- Die Osterruhe, die von Bund und Ländern zunächst geplant wurde, wird es nicht geben.
- Trotzdem wird das Leben in einigen Ecken Deutschlands weiter heruntergefahren.
- Bereits an den Feiertagen gilt mancherorts eine nächtliche Ausgangssperre.
- Aber was kann diese gegen das Coronavirus bewirken?
In immer mehr Regionen in Deutschland werden abends quasi die Bürgersteige hochgeklappt. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Städten und Kreisen, die im Kampf gegen die wieder steigenden Corona-Zahlen nächtliche Ausgangsbeschränkungen beschlossen haben.
Die Millionenstadt Hamburg zählt dazu, die Gegend um Hannover, die Stadt Halle, aber auch etliche Landkreise, zum Beispiel in Brandenburg. Auf die Straße darf man dort in der Regel nur noch aus triftigen Gründen.
Bringen diese Beschränkungen überhaupt etwas?
Wie groß tatsächlich der Effekt ist, lässt sich derzeit nicht genau sagen. Die Datenlage zu dieser Maßnahme, die sich nur schwerlich isoliert betrachten lässt, ist dürftig. Die Erfahrung zeigt: Ja, nach der Einführung der Sperren geht in der Regel die Zahl der Neuinfektionen zurück. Doch das könnte genauso auf flankierende Aktionen wie schärfere Kontaktbeschränkungen zurückzuführen sein.
Grundsätzlich raten Epidemiologen, Kontakte zu meiden. Dabei sind Ausgangsbeschränkungen einer der Bausteine eines ganzen Katalogs. Das Argument: Wer private Treffen am Abend und Partys in der Nacht verhindert, verhindert auch Neuansteckungen.
Was sagen wissenschaftliche Studien?
Dass es einen gewissen Effekt auf die Corona-Zahlen gibt, ist kaum zu bestreiten. Umstritten bleibt allerdings, wie hoch dieser ist, und ob daher die massiven Grundrechtseinschnitte verhältnismäßig sind.
Forscher um ein Team der Universität Oxford fanden jüngst heraus, dass nächtliche Ausgangsbeschränkungen zwar die Verbreitung des Covid-19-Erregers um rund 13 Prozent reduzieren können. Einen doppelt so hohen Effekt (minus 26 Prozent) aber haben etwa strenge Kontaktbeschränkungen wie die Begrenzung aller Treffen auf maximal zwei Menschen, wie sie zum Beispiel auch Berlin für die Nächte ab Karfreitag vorsieht. Die Studie muss noch von Fachleuten begutachtet werden.
Mobilitätsforscher von Technischer Universität und Zuse-Institut in Berlin kommen in ihrer jüngsten Studie zu der Erkenntnis, dass eine Ausgangssperre am Abend und in der Nacht besonders Kontakte im Privatbereich reduziere. Demnach zeigt eine Simulation von Mitte Januar (als die ansteckendere Virusvariante B.1.1.7 noch nicht so weit in Deutschland verbreitet war) eine Halbierung der Infektionen im Freizeitbereich durch eine Ausgangssperre von 20 bis 6 Uhr.
Die Berliner Forscher nehmen aber an, dass die Bevölkerung mittelfristig auf andere Zeiten für Treffen und Besuche ausweiche. Daher könne dieses Werkzeug "relativ schnell stumpf werden", heißt es im Bericht von Mitte März.
Auch das, was manche Politiker als "Kollateralschäden" bezeichnen - also etwa psychische Erkrankungen durch Vereinzelung und Existenzängste -, lässt sich nicht leicht und vor allem nicht sofort wissenschaftlich messen.
Was zeigen Erfahrungen aus Frankreich?
Auch dort gab es im vergangenen Frühjahr und Herbst sehr strenge Lockdowns mit harten Ausgangsbeschränkungen. Die Menschen durften nur mit Passierschein auf die Straße - und das auch nur im Radius von einem Kilometer zur Wohnung.
Teilweise waren Parks und Strände geschlossen. Besonders zu Beginn wurden die Regelungen streng von der Polizei kontrolliert - im Herbst aber deutlich weniger als im Frühjahr. Diese drastischen Einschränkungen waren durchaus erfolgreich, die Corona-Zahlen gingen deutlich zurück.
Eine Studie der Pariser Universität Sorbonne über die Ausgangsbeschränkungen von Mitte Januar in Frankreich kommt zu dem Schluss, dass die Sperrmaßnahmen seinerzeit die Übertragung des historischen Virusstammes verringerte, während die neuere B.1.1.7-Variante weiter wuchs.
Wie ist die rechtliche Situation in Deutschland?
Als eine von verschiedenen möglichen "notwendigen Schutzmaßnahmen" sieht das Infektionsschutzgesetz bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, wie sie derzeit in Deutschland festgestellt ist, auch Ausgangsbeschränkungen vor.
Stephan Rixen, Staatsrechtler von der Universität Bayreuth, hält sie auch für begründbar, da das Robert-Koch-Institut (RKI) die Gefährdungslage mittlerweile als hoch einschätzt. Er betont aber gleichzeitig: "Grundsätzlich gilt: Je stärker die Grundrechte beeinträchtigt werden, desto besser muss der Staat das begründen."
Die Verwaltungsgerichte urteilten seit Beginn der Pandemie im Einzelfall durchaus unterschiedlich - auch mit Blick auf die jeweilige Situation vor Ort. Zwar blieben viele Eilanträge gegen Ausgangsbeschränkungen erfolglos - etwa für Solingen und Gütersloh.
Der Verwaltungsgerichtshof von Baden-Württemberg kippte jedoch im Februar eine Corona-Verordnung, die Ausgangsbeschränkungen von 20 Uhr bis 5 Uhr vorsah. Das Gericht argumentierte, die Landesregelung habe zuletzt die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Nach dem Infektionsschutzgesetz seien Ausgangsbeschränkungen nur möglich, wenn ihr Unterlassen zu irgendwelchen Nachteilen in der Pandemiebekämpfung führe. Sie kämen nur dann in Betracht, wenn der Verzicht auf sie - auch unter Berücksichtigung aller anderen ergriffenen Maßnahmen - zu einer wesentlichen Verschlechterung des Infektionsgeschehens führe.
Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen hatte Anfang März zwei in Sachsens Corona-Schutzverordnung enthaltene Ausgangsbeschränkungen vorläufig außer Vollzug gesetzt. Konkret ging es dabei um die nächtliche Ausgangssperre zwischen 22 und 6 Uhr und um eine Begrenzung auf einen 15-Kilometer-Radius für Sport und Bewegung im Freien.
Wie lässt sich eine nächtliche Ausgangsbeschränkung umsetzen?
Im Prinzip ist es ganz einfach, wenn auch aufwendig für die Einsatzkräfte von Ordnungsamt und Polizei. Wer zur falschen Zeit ohne einen triftigen Grund außerhalb des Hauses kontrolliert wird, muss ein Bußgeld zahlen. Was als triftiger Grund gilt, legt eine Verordnung fest. Im baden-württembergischen Rastatt, wo jetzt zwischen 21.00 Uhr und 5.00 Uhr Ausgangsbeschränkungen gelten, wurden beispielsweise nach Angaben der Polizei in der Nacht zum Donnerstag ein 20-Jähriger und ein Jugendlicher im Alter von 17 Jahren angehalten, weil sie nachts unterwegs waren.
Andere Staaten gehen da zum Teil andere Wege. Das System Griechenlands wäre in Deutschland allerdings womöglich wegen Bedenken von Datenschützern nur schwer umsetzbar. Die Regierung in Athen hat ein SMS-System eingeführt. Wer das Haus verlässt, muss eine von sechs Ziffern an den Zivilschutz senden, um anzugeben, ob er zum Beispiel einkaufen, zum Arzt, mit dem Hund spazieren geht oder Sport treiben will.
Die Polizei kontrolliert diese Nachrichten, die jeweils nicht älter als wenige Stunden sein dürfen. Wer keine Nachricht vorweisen kann oder anderweitig gegen Corona-Maßnahmen verstößt, muss 300 Euro Strafe zahlen. Da die Menschen sich nach dieser langen Zeit der harten Einschränkungen zunehmend privat und ohne Schutz treffen und die Infektionszahlen deshalb nach oben gehen, will die Regierung die Maßnahmen nun langsam lockern.
Die SMS soll jedoch als Kontrollinstrument weiter erhalten bleiben und wird von den Menschen auch weitgehend akzeptiert. (ff/dpa)
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