Mit leicht krächzender Stimme spricht ein wieder genesener Christian Drosten im aktuellen NDR-Podcast über Tests an seinem Institut, beschleunigte Impfstoffverfahren, Versuchstiere und Gruppen, die man als erste impfen sollte.
Der Mann, der uns seit Wochen das Coronavirus erklärt, ist weitgehend wiederhergestellt, seine Nasennebenhöhlenentzündung scheint durchgestanden. Und so stand
Eingangs wollte Hennig vom Experten wissen, ob an dessen Virologie-Institut an der Charité in Berlin eigentlich engmaschig getestet werde. "Wir machen jeden Tag Tests von Mitarbeitern. Ich selbst bin im Verlauf meiner Erkältung zweimal negativ getestet worden", so Drosten, der gleich danach zum großen Thema Impfstoff überging.
Rascher zum Impfstoff mittels bekannter Impfstoffträger
Weltweit will derzeit jeder wissen, wann endlich der erste Impfstoff auf den Markt kommt. Und vor allem, ob dies im aktuellen Falle ob der globalen Problematik nicht auch rascher gehen könnte als gewöhnlich. "Eine Abkürzung ist nicht nur denkbar, sondern auch längst vorgesehen", sagte Drosten.
Bereits bekannte und benutzte Impfstoffträger seien hierfür notwendig, von denen man weiß, dass sie gut funktionieren. "Bei diesen Impfstoffträgern kennt man von anderen Erkrankungen bereits sehr viele Sicherheitsdaten. Man weiß etwa genau, wie Versuchstiere darauf reagieren, die Grundlösung des Impfstoffes vertragen wird et cetera – all diese Dinge sind hier bereits geklärt." Als Beispiel für einen solchen Impfstoffträger nannte Drosten etwa das Modiefied-Vaccinia-Ankara (MVA) – eine Virusvariante, mit der einst gegen die Pocken angekämpft wurde.
Nicht so einfach: Impftests an Freiwilligen
Impfstoffe im Vorfeld einer Zulassung in einer Gruppe von gesunden Freiwilligen einfach mal so auszutesten, sei laut Drosten nicht so einfach. "Man kann ja nicht irgendwem ein Laborvirus einfach so in den Hals geben, damit er sich infiziert. Die Frage ist ja: Wie viel Virus ist das eigentlich in der natürlichen Infektion? Diese Belastungsinfektion, die man von Tierversuchen kennt, lässt sich nicht so einfach auf den Menschen übertragen. Man weiß ja gar nicht, wie sich der normale Patient natürlicherweise – also draußen – mit dem Virus infiziert." Um ein gutes Tiermodel würde man dem Experten zufolge daher nicht vorbeikommen.
Ethisch schwierig: Versuche mit Primaten
Dennoch: Nicht jedes gute Tiermodel ist automatisch auch ein gutes Impfmodell. Der Experte erklärte, warum: "Das Immunsystem der Tiere unterscheidet sich zum Teil von jenem des Menschen. Häufig ist das Krankheitsbild bei den Versuchstieren gar nicht ausgeprägt." Das Virus sehe man zwar, aber die Tiere würden gar nicht krank. "Daher muss man sich das schon sehr genau ansehen", sagte der Experte, der auch noch eine ethisch schwierige Variante ins Spiel brachte: Versuche mit Primaten.
Man mache natürlich keine Versuche mit Menschenaffen, aber mit Makaken beziehungsweise Rhesusaffen in sehr limitierter Art und Weise schon. Ab einem gewissen Zeitpunkt würde man diese Versuche brauchen.
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Äußerst effektiv: Das Impfen von medizinischem Personal
Möglicherweise wird es auch einen Impfstoff geben, der schneller zur Verfügung steht, aber vielleicht nicht sofort in der breiten Masse, sondern zunächst nur in bestimmten Gruppen verimpft werden kann – etwa unter Klinikpersonal. Drosten: "Ja, das könnte so eine bevorzugt zu beimpfende Gruppe sein. Denn am Anfang, wenn die ersten Impfstoffe verfügbar sind, muss man vielleicht mit wenig Impfstoff einen hohen Effekt in der Bevölkerung erzielen. Und das Impfen von medizinischem Personal hat den allerhöchsten Effekt, um zu verhindern, dass es ausfällt. Das ist wichtig und versteht jeder."
Bei älteren Menschen gebe es ein Problem. "Die brauchen für die gleiche Immunantwort mehr Impfstoff, also eine höhere Dosis", erklärte Drosten im Podcast. Vor dem Hintergrund einer (noch) limitierten Impfstoff-Produktion sei dies aber problematisch. "Lässt sich auf diese Weise der Bevölkerungsschutz signifikant anheben und die Pandemie früher zum Stoppen bringen?", so die rhetorische Frage des Virologen. All das seien Überlegungen, die man für jeden spezifischen Impfstoff anstellen müsse.
Impfstoffstudien müssen geschützt werden
Abschließend ging es im NDR-Podcast noch um die Themen Herstellung und Betriebsgeheimnisse in der Industrie. "Die Impfstoffe werden in der Industrie hergestellt. Die Vorstellung, dass eine Uniklinik diese produzieren würde, ist falsch", räumte der Virologe zunächst mit einem weit verbreiteten Irrglauben auf. Und natürlich gebe es dort auch Betriebsgeheimnisse. "Wenngleich die Unternehmen schon ziemlich genau wissen, wie die anderen Firmen ihren Impfstoff herstellen. Es ist aber so, dass die Inhalte der Studien bis zu einem gewissen Zeitpunkt vor einer Fehlinterpretation geschützt werden müssen", erklärte Drosten. Das sei vor allem deshalb wichtig, da sonst eine Entwicklung Gefahr laufen könnte, frühzeitig gestoppt zu werden.
Erster Impfstoff vielleicht im Frühling 2021
Eines ist für Christian Drosten unbestritten: "Die wirkliche Entlastung der aktuellen Situation kommt durch einen Impfstoff." Zu den medialen Gerüchten, in China gebe es bereits einen, für den schon die klinische Erprobung laufe, wollte sich der Experte nur so weit äußern: "Hier bin ich vollkommen ratlos – auch Kollegen meinten, sie könnten dazu noch nichts sagen."
In jedem Fall erwartet der Virologe innerhalb von einem bis eineinhalb Jahren die erste zugelassene Vakzine, also den ersten Impfstoff – quasi nächstes Jahr im Frühling oder Sommer. "Ich kann Ihnen versichern, dass alle extrem bemüht sind und sich darüber austauschen, wo sich noch Zeit gewinnen lässt", so Christian Drosten am Ende des Podcasts.
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