- Nach Weihnachten sollen in Deutschland und der EU Impfungen mit dem Präparat von Biontech/Pfizer beginnen.
- Wissenschaft und Politik sehen die Chance auf ein Ende der Pandemie.
- Wie schnell kann das gehen?
Der erste Impfstoff gegen das Coronavirus kann in Deutschland voraussichtlich gleich nach Weihnachten verabreicht werden. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA empfahl am Montag die bedingte Zulassung des Präparats von Biontech und Pfizer in der EU, die EU-Kommission erteilte noch am Abend die formell nötige Genehmigung.
Die Antworten zu den wichtigsten Fragen:
Wann geht es los mit den ersten Impfungen?
"Am 27.12. geht es in Deutschland los: Die ersten Pflegebedürftigen werden geimpft", kündigte Bundesgesundheitsminister
Wie viele Impfdosen erhält Deutschland?
Die erste Lieferung von Biontech/Pfizer kommt am 26. Dezember. Erwartet würden 151.125 Impfdosen, teilte die Berliner Gesundheitsverwaltung mit, die derzeit der Gesundheitsministerkonferenz vorsteht. Am 28. Dezember folgen demnach weitere 521.625 Impfdosen, am 30. Dezember 672.750. Spahn twitterte: "Im Januar werden jede Woche mindestens weitere 670.000 Dosen ausgeliefert." Zuvor hatte er für das erste Quartal die Zahl 11 bis 13 Millionen genannt. Da das Präparat zweimal verabreicht werden muss, würde diese Menge in etwa für 5,5 bis 6,5 Millionen Menschen reichen. Insgesamt hat sich der Bund über einen EU-weiten Schlüssel und nationale Vereinbarungen bisher mehr als 300 Millionen Dosen gesichert - von Biontech und anderen Herstellern.
Wie wird der Impfstoff deutschlandweit verteilt?
Der Bund lässt das Präparat je nach Bevölkerungsanteil an insgesamt 27 feste Standorte in den Bundesländern liefern. Ab dann sind die Länder für Lagerung und Verteilung sowie die Beschaffung von Impfzubehör wie Lösungsmittel, Spritzen und Kanülen zuständig.
Wie geht das logistisch?
Nach der Zulassung durch die Europäische Kommission wird nach Biontech-Angaben damit begonnen, den für die Bundesrepublik vorgesehenen Impfstoff aus dem Pfizer-Werk im belgischen Puurs nach Deutschland an eine zentrale Anlieferstelle zu bringen. Von dort aus geht es weiter zu den Verteilzentren der Bundesländer. Der Impfstoff muss bei minus 70 Grad gelagert werden. In speziell entwickelten Versandboxen kann das Präparat bei diesen Temperaturen bis zu 15 Tage transportiert werden. Im Kühlschrank ist eine Lagerung bis zu fünf Tage möglich.
Wo wird der Impfstoff produziert? Wie lange dauert das?
Biontech will mit seinem US-Partner noch in diesem Jahr weltweit 50 Millionen Dosen liefern. 2021 sollen dann bis zu 1,3 Milliarden hergestellt werden - etwa in Mainz, Idar-Oberstein und Marburg. Dann wird dem Unternehmen zufolge das Ausgangsmaterial zu Pfizer nach Belgien gebracht, wo das Präparat weiterverarbeitet, abgefüllt und etikettiert wird. Aus der Produktionsanlage in Marburg sollen im ersten Halbjahr bis zu 250 Millionen Dosen kommen. Die Herstellung des Impfstoffs dauere eine Woche, heißt es vom Unternehmen. Qualitätskontrolle und Freigabe benötigten dann weitere drei Wochen.
Wo werden die Impfungen gemacht?
In der Anfangsphase in regionalen Impfzentren, die von den Ländern eingerichtet und betrieben werden. Eine Kühlung von minus 70 Grad ist nicht in jeder Arztpraxis möglich. Bis zu 442 Impfzentren sollen deutschlandweit zur Verfügung stehen. Zehntausende Ärztinnen und Ärzte sowie weitere Helfer haben sich für Einsätze gemeldet. Mobile Impfteams sollen etwa in Pflegeheime und Krankenhäuser gehen. Spahn stellte die Bürger auf Anlaufschwierigkeiten ein: "Es wird am Anfang ruckeln", sagte er in der ARD. Beim Hochfahren der Impfzentren werde es darauf ankommen, miteinander zu lernen.
Was ist mit den anderen Impfstoffen?
Über das Präparat von Moderna will die EMA bis zum 6. Januar entscheiden. Neben den 300 Millionen Biontech-Dosen hat sich die EU auch 160 Millionen von Moderna gesichert. Bei Astrazeneca (400 Mio. Dosen) und Janssen Pharmaceutica (Dosen für 400 Mio. Menschen) hat die EMA ihre Prüfungen begonnen. Daneben hat die EU-Kommission Verträge mit Sanofi-GSK (300 Mio. Dosen) und Curevac (405 Mio.); mit Novavax (200 Mio.) ist Brüssel in Gesprächen. Die Impfstoffe werden unter den Mitgliedsstaaten nach Bevölkerungsanteil verteilt.
Wie wird geimpft?
Im Abstand von drei Wochen erhält jeder Patient jeweils eine Dosis in den Oberarm - genauer gesagt in den Deltamuskel. "Er könnte im Prinzip in jeden Muskel gespritzt werden, aber die Stelle am Arm ist eben gut zugänglich", sagt der Rostocker Virologie-Professor Andreas Podbielski. Der Wirkstoff bleibt für einige Stunden im Muskel und der Körper hat so Zeit, ihn zu erkennen und darauf zu reagieren.
Wirkt der Impfstoff bei der neu aufgetauchten Virusvariante schlechter?
Vermutlich nicht. "Zu diesem Zeitpunkt gibt es keinen Beweis für die Annahme, dass der Impfstoff nicht gegen die neue Variante wirken könnte", sagt EMA-Direktorin Emer Cooke. Über die neue Virus-Variante müssten aber noch mehr Informationen gesammelt werden. Der Berliner Virologe Christian Drosten sagt über die Mutation: "Ich bin darüber nicht so sehr besorgt im Moment", allerdings sei er auch "in einer etwas unklaren Informationslage". Andreas Bergthaler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) in Wien, hält die derzeitige Entwicklung nicht für "wahnsinnig alarmierend". Dass Mutationen auftauchen, sei nicht ungewöhnlich, derzeit wisse man nicht, ob die beobachteten Veränderungen die Eigenschaften des Erregers überhaupt entscheidend beeinflussen.
Wer kann sich zuerst impfen lassen, wer muss am längsten warten?
Nach der Impfverordnung des Bundes sollen anfangs Ältere über 80 Jahre und Pflegeheimbewohner zum Zuge kommen können, zudem Personal etwa in Notaufnahmen oder Corona-Stationen sowie in der Altenpflege. Insgesamt umfasst diese Gruppe der Ständigen Impfkommission (Stiko) beim Robert Koch-Institut (RKI) zufolge rund 8,6 Millionen Menschen. Zu denen, die am wenigsten dringlich zu impfen sind, gehören im Allgemeinen Menschen unter 60 Jahre, die weder Vorerkrankungen haben, noch mit Risikopatienten in Kontakt kommen oder berufsbedingt viele Menschen treffen. Das entspricht etwa 45 Millionen Menschen.
Wie kommt man zu einer Impfung?
Das ist nur mit Termin möglich, allerdings gibt es in Deutschland einen Flickenteppich. Denn die Terminvergabe regeln die Bundesländer. In Baden-Württemberg zum Beispiel ist geplant, dass neben einer App die telefonische Anmeldung über die bundesweit einheitliche Nummer 116117 oder auch direkt in größeren Impfzentren erfolgen kann. Niedersachsen wiederum hat eine landeseigene Hotline. Manche Länder schreiben ihre Bürger auch direkt an.
Ab wann gibt es Massenimpfungen?
In den ersten Wochen werden vorerst nur begrenzte Mengen an Dosen verfügbar sein. Die Impfzentren dürften daher zunächst nicht unter Volllast fahren. In welchem Maße die Standorte hochgefahren werden, hängt von den Ländern ab. Gesundheitsminister Spahn rechnet mit genug Impfstoff für Massenimpfungen im kommenden Sommer. Impfungen sollen dann auch von Impfzentren an normale Praxen in der Fläche übergehen.
Wie viele Menschen könnten täglich geimpft werden?
Auch das hängt vom Bundesland ab. Bayern und Hessen peilen in den Zentren bis zu 30.000 Impfungen am Tag an. In Berlin sollen es bis zu 20.000 werden. Hamburg und Rheinland-Pfalz planen rund 7.000. Ein Rechenbeispiel mit deutschlandweit täglich 150.000 Impfungen: Weil jeder mit dem Biontech-Serum zweimal gepikst werden muss, dauerte es etwa zwei Monate, bis 4,3 Millionen Menschen vollständig gegen Sars-CoV-2 geimpft wären. Das entspräche etwa der Hälfte derjenigen, die laut Impfverordnung zuerst an der Reihe sind.
Müssen die Menschen etwas für die Impfung bezahlen?
Nein. Sie soll gratis sein, egal ob und wie jemand versichert ist. Die Kosten für die Impfstoffe übernimmt der Bund. Dafür stehen im Etat 2021 zunächst 2,7 Milliarden Euro bereit. Die Kosten rund um die Impfungen insgesamt taxiert Spahn auf bis zu sechs Milliarden Euro.
Werde ich nach der Impfung tatsächlich immun sein?
Eine erste Impfung bringt dem PEI-Präsidenten Klaus Cichutek zufolge eine Grundimmunisierung. Nach drei bis vier Wochen erfolgt eine zweite Impfung. Voraussichtlich zwei bis drei Wochen danach sei voller Schutz aufgebaut. Den bisherigen Analysen und Tests zufolge schützt das Biontech-Serum wohl mit 95-prozentiger Wirkung vor einer COVID-19-Erkrankung.
Ist mit Nebenwirkungen zu rechnen?
Müdigkeit, Kopfweh, Schmerzen an der Einstichstelle - auf mögliche, übliche Impf-Nebenwirkungen muss man sich einstellen. Das geht aus einer jüngst im "New England Journal of Medicine" veröffentlichten Studie zum Biontech-Präparat hervor. Für die Studie wurden knapp 45.000 Männer und Frauen untersucht. Weitere Symptome: Schüttelfrost, Durchfall oder Muskel- und Gliederschmerzen, teilweise auch Fieber. Diese waren im Allgemeinen schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit wieder ab. Nicht angenehm, aber auch kein Anlass für größere Bedenken, sagen Impfexperten.
Wie werden etwaige Nebenwirkungen überwacht?
Die Verträglichkeit des Impfstoffs wird auch nach der Zulassung weiter überprüft. Dafür setzt das zuständige Paul-Ehrlich-Institut auf Meldungen von Herstellern, Ärzten, aber auch von Patienten. Der einfachste Weg führt über die Plattform "nebenwirkungen.bund.de". Über eine Melde-App soll es zudem eine Beobachtungsstudie geben. Wer mitmacht, werde "mehrfach kontaktiert und um Angaben zu möglichen Reaktionen gebeten", teilte eine PEI-Sprecherin der dpa mit.
Können Geimpfte andere mit dem Coronavirus anstecken?
Möglich, aber weniger wahrscheinlich. PEI-Präsident Cichutek zufolge kann man sich auch nach einer Impfung noch anstecken - das Risiko sei aber deutlich reduziert. Das gilt auch für die Weitergabe von Viren. Zu einem letzten Urteil ist die Forschung hier noch nicht gekommen. Experten gehen davon aus, dass es noch leichte Corona-Symptome geben könne, aber keine schweren Krankheitsverläufe mehr. Auf jeden Fall wird dazu geraten, auch nach der Impfung weiter Abstand zu halten, Hände zu waschen und Mund-Nasen-Bedeckungen zu tragen.
Wird es eine Impfpflicht geben?
Nein. Eine allgemeine Impfpflicht hat die Bundesregierung klar ausgeschlossen. Auch für Berufsgruppen in Medizin und Pflege steht sie bisher nicht zur Debatte. Der Gießener Jura-Professor Steffen Augsberg, Mitglied im Deutschen Ethikrat, wollte ein solches Vorgehen in einem Interview des SWR aber nicht ausschließen: Wenn sich mit anderen Maßnahmen das Infektionsgeschehen zum Beispiel auf Intensivstationen nicht in den Griff bekommen lasse, "dann kann man darüber nachdenken, ob es insoweit eine bereichsbezogene Impfpflicht geben kann". Eine solche Option liege aber in weiter Ferne.
Und was ist mit einer Impfpflicht durch die Hintertür?
Manche befürchten, dass sie ohne eine Corona-Impfung nicht mehr vollständig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können, weil etwa Geschäfte oder Restaurants den Zutritt ohne Nachweis einer Immunität verwehren. Mit Blick auf private Besitzer und Veranstalter sagte Andrea Kießling, Expertin für Infektionsschutzrecht an der Ruhr-Uni Bochum, dem SWR: "Wir können die nicht zwingen, dass sie auch mit Ungeimpften Geschäfte machen." Umstritten bleibt zunächst, ob und wie etwa Restaurantbetreiber eine Immunität kontrollieren könnten. Jurist Augsberg hält "die bloße Variante, dass ich vorzeige, dass ich zum Beispiel geimpft bin, ohne dass das in weiterer Form überprüft oder mir zugeordnet wird", für unproblematisch.
Ab welcher Zahl werden genug Menschen in Deutschland geimpft sein?
Um die Pandemie zu stoppen, müssten nach Schätzung von Experten etwa 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung geimpft werden. Das wären in Deutschland bis zu 58 Millionen Menschen. Laut Gesundheitsministerium sind für die zwei Präparate von Biontech und Moderna 136,3 Millionen Dosen sicher, die nahezu alle 2021 geliefert werden könnten. Damit ließen sich rechnerisch 68,2 Millionen Bürger impfen. Ob man sich auch nach einer überstandenen Corona-Infektion später zusätzlich impfen lassen sollte, wird noch wissenschaftlich erforscht.
Wie viele Menschen wollen sich überhaupt impfen lassen?
Regelmäßige Umfragen der Universität Erfurt zeigen: Die Bereitschaft dazu ist in Deutschland in den vergangenen Monaten stetig gesunken. Mitte April zeigten sich noch 79 Prozent der Befragten (eher) bereit, sich quasi unmittelbar impfen zu lassen, sobald die Möglichkeit besteht. Mitte Dezember waren es nur noch 48 Prozent. (Sebastian Fischer/dpa/ash)
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