Freunde, Feste, Familientreffen: Das Privatleben ist nach Angaben des Robert-Koch-Instituts zurzeit der Hauptgrund für den rasanten Anstieg der Corona-Infektionszahlen. Ist ein Umsteuern noch möglich?
Die dramatisch steigenden Corona-Infektionszahlen hängen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) vorwiegend mit Ansteckungen im privaten Bereich zusammen.
Es gehe vorwiegend um Feiern, Treffen mit Freunden oder der Familie, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. Das Geschehen steigere sich drastisch und sei in einigen deutschen Regionen bereits unkontrollierbar. Es müsse davon ausgegangen werden, dass es wieder mehr schwere Fälle und Tote geben werde.
Wieler: Situation in Deutschland "sehr ernst"
Die Corona-Situation in Deutschland sei "sehr ernst", sagte Wieler weiter. Es bestehe jedoch die Chance, die weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. "Wir sind nicht machtlos", sagte er mit Blick auf das Verhalten aller Bürger. Wieler appellierte erneut, die Corona-Regeln wie Hygiene und Abstandhalten einzuhalten, und sprach sich auch dafür aus, bei Treffen in Innenräumen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
Die Fallzahlen stiegen seit Anfang September und auch "immer schneller". Es sei ein "sehr dynamisches Geschehen". Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Neuinfektionen ist innerhalb eines Tages in Deutschland erneut stark gestiegen und hat am Donnerstag erstmals den Wert von 10.000 überschritten. Die neuen Werte spiegeln das Infektionsgeschehen der vergangenen Wochen wider, nicht die aktuelle Lage.
Zahl der Patienten auf Intensivstationen verdoppelt
Momentan seien noch immer eher jüngere Menschen betroffen, sagte der RKI-Präsident. Es gebe deshalb mehr leichte Erkrankungen. Es steige aber der Anteil bei älteren Menschen; auch die Zahl der COVID-19-Patienten in Krankenhäusern wachse. Die Zahl der Patienten auf Intensivstationen habe sich innerhalb von zwei Wochen auf 943 verdoppelt. "Wir müssen davon ausgehen, dass die Zahl der schweren Fälle zunimmt."
Der Anteil der positiven Resultate an allen Corona-Tests steigt nach Angaben des RKI-Chefs ebenfalls wieder. Sie habe zu Beginn der Pandemie bei neun Prozent gelegen, sei im Sommer auf ein Prozent gesunken und liege jetzt bei drei Prozent.
Kaum Ansteckungen im Nahverkehr, in Schulen und Hotels
Anders als bei privaten Feiern, wo Menschen zusammen kommen und eine starke Interaktion etwa durch lautes Sprechen oder Lachen stattfinde, spielen Infektionen im öffentlichen Nahverkehr nur eine geringe Rolle. Auch Ausbrüche in Schulen und Hotels seien nicht sehr häufig.
Wieler sprach sich für mehr Einheitlichkeit bei den Maßnahmen in der Coronakrise aus. So solle eine Obergrenze für die Teilnahme an Zusammenkünfte definiert werden. Ausdrücklich verteidigte der RKI-Präsident die in Deutschland angewandte Strategie aus Eindämmung, dem Schutz besonders gefährdeter Gruppen und der Milderung der Krankheit durch inzwischen verbesserte Behandlungsmöglichkeiten.
Den Vorschlag, einen Strategiewechsel vorzunehmen und sich stärker auf den Schutz der Risikogruppen zu konzentrieren, lehnte Wieler ab. In einer demokratischen Gesellschaft sei es nicht möglich, bestimmte Gruppen vom gesellschaftlichen Leben auszuschließen. "Unser Land ist mit dieser Strategie gut gefahren", verteidigte Wieler das bisherige Vorgehen. Und auch wenn die Gesundheitsämter inzwischen die Infektionsketten nicht immer nachvollziehen könnten, solle das so oft wie möglich gemacht werden. (afp/dpa/mf)
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