- Seit Ende Dezember wird in Deutschland gegen COVID-19 geimpft.
- Viele Bürger haben jedoch Bedenken, sich mit den verfügbaren Impfstoffen impfen zu lassen.
- Fünf Gründe, die diese Sorgen nehmen können.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt allen Menschen, denen es möglich ist, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen. Bei manch einem sind die Vorbehalte gegen eine Impfung jedoch größer als die Sorge, an der Virusinfektion zu erkranken.
Anfang Dezember – also vor der Zulassung des ersten Corona-Impfstoffs – lag die Impfbereitschaft in der deutschen Bevölkerung bei nur gut 48 Prozent. Seitdem die ersten Impfstoffe von Moderna und Biontech zugelassen wurden, nimmt die Impfbereitschaft der Bundesbürger jedoch etwas zu.
Aktuell würden sich 61 Prozent (eher) gegen COVID-19 impfen lassen. Das geht aus einer Auswertung des COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO) hervor, einem Gemeinschaftsprojekt der Universität Erfurt, des Robert-Koch-Instituts, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, des Leibniz-Instituts für Psychologie, des Science Media Center, des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin sowie des Yale Institute for Global Health.
In der Altersgruppe der 44- bis 88-Jährigen liegt die Bereitschaft, sich wahrscheinlich impfen zu lassen, immerhin bei rund 87 Prozent. Das geht aus den Zahlen der "Gutenberg COVID-19 Studie" hervor, einer groß angelegten Bevölkerungsstudie der Mainzer Universitätsmedizin, die auch die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie untersucht.
Trotz Zunahme der allgemeinen Impfbereitschaft: Zweifler stoßen sich an der Sicherheit der Impfung und am straffen Zeitplan der Entwicklung, den fehlenden Langzeitstudien sowie dem Mangel an Kommunikation über Nebenwirkungen.
Verunsichernde Theorien halten sich oft hartnäckig und selbst einige unvoreingenommene Personen fürchten Risiken, die sie bei länger erforschten beziehungsweise entwickelten Impfstoffen nicht sehen.
Wir liefern Ihnen fünf Argumente, die Ihnen vielleicht einige Bedenken nehmen können.
1. Gleich hohe Qualitätsstandards bei allen Impfstoffentwicklungen
Die Bundesregierung stellt klar, dass bei den Corona-Impfstoffen die gleichen hohen Qualitätsstandards gelten wie bei anderen Impfstoffentwicklungen. Im Gegensatz zu Großbritannien, das eine Impfung gegen Corona per Eilzulassung bereits Mitte Dezember genehmigt hat, muss in Europa eine Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA erfolgen und keine der drei für eine Impfstoff-Zulassung notwendigen Prüfphasen darf übersprungen werden. Weil Großbritannien nicht mehr zur EU gehört, konnte dort ein Sonderweg beschritten werden.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das in Deutschland die Prozesse der Prüfung und Bewertung von Impfstoffen überwacht, bestätigt in einer Stellungnahme, dass nur Impfstoffe eine Zulassung erhalten, deren Nutzen eindeutig die Risiken überwiegen.
Zudem werde jeder Impfstoff auch nach der Zulassung weiter streng kontrolliert und bewertet, um seltene Nebenwirkungen zu erfassen.
2. Das Rolling-Review-Verfahren erspart Zeit
Tatsächlich hat noch nie ein Impfstoff in Europa so schnell das Zulassungsverfahren durchlaufen wie die Impfstoffe gegen COVID-19. Normalerweise wird ein neuer Impfstoff über Jahre an unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und in verschiedenen Dosen getestet. Die Probanden werden über längere Zeiträume nachbeobachtet.
Es ist nachvollziehbar, dass sich Menschen fragen, ob die COVID-19-Impfstoffe genauso sicher sind, wo sie doch in Rekordzeit auf den Markt gebracht wurden.
Biontech und Pfizer haben ihren Stoff in sehr groß angelegten Studien mit mehr als 40.000 Teilnehmern gründlich getestet. Dass es bei den Corona-Impfstoffen so schnell zu Zulassungen gekommen ist, liegt auch daran, dass noch nie so viel Geld in eine Impfstoffentwicklung investiert wurde und man bereits auf einiges Know-how zurückgreifen konnte.
Laut EMA ergibt sich die Zeitersparnis auch daraus, dass ein sogenanntes Rolling-Review-Verfahren angewandt wird. Dabei beginnt die Behörde bereits mit ihrer Prüfung, bevor die Studien der Hersteller abgeschlossen sind.
Die Hersteller übermitteln der EMA ihre Ergebnisse also laufend, damit diese ihre Kontrolle nach und nach durchführen und so relativ schnell nach Abschluss der Untersuchungen zu einem Urteil kommen kann. Das machte das Verfahren schneller, aber nicht unsicherer: "Ein Rolling-Review und ein beschleunigtes Bewertungsverfahren bedeuten nicht, dass es Abstriche hinsichtlich der Sorgfalt bei der Prüfung geben wird", schreibt das für Impfstoffe und Arzneimittel zuständige Paul-Ehrlich-Institut.
3. mRNA-Technologie ist nicht neu, aber zukunftsweisend
Immer wieder ist die Rede davon, dass es sich bei der Corona-Impfung auf mRNA-Basis um eine neue Form des Impfstoffs handelt und tatsächlich findet diese Impfmethode zum ersten Mal bei einer Infektion Anwendung. Jedoch wird bereits seit rund drei Jahrzehnten am therapeutischen Einsatz von mRNA geforscht.
Auch in der Krebsmedizin ist dieses Verfahren in der Erprobung. Die Unternehmen Biontech in Mainz und CureVac in Tübingen erforschen den Ansatz gegen Tumore schon seit Jahren.
In der Vergangenheit wurden bereits mRNA-Impfstoffe entwickelt, die in klinischen Studien untersucht wurden. CureVac etwa testete schon einen mRNA-basierten Tollwut-Impfstoff an Menschen.
Die Plattform-Technologie für die Entwicklung der Impfstoffe gab es also schon zuvor, es musste nur noch die Schablone an das Genom des neuen Coronavirus angepasst werden. Als die Gensequenz von SARS-CoV-2 bekannt wurde, dauerte es deshalb nur wenige Wochen, bis der erste mRNA-Impfstoff die klinische Phase I erreicht hatte.
Das mRNA-Verfahren setzt einen Schritt früher an als andere Impfungen. RNA-Impfstoffe bestehen meist aus sogenannter Messenger-RNA (mRNA), die eine Art Bauanleitung für Antigene enthält. Gelangt dieser Bauplan in eine menschliche Zelle, produziert diese die nötigen Proteine, was wiederum die gewünschte Abwehrreaktion des Körpers auslöst.
Die Sorge, dass der Impfstoff das Erbgut verändert, ist unbegründet. Laut Paul-Ehrlich-Institut haben mRNA und DNA eine unterschiedliche chemische Struktur, weshalb ein Eindringen von mRNA in das menschliche Erbgut in der Regel ausgeschlossen ist. Zudem ist die mRNA nach kurzer Zeit vollständig abgebaut.
4. Langzeit-Nebenwirkungen sind bei Impfstoffen nicht bekannt
Viele wollen sich nicht gegen Corona impfen lassen, weil sie Spätfolgen fürchten. Doch Experten geben diesbezüglich Entwarnung: Bei Impfungen sind generell keine Langzeit-Nebenwirkungen bekannt.
Meistens treten Nebenwirkungen von Impfungen innerhalb weniger Stunden oder Tage auf. In seltenen Fällen auch mal nach Wochen.
Der Begriff Langzeitschäden in Zusammenhang mit Impfungen wird oft missverständlich interpretiert. Spätfolgen aufgrund von Impfungen können vorkommen, aber nicht, weil die Erkrankungen erst Jahre später aufgetreten sind, sondern weil es – oftmals aufgrund der Seltenheit des Auftretens – viel länger dauert, bis man überhaupt einen gesicherten Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Krankheitsfällen herstellen kann, weil erst dann genügend Personen geimpft waren. Mehr darüber lesen Sie in folgendem Artikel:
Auch die Bestandteile der mRNA-Impfstoffe werden im Körper schnell nach der Impfung abgebaut.
Daten des RKI deuten darauf hin, dass die mRNA nach etwa 50 Stunden im Körper nicht mehr nachweisbar ist.
In den Tests des Impfstoffs von Biontech/Pfizer gab es nur geringe Nebenwirkungen. Bei Probanden in Studien traten teilweise die üblichen Impfnebenwirkungen auf wie Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit oder Kopfschmerzen.
Solche Symptome zeigen an, dass sich der Körper mit dem Impfstoff aktiv auseinandersetzt und einen wirksamen Schutz gegen den Erreger aufbaut. Die Nebenwirkungen waren der Studie zufolge im Allgemeinen schwach bis mäßig und klangen nach kurzer Zeit wieder ab.
Grundsätzlich lassen sich Nebenwirkungen beim Impfen nicht ausschließen. Auch etablierte Impfstoffe haben Nebenwirkungen. Wichtig ist, diese genau zu kennen. Für Deutschland erfasst das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) nach der Zulassung eines Impfstoffs zentral alle Nebenwirkungen und Impfreaktionen – unabhängig vom Hersteller.
Lesen Sie auch: Alle aktuellen Informationen rund um die Corona-Pandemie in unserem Live-Blog
5. Impfschutz (teilweise) auch bei Mutationen
Dass sich das SARS-COV-2 Virus verändern würde, war für Expertinnen und Experten vorhersehbar. Jedes Virus mutiert, manche schneller, manche langsamer.
Innerhalb weniger Wochen tauchten in schneller Folge plötzlich Virusvarianten auf. Eine davon, B.1.1.7, traf Großbritannien, eine weitere, B.1.351, Südafrika.
Weil die Mutationen Bereiche des Virus verändern, an denen das Immunsystem Genesener den Eindringling erkennt, steht die Befürchtung im Raum, dass Impfstoffe ihre Wirkung verlieren. Eine Studie, die das nationalen Gesundheitsinstituts der USA (NIH) zusammen mit der Universität von Texas durchgeführt hat, zeigt jedoch, dass die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna auch gegen die in Großbritannien und Südafrika nachgewiesenen Mutationen des Coronavirus wirken. Das geht aus einer Pressemitteilung von Biontech hervor.
Allerdings stellten die Unternehmen auch fest, dass Geimpfte gegen die Variante aus Südafrika offenbar eine schwächere Immunantwort aufbauen. Die Hersteller beobachten die Entwicklung sehr genau. Doch selbst wenn die Impfstoffe am Ende nicht mehr zu 100 Prozent schützen, so gibt es die begründete Hoffnung, dass sie immer noch einen schweren Verlauf verhindern können.
Außerdem haben mRNA-Impfstoffen wie die von Biontech oder Moderna einen großen Vorteil: Sie können relativ schnell angepasst werden.
Der Impfstoff an sich bleibt der gleiche, es werden nur einzelne Bausteine im genetischen Code ausgetauscht. Ein Neuzulassungsverfahren wäre dann voraussichtlich nicht notwendig, höchstens klinische Studien.
Bei dem klassischen Vektorimpfstoff von AstraZeneca ist die Anpassung etwas komplexer. Dafür ist der Impfstoff einfacher zu produzieren.
AstraZeneca hat dazu den genetischen Bauplan eines typischen Sars-CoV-2-Proteins in ein für den Menschen harmloses Schimpansenvirus integriert. Das Virus transportiert den Bauplan in menschliche Zellen, die das Spike-Protein des Virus herstellen. Der Körper entwickelt dann Antikörper dagegen.
Der Impfstoff von AstraZeneca schützt laut einer vorveröffentlichen Studie der Universität Oxford auch dann vor COVIDd-19, wenn es durch die aggressivere Variante B.1.1.7 ausgelöst wird. Gegen die in Südafrika verbreitete Corona-Variante B.1.351 allerdings bietet der AstraZeneca-Impfstoff nach neuesten Informationen offenbar weniger Schutz.
Einen Pluspunkt sammelt das Vakzin von AstraZeneca laut ersten Daten des Herstellers, die bei den anderen Impfstoffen noch nicht vorliegen: Offenbar reduziert das Oxford-Vakzin auch die Übertragung. Wer damit geimpft ist, trägt eine geringere Viruslast mit sich und kann das Virus entsprechend seltener weitertragen.
Noch offene Fragen
Dennoch gilt für alle bisher zugelassenen Impfungen: Wie lange der Impfschutz anhält, ob er auch bei weiteren Virusmutationen ausreichend Schutz bietet und ob man sich trotzdem noch mit COVID-19 anstecken kann, ist nicht abschließend geklärt.
Weitere Studien sind zudem notwendig, um die Sicherheit und Effektivität der Vakzine bei bestimmten Personengruppen zu prüfen. So weiß man beispielsweise nicht, wie der Impfstoff bei schwangeren oder stillenden Frauen wirkt, weil diese in den Studien ausgeschlossen wurden. Dasselbe gilt für immunsupprimierte Patienten und Kinder unter zwölf Jahren beziehungsweise unter 18 Jahren (im Falle von mRNA-1273, des Impfstoffes von Moderna).
Gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) hat das Paul-Ehrlich-Institut übrigens eine Liste von Fragen und Antworten erarbeitet. Dort wird auf die wichtigsten Bedenken von Menschen, die einer Impfung oder dem Impfen grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen, eingegangen.
Verwendete Quellen:
- ema.europa.eu: EMA COVID-19 vaccine safety
- ema.europa.eu: EMA COVID-19 Safety Update
- investors.biontech.de: Pressemeldung Biontech
- rki.de: RKI und PE – Antworten zu den 20 häufigsten Einwänden gegen das Impfen
- rki.de: COVID-19 und Impfen RKI
- COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO)
- zusammengegencorona.de: Bundesministerium für Gesundheit (BMG) So sicher ist die Corona-Schutzimpfung
- Gutenberg COVID-19 Studie der Uni Mainz
- Universität Oxford
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