Die Politik blickt mit Sorge auf die Entwicklung der Corona-Zahlen in den Großstädten. Deswegen berät sich die Bundeskanzlerin am Freitag mit den elf größten Städten über die aktuelle Lage. Die Zahl der Neuinfektionen war zuletzt sprunghaft angestiegen.

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Angesichts stark gestiegener Corona-Infektionszahlen berät Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag (12:30 Uhr) mit den Verantwortlichen der elf größten deutschen Städte über die Lage. An der Videokonferenz werden nach Angaben eines Regierungssprechers die Oberbürgermeister und Bürgermeister der folgenden Städte teilnehmen:

Die Corona-Entwicklung gerade in den Großstädten besorgt die Politik zunehmend. In Berlin, Frankfurt und weiteren Städten wie Bremen hat die sogenannte 7-Tage-Inzidenz den kritischen Wert von 50 überschritten. Er bildet die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen ab und ist ein wichtiger Grenzwert für schärfere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.

Zur Lage in der Hauptstadt und der Gesamtentwicklung wollen sich am Morgen Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der Virologe Christian Drosten äußern.

Zahl der Neuinfektionen sprunghaft gestiegen

Am Donnerstag war bundesweit die Zahl der Neuinfektionen sprunghaft auf mehr als 4.000 Neuinfektionen binnen eines Tages gestiegen. Städtetagspräsident Burkhard Jung bezeichnete den rasanten Anstieg als Alarmzeichen.

"Ob es gelingt, die zweite Corona-Welle zu bremsen, wird sich in den nächsten Wochen in den großen Städten entscheiden", sagte der Leipziger Oberbürgermeister der Deutschen Presse-Agentur. "Denn dort leben viele Menschen auf dichtem Raum."

"Die Städte tun alles, um die Pandemie unter Kontrolle zu halten", sagte Jung. Viele Städte handelten bereits nach einem Stufenkonzept. "Sobald in einer Stadt die bundeseinheitlichen Stufen von 35 oder 50 Corona-Erkrankungen je 100.000 Einwohner überschritten werden, greifen strenge Auflagen. Das können eine ausgeweitete Maskenpflicht sein, Obergrenzen bei Veranstaltungen oder eingeschränkte Besuchsregeln in Krankenhäusern oder Pflegeheimen." Jung warnte zugleich, wenn die Neuinfektionen weiter rasant stiegen, kämen die Gesundheitsämter an ihre Grenzen.

Warum ist gerade dieser Grenzwert von 50 wichtig?

Auf den Warnwert von 50 haben sich die Bundesländer verständigt, um auf die Pandemie reagieren zu können. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz - also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen - soll die Entwicklung der Pandemie regional vergleichbar machen.

Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) will im Gespräch mit Merkel dafür werben, dass sich die Metropolen bei ihren Corona-Maßnahmen noch besser koordinieren. "Das schafft Verlässlichkeit und Vertrauen", sagte Feldmann der dpa.

Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn erinnert die Lage stark an die Situation im März. "Immer mehr Fälle werden registriert, das Infektionsgeschehen wird diffuser. Das bereitet uns Sorgen", sagte der Grünen-Politiker. "Wir wollen einen weitreichenden Lockdown verhindern." Deshalb würden private Zusammenkünfte eingeschränkt. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt waren angesichts steigender Infektionszahlen bereits am Mittwoch die Auflagen für Feiern verschärft worden.

Berlin: Nächtliche Sperrstunde gilt ab Samstag

Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) sagte der dpa: "Wir werden jetzt alles daran setzen, dass die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen wieder unter den kritischen Wert von 50 gedrückt wird." Die Obergrenze war am Donnerstag in der Hansestadt gerissen worden. Seitdem gelten schärfere Regeln für private Feiern, öffentliche Veranstaltungen und auch für das Tragen von Masken.

In Berlin gelten ab Samstag eine nächtliche Sperrstunde und strengere Kontaktverbote für drinnen und draußen. Die meisten Geschäfte sowie alle Restaurants und Bars müssen von 23:00 bis 6:00 Uhr schließen.

Im Freien dürfen sich von 23:00 bis 6:00 Uhr nur noch fünf Personen oder Menschen aus zwei Haushalten versammeln. An privaten Feiern in geschlossenen Räumen dürfen nur noch maximal 10 statt bisher 25 Personen teilnehmen. Zudem gibt es eine allgemeine Maskenpflicht in Büro- und Verwaltungsgebäuden.

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verteidigte die Bundeshauptstadt vor Kritik: "Wer einen Vorschlag hat, wie man es besser macht als Berlin, soll ihn nennen", sagte er dem "Spiegel". Das Bashing einzelner Städte oder Länder helfe nicht weiter. "Es gab Zeiten, da hatte München die höchsten Infektionsraten. Und da hat auch niemand gesagt, dass das an der Natur der Münchner liegt."

Wie reagieren die Städte auf die steigenden Infektionszahlen?

  • Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen
  • Ausweitung der Maskenpflicht
  • Sperrstunde für die Kneipen und Restaurants

Solche und andere Gegenmaßnahmen sind in einigen Städten bereits eingeleitet worden. Auch die Teilnehmerzahlen für private Feiern wurden zum Teil eingeschränkt. Gerade private Partys und Feiern stehen zunehmend im Fokus bei lokalen Corona-Ausbrüchen, wenn auch nicht nur in Großstädten.

Bundesregierung warnte vor Verschärfung der Lage

Auch die Bundesregierung warnte vor dem Städtegipfel eindringlich vor einer Verschärfung der Lage. Kanzleramtschef Helge Braun sagte in der ZDF-Sendung "Maybrit Illner", man müsse erreichen, dass Corona-Kontakte vollständig nachvollziehbar seien. In einigen Hotspots gelinge das nicht mehr.

Der CDU-Politiker mahnte die Menschen über den Herbst und Winter, noch einmal Disziplin zu wahren und sich die Corona-App herunterzuladen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rief in der Sendung "ARD extra" die Menschen auf zu überlegen, ob eine geplante Reise oder Feier jetzt sein müsse.

Auch der Chef des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, meldete sich mahnend zu Wort. "Niemand kann behaupten, dass wir aktuell die Infektionsausbreitung unter Kontrolle hätten", sagte Montgomery der "Passauer Neuen Presse" (Freitag). Zwar sei Deutschland von einer Überforderung des Gesundheitswesens noch weit entfernt, doch "wir müssen diesen Kontrollverlust eindämmen", mahnte Montgomery.

Warum machen nun gerade die Städte Sorgen?

Mittlerweile sind nicht mehr hauptsächlich Reiserückkehrer für steigende Corona-Zahlen verantwortlich, sondern die Gesundheitsämter beobachten viele Ansteckungen innerhalb von Deutschland. Auch wenn es immer wieder zu erhöhten Infektionszahlen durch Ansteckungen bei großen Familien- oder Firmenfeiern, in Großbetrieben oder in Gemeinschaftsunterkünften kam, ist der Anstieg der Infektionszahlen mittlerweile häufig nicht mehr auf solche Einzelereignisse zurückzuführen.

In Berlin führt das Robert Koch-Institut in seinem Lagebericht am Donnerstag die steigenden Zahlen auch auf junge, international Reisende und Feiernde zurück, "die sich unterwegs bzw. auch auf Partys anstecken und diese Infektionen dann in ihren Haushalten und Familien verbreiten".

Sicherlich spielt die großstädtische Enge eine gewisse Rolle. Die Menschen können sich dort nicht so aus dem Weg gehen wie in ländlichen Gebieten, etwa, wenn sie Busse, U-Bahnen oder Busse nutzen müssen.

Der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte kürzlich im ZDF: "Die Pandemie wird in den Metropolen entschieden." Nicht zuletzt wird es dort immer schwieriger, bei stark steigenden Zahlen die Infektionsketten nachzuverfolgen - die Gesundheitsämter könnten da schnell an ihre Grenzen kommen.

Wie sehen Experten derzeit die Lage?

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, zeigt sich besorgt über die steigenden Zahlen. "Es ist möglich, dass sich das Virus unkontrolliert verbreitet", sagte er. Denn dann drohen nach Einschätzung der Experten neue Engpässe in den Krankenhäusern - wenn mit steigenden Corona-Zahlen auch die Zahl schwer kranker Corona-Patienten zunimmt. Viele Krankheitsverläufe sind derzeit noch mild - das kann sich aber ändern, wenn vermehrt ältere Menschen an COVID-19 erkranken.

Warum schaltet sich die Kanzlerin direkt ein?

Die Bundesregierung hat einen Blick darauf, welche Tendenzen es bei größeren Ausbrüchen gibt. Im Sommer waren es meist Fälle mit klar umrissenem Rahmen: in Schlachthöfen oder nach großen Feiern. Nun gebe es "sprunghaft ansteigende Zahlen, insbesondere in einigen Großstädten, die eben nicht mehr einem einzelnen Ausbruchsgeschehen zuzuordnen sind", erläuterte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Und das lasse befürchten, dass es zu einer weiteren diffusen Verbreitung kommen könne. Merkel wies auch schon selbst auf "Handlungsbedarf" hin, als sich einzelne Berliner Bezirke kritisch entwickelten. In der Schalte geht es nun um gebündelten Austausch mit den Metropolen. (pak/dpa)

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