In der aktuellen Folge des NDR-Podcasts "Coronavirus-Update" erklärt Christian Drosten, was aus seiner Sicht für die bevorstehenden kälteren Monate wichtig ist. Außerdem geht er auf die Argumente von Kritikern der aktuellen Corona-Politik ein.
Angesichts der aktuell niedrigen Fallzahlen in Deutschland werden Forderungen laut, dass die Politik ihre Strategie anpassen müsse. Auch der Virologe
Den Eindruck, dass es momentan in Deutschland nur wenige Infektionen gibt, halte er nicht für falsch, sagt
Drosten nimmt Streeck in Schutz
Was die Aussagen seines Kollegen Streeck angeht, bemängelt Drosten, dass diese vielfach verkürzt wiedergegeben worden seien. Große Teile der öffentlichen Diskussion hätten sich lediglich auf vereinfachende Schlagzeilen bezogen. "Was er dann ansonsten sagt in dem ganzen Interview, ist ja eigentlich ziemlich logisch und viele würden das auch so sehen", betont Drosten.
Von der von Streeck vorgeschlagenen Corona-Ampel zeigt sich Drosten allerdings nicht überzeugt. Diese soll mehrere Werte wie die Anzahl der Tests und die Schwere von Infektionen für einzelne Regionen berücksichtigen und so das gesamte Infektionsgeschehen in einen Richtwert zusammenfassen, aus dem man für den gegebenen Ort angemessene Maßnahmen ableiten kann.
Diese Überlegung habe es bereits im Frühjahr gegeben, sagt Drosten. Damals sei sie durchaus sinnvoll gewesen, weil die Infektionen stärker lokal konzentriert gewesen seien. Heute sei es dagegen schwieriger, lokal vorzugehen.
Auf der anderen Seite gibt es Forderungen, die Maßnahmen zum Infektionsschutz drastisch zu verschärfen, um eine gute Ausgangssituation für eine mögliche zweite Welle im Herbst und Winter zu schaffen.
Deshalb etwa eine Maskenpflicht während des Schulunterrichts durchzusetzen, betrachtet Drosten jedoch nicht als zielführend. "Ich denke, wir sind in Deutschland schon in einer guten Startsituation und müssen damit jetzt umgehen", so der Virologe. Wichtiger sei es, dass man sich nicht darauf ausruhe, sondern eine gespannte Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit fortbestehe.
Bei Tests kann Schnelligkeit wichtiger sein als Genauigkeit
In der aktuellen Podcast-Folge geht Drosten auch auf Kritik an der Corona-Politik ein. Insbesondere bezüglich der Genauigkeit von Tests gab es viel Diskussion.
Falsch positive Tests kämen vor, räumt Drosten ein. Doch ihre Signifikanz werde übertrieben dargestellt. "Es ist nicht der Fall, dass reihenweise falsch positive Meldungen in die Statistiken eingehen, hinter denen gar keine Krankheitsfälle stehen", betont er.
Außerdem müsse man in bestimmten Situationen Ungenauigkeit in Kauf nehmen. Bei Antigen-Tests kämen falschpositive Ergebnisse zwar häufiger vor als bei PCR-Labortests. Doch ihr Vorteil liege darin, dass sie deutlich schneller seien und vor Ort ohne ein Labor durchgeführt werdend könnten. "Wenn man jetzt zum Beispiel mitten in einer Winter-Welle steckt, dann ist man natürlich froh, dass man solche Antigen-Tests hat."
Infektionszahlen in Afrika rätselhaft
Als Antwort auf zahlreiche Höreranfragen des NDR kommentiert Drosten in der aktuellen Podcast-Folge auch die aktuelle Situation in Afrika. Den aktuell verfügbaren Zahlen zufolge verläuft die Pandemie auf dem Kontinent weniger drastisch als im Frühjahr befürchtet. Sowohl die Infektions- als auch die Todeszahlen sind überraschend niedrig.
Mehrere teilweise noch nicht abschließend geprüfte Studien aus verschiedenen afrikanischen Ländern ziehen aus ihren Beobachtungen den Schluss, dass bereits eine weitreichende Herdenimmunität herrsche, die den weiteren Verlauf der Pandemie abmildere.
Für Drosten ist diese Erklärung zweifelhaft. Er diskutiert mehrere Faktoren, die zu den unerwartet niedrigen Zahlen führen könnten. Zum einen seien Tests aus Europa übernommen worden. Es sei notwendig, ihre Wirksamkeit für eine andere Bevölkerung neu zu validieren. Dies sei in den besprochenen Fällen nicht geschehen.
In vielen afrikanischen Ländern lebten in den dicht besiedelten Großstädten mit einem höheren Infektionsgeschehen überproportional viele junge Menschen. Die gefährdeteren älteren Menschen seien auf dem Land mehr vertreten. Schließlich sei es auch möglich, dass die Zahlen auf mangelhafte Meldesysteme zurückzuführen seien.
Wichtig sei es, dass die Studien nicht zu der Auffassung führten, dass man Afrika bei der Pandemiebekämpfung allein lassen könne. Bei den Bemühungen, ärmere Länder im Kampf gegen Covid-19 zu unterstützen, müsse auch der afrikanische Kontinent im Blick bleiben.
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