Donald Trump beschäftigt sich offenbar lieber mit vermeintlichem, nicht beweisbarem Wahlbetrug als mit der Coronakrise. Das Virus wütet in den USA schlimmer als je zuvor, das Land hat bereits mehr als eine Viertelmillion Tote zu beklagen. Joe Biden würde gerne den Kampf gegen die Krise aufnehmen, doch Trump legt seinem Nachfolger Steine in den Weg.
Seit seiner Wahlniederlage war
Seit seiner Niederlage gegen Joe Biden starben mehr als 11.000 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus - insgesamt hat das Land in der Pandemie mehr als eine Viertelmillion Tote zu beklagen. Doch es scheint, als habe der abgewählte Präsident jegliches Interesse daran verloren, das Land durch die Krise zu führen - oder sich mit ihr zu befassen.
Drastisches Gedankenspiel
Um zu verdeutlichen, was das bedeutet, greift der Journalist Max Boot in der "Washington Post" zu einem drastischen Gedankenspiel: "Stellen Sie sich vor, Präsident Franklin D. Roosevelt hätte im November 1942 beschlossen, sich aus dem Zweiten Weltkrieg zurückzuziehen, weil es nicht so gut lief, wie er gehofft hatte."
Seit Monaten machen Kritiker Trump für schwere Versäumnisse im Kampf gegen die Pandemie verantwortlich. Vorgeworfen wird ihm unter anderem, das Virus zu verharmlosen - auch trotz seiner eigenen COVID-19-Erkrankung im Oktober, nach der er die Amerikaner aufrief, "keine Angst" vor dem Virus zu haben. Im Wahlkampf behauptete er immer wieder, die USA hätten die Pandemie fast hinter sich. Die Fakten sprachen schon da eine andere Sprache. Am Wahltag wurden erstmals mehr als 100.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden verzeichnet. Der Tageswert lag zuletzt im Schnitt bei rund 150.000.
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Was macht Trump den ganzen Tag?
Doch auch die Eskalation der Corona-Krise bringt Trump nicht aus der Deckung. Noch immer hat er seine Niederlage gegen Joe Biden nicht eingeräumt und lässt die Tage weitgehend ohne bekannte Termine verstreichen. Seine Sprecherin Kayleigh McEnany sagte zwar am Mittwoch, der Präsident sei wegen des Virus und des Abzugs von mehreren Tausend Soldaten aus Afghanista und dem Irak schwer beschäftigt. Die Öffentlichkeit bekommt davon jedoch nicht viel mit.
Wenn sich Trump zu Corona äußert, dann im Zusammenhang mit den jüngsten Fortschritten in der Impfstoff-Entwicklung. Neue Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung kündigt er nicht an. Seit Monaten habe der amtierende Präsident zudem nicht mehr an Sitzungen der Corona-Arbeitsgruppe im Weißen Haus teilgenommen, sagte der Immunologe Anthony Fauci kürzlich.
Biden will den Kampf aufnehmen
Der gewählte US-Präsident
Am Mittwoch kam er in einer Videoschalte mit Beschäftigten im Gesundheitsbereich zusammen, um sich ihre Erfahrungen anzuhören. Mary Turner arbeitet als Krankenschwester auf einer Intensivstation im US-Staat Minnesota.
Sie schilderte, wie sie die Hand sterbender Patienten gehalten habe, die um ihre Familien geweint hätten, die sie nicht mehr hätten sehen können. Wie ihre eigenen Kollegen beatmet werden mussten und um ihr Leben kämpften.
"Wir kennen den richtigen Weg, das Virus zu bekämpfen", sagte Turner, doch die Regierung und die Arbeitgeber schützten die Arbeiter an vorderster Front nicht. Zum Beispiel gebe es immer noch nicht genügend Schutzmasken, weswegen sie trotz des erhöhten Risikos wiederverwendet werden müssten.
Biden sichtlich gerührt
Während Turner erzählte, holte Biden ein Taschentuch heraus und rieb sich damit die Augen. Mit Blick auf seine künftige Verantwortung in der Pandemie sagte Biden anschließend: "Das ist, als würde man in den Krieg ziehen, man braucht einen Oberbefehlshaber. (...) Ich werde Fehler machen, aber ich verspreche Ihnen, ich werde sie eingestehen."
Doch bis zu seiner Amtseinführung am 20. Januar sind dem Demokraten weitgehend die Hände gebunden. Trumps Weigerung, die Übergabe der Regierungsgeschäfte einzuleiten, könnte zudem den Start im Weißen Haus erschweren.
"Wenn wir uns nicht abstimmen, könnten mehr Menschen sterben", warnte Biden am Montag. In einer Krise wie der Pandemie sei die Übergabe der Amtsgeschäfte wichtiger denn je, mahnte auch Immunologe Fauci, der als Direktor der Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten fünf Regierungsübergaben miterlebt habe. "Es ist wie die Übergabe eines Staffelstabs in einem Rennen: Man will nicht, dass jemand anhält, gib ihn weiter und lass ihn loslaufen."
Die Gouverneurin von Michigan, die Demokratin Gretchen Whitmer, zeigte sich angesichts des "Machtvakuums" in Washington alarmiert. Die Gouverneure müssten nun alles Mögliche tun, um Leben zu retten, und den Rat der Gesundheitsexperten zu befolgen, sagte sie am Montag.
US-Staaten verschärfen Maßnahmen selbstständig
Viele Staaten haben ihre Corona-Auflagen inzwischen wieder verschärft. Whitmer schloss sich mit Kollegen aus anderen stark betroffenen Bundesstaaten im Mittleren Westen zusammen, um die Bevölkerung vor dem Thanksgiving-Fest kommende Woche zur Vorsicht und zum Maskentragen aufzurufen.
Das Weiße Haus sendet eine andere Botschaft. Trumps Sprecherin sagte im Streit über die Corona-Maßnahmen am Mittwoch bei Fox News, es sei nicht "die amerikanische Art", Menschen 30 Tage ins Gefängnis zu stecken, wenn man mit mehr als sechs Leuten zu Hause feiere. Sie spielte damit auf die Aussage der Gouverneurin von Oregon, Kate Brown, an, dass beim Verstoß gegen die Corona-Regeln schlimmstenfalls die Festnahme drohe. "Wir verlieren unsere Freiheit in diesem Land nicht", sagte McEnany. "Wir treffen als Individuen verantwortungsvolle Entscheidungen für die Gesundheit."
Doch mittlerweile haben auch mehrere republikanische Gouverneure Maßnahmen ergriffen, gegen die sie sich zuvor noch gesperrt hatten. In North Dakota etwa verfügte Gouverneur Doug Burgum eine Maskenpflicht und Einschränkungen für Restaurants. In West Virgina ordnete Gouverneur Jim Justice an, dass ab sofort in geschlossenen öffentlichen Räumen Masken getragen werden müssen.
Das gegensätzliche Vorgehen der politischen Lager - Beschwichtigung auf der einen Seite, strenge Maßnahmen auf der anderen - ist nicht folgenlos geblieben. Selbst Patienten, die im Sterben liegen, wollten nicht wahr haben, dass das Virus existiere, berichtete die Krankenschwester Jodi Doering, die im Bundesstaat South Dakota arbeitet, bei CNN. "Ihre letzten Worte sind: Das kann nicht sein, das ist nicht real."
Einige Patienten wollten lieber glauben, sie hätten Lungenkrebs. Auf Twitter schrieb sie, andere würden sie anschreien, "magische Medizin" fordern und sagen, dass Biden die USA ruinieren werde - all das, während sie nach Luft schnappten. © dpa
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