In England haben am Samstag die Pubs nach langer Corona-Pause wieder ihre Türen für Gäste geöffnet. Die Polizei zeigt sich insgesamt zufrieden, doch aus mehreren Städten war von Verletzungen der Hygiene- und Abstandsregelungen zum Schutz vor Corona zu hören.
Die Wiedereröffnung der Pubs in England hat so manchen Feiernden über die Stränge schlagen lassen. Im beliebten Londoner Ausgehviertel Soho füllten am Samstagabend Menschenmassen die Straßen und hinderten teilweise die Autos am Durchkommen, wie ein AFP-Fotograf berichtete. Betrunkene taumelten und stürzten übereinander, einige tanzten nackt vor den Autos.
Nach mehr als drei Monaten Corona-bedingter Schließung hatten in England am Samstag Pubs und Restaurants wieder geöffnet. Mit rund 44.000 Corona-Toten ist Großbritannien das am stärksten von der Pandemie betroffene Land in Europa. Die Infektionsraten gingen zuletzt jedoch zurück.
Die Lockerung gilt vorerst nur in England und Nordirland. In Schottland und Wales müssen sich die Menschen noch gedulden, bevor sie wieder in den Pub gehen können. In Großbritannien legt jeder Landesteil seine eigenen Maßnahmen in der Coronavirus-Pandemie fest.
"Nackte Männer, glückliche Betrunkene, wütende Betrunkene, Auseinandersetzungen und noch mehr wütende Betrunkene"
Bereits gegen Mittag seien die ersten Ausgehfreudigen eingetroffen, "und dann geriet schnell alles außer Kontrolle", erzählte Rafal Liszewski, die in einer Boutique in Soho arbeitet, der Nachrichtenagentur PA. Am Abend sei es in "eine regelrechte Straßenparty" ausgeartet. Niemand habe eine Maske getragen und es sei "physisch unmöglich" gewesen, Abstand zu halten.
Auch andernorts kam es zu zahlreichen Störungen durch Betrunkene. Der Chef der Polizeigewerkschaft Police Federation, John Apter, beobachtete bei seiner Schicht in Southampton "nackte Männer, glückliche Betrunkene, wütende Betrunkene, Auseinandersetzungen und noch mehr wütende Betrunkene". Es sei "kristallklar", dass betrunkene Menschen die Distanzregeln nicht einhielten, sagte Apter der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge.
Pubs in Teilen Englands werden regelrecht überrannt
Mehrere Kneipen in der mittelenglischen Grafschaft Nottinghamshire hätten auf eigene Veranlassung wieder geschlossen, teilte die Polizei in der Nacht zum Sonntag mit. Vier Menschen waren dort zuvor wegen Störungen der öffentlichen Ordnung festgenommen worden. Die Polizei selbst habe aber keine Pub-Schließungen veranlasst, hieß es. Die Mehrheit der Feiernden habe sich verantwortungsvoll verhalten.
In Devon und Cornwall wurden fast tausend Fälle von "Störungen und unsozialem Verhalten im Zusammenhang mit Alkohol" registriert. In London und in Cleveland wurden wegen nicht genehmigter Raves dutzende Menschen festgenommen. Mehrere Pubs wurden regelrecht überrannt und mussten schließen.
Gesundheitsminister Matt Hancock zog im Gespräch mit dem Sender Sky News dennoch ein positives Fazit. "Nach allem, was ich gesehen habe, haben sich die Menschen weitestgehend verantwortungsbewusst verhalten - obwohl es einige Bilder gibt, die das Gegenteil zeigen." Auch die Londoner Polizei erklärte, die Mehrheit habe sich an die Abstandsregeln gehalten.
Prinz William zischt ein Cider
Der erste, der sich ein Pint gegönnt hatte, war offenbar Prinz William. Der 38 Jahre alte Enkel von Queen Elizabeth II. (94) besuchte bereits am Freitagabend einen Pub in der ostenglischen Grafschaft Norfolk in der Nähe seines Landsitzes Anmer Hall.
Er habe sich bei den Mitarbeitern erkundigt, wie sie sich mit den neuen Umständen arrangiert haben, hieß es dazu in einer Twitter-Mitteilung des Kensington-Palasts. Nebenbei ließ sich der Zweite in der britischen Thronfolge aber auch ein Pint servieren, wie auf Fotos zu sehen war. Es habe sich dabei um Cider gehandelt, berichtete die britischen Nachrichtenagentur PA. "Ich bin ein Cider-Mann", sagte William demnach über seine Apfelweinvorliebe.
Die Regierung hatte die Öffnung der Kneipen erst für die frühen Morgenstunden am Samstag angesetzt, um zu verhindern, dass die Menschen noch in der Nacht zu den Pubs pilgern. Es gelten Auflagen, beispielsweise müssen Pub-Besucher ihre Kontaktdaten hinterlassen. Bestellungen dürfen nur am Tisch oder per App aufgenommen werden.
Auch Restaurants, Friseure, Kinos, Museen und Bibliotheken durften ihre Türen unter Einhaltung strikter Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung wieder öffnen. Von einigen Experten wurden die Lockerungen als zu früh kritisiert. (hub/afp/dpa)
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