wenn jemand den Termin für sie organisieren würde - anstatt, dass sie sich selbst kümmern müssen.
Dass etwa die Möglichkeit, sich beim Hausarzt impfen zu lassen, die Impfbereitschaft erhöht, hat auch eine Studie von Forschern rund um die Politikwissenschaftlerin Heike Klüver von der Humboldt-Universität zu Berlin ergeben. Aber auch hier stellten sich Geldzahlungen als Motivation heraus.
Und dabei: Je höher der Geldbetrag, desto besser - wobei in dieser Studie nicht festgestellt wurde, dass geringere Beträge kontraproduktiv gewesen wären. Die Motivationssteigerung war bei 25 Euro zwar geringer als bei 50 Euro, aber sie war immer noch höher als ohne Bezahlung.
Rechtlich gibt es keine Hürden
Rechtlich steht einem Impfbonus übrigens nichts entgegen. Vereinzelt hat es in letzter Zeit auch Meldungen gegeben, dass Firmen in Deutschland einen solchen Bonus einführen wollen oder zumindest darüber nachdenken.
Für Unternehmen ist das kein einfaches Terrain: Schließlich dürfen sie ihre Mitarbeiter nicht ungleich behandeln. Anwälte meinen aber, dass eine Ungleichbehandlung in Form eines Bonus für Geimpfte im Fall der Corona-Pandemie gerechtfertigt sein kann.
Dass der deutsche Staat eine Prämie zahlt oder eine Geimpften-Lotterie macht, ist derzeit nicht in Sicht. Es ist ja auch schwer zu errechnen, ob sich das für ihn am Ende überhaupt "lohnen" würde. Das Ifo-Institut schrieb Anfang des Jahres, dass eine Impfdosis einen gesellschaftlichen Wert von 1.500 Euro habe - demgegenüber der wirtschaftliche Schaden einer Pandemie-Situation mit Lockdowns und vielen schwer erkrankten Menschen steht.
Angesichts der Debatte, die es hierzulande um "Impfprivilegien" gab, ist es trotzdem schwer vorstellbar, dass die Bundesregierung im Herbst für die Gruppe der rund 23 Prozent Impf-Unentschlossenen beschließt: Wir zahlen euch jetzt eine Prämie. Immerhin sind laut dem "Impfdashboard" schon mehr als 37 Millionen Deutsche mindestens einmal geimpft.
Verwendete Quellen:
- Antworten per Mail von Professor Nora Szech, Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Ökonomie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
- Studie Choice Architecture and incentives increase COVID-19 vaccine intentions and test demans (Marta Serra-Garcia und Nora Szech; April 2021)
- Journal of Medical Ethics: Good reasons to vaccinate: mandatory or payment for risk? (Julian Savulescu, University of Oxford, Philosoph, Professor für Angewandte Ethik; November 2020)
- COVIMO-Studie des Robert Koch-Instituts, 4. Report (Erhebungszeitraum 21.4. - 7.5.2021)
- COSMO: COVID-19 Snapshot Monitoring, u.a. der Universität Erfurt und des Robert Koch-Instituts
- "Ifo Schnelldienst" des Ifo-Instituts vom 30. Januar 2021
- Studie von Heike Klüver, Humboldt-Universität zu Berlin, u.a.: What incentives can spur Covid-19 vaccination uptake?
- Dissertation zu Motiven des Blutspendens
- "Zusammen gegen Corona" des Bundesgesundheitsministeriums
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