• Deutschland steckt mitten in der vierten Welle, die Fallzahlen schießen in die Höhe.
  • Die Zahlen ähneln denen vom vergangenen Jahr, viele Experten befürchten nun auch ähnliche Zustände wie zum Jahreswechsel 2020/21.
  • Soweit muss es allerdings nicht kommen, stehen doch in diesem Jahr ganz andere Mittel und Möglichkeiten bereit.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marco Fieber sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Zahlen sind besorgniserregend. Am Dienstagmorgen meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) am zweiten Tag in Folge einen Höchstwert bei der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz: 213,7.

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Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen – den für eine mögliche Verschärfung der Corona-Beschränkungen wichtigsten Parameter – gab das RKI mit 3,93 an (bei dem Indikator muss berücksichtigt werden, dass Krankenhausaufnahmen teils mit Verzug gemeldet werden). Der bisherige Höchstwert der Hospitalisierungs-Inzidenz lag um die Weihnachtszeit 2020 bei 15,7.

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Nach Angaben von Medizinern hat Deutschland seitdem etwa 4.000 Intensivbetten verloren. Angesichts der angespannten Corona-Lage weisen sie bereits seit Wochen auf die sich verschärfende Situation in deutschen Krankenhäusern hin – und haben wohl dabei die Situation des vergangenen Jahres im Hinterkopf.

Zur Erinnerung: Um die Jahreswende 2020/21 starben täglich etwa tausend Menschen an oder mit dem Coronavirus (derzeit sind es über hundert). In einigen Regionen stapelten sich damals die Särge in den Krematorien, Bestatter berichteten von nie dagewesenen Todeszahlen. Damit sich dieses Szenario im zweiten Jahr der Pandemie nicht wiederholt, stehen einige Gegenmaßnahmen zur Verfügung.

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1. Schnelle Entscheidungen

In der Pandemie ist Zeit (fast) alles. Je eher Gegenmaßnahmen beschlossen werden, desto besser. Denn breitet sich das Coronavirus erst einmal exponentiell aus, dann ist es kaum mehr aufzuhalten. Das Problem: Die alte Bundesregierung ist nur noch geschäftsführend im Amt, die (mögliche) neue befindet sich nach wie vor in Koalitionsverhandlungen. Beschlüsse (wie die nachfolgenden Maßnahmen) brauchen nun noch länger als sonst.

Parallel werden die Rufe nach einem altbekannten, zentralen Entscheidungsgremium in der Pandemie lauter: der Bund-Länder Konferenz. "Uns läuft die Zeit davon", sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Montagabend im MDR-Magazin "Sachsenspiegel". Ähnlich hatten sich zuvor auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Bayerns Landeschef Markus Söder (CSU) geäußert. SPD und FDP reagierten bislang zurückhaltend auf die Vorstöße.

Den Unions-Landeschefs zufolge müssten sich die Ministerpräsidenten der Länder und die Bundesregierung möglichst bald auf gemeinsame Maßnahmen verständigen. Einen Termin nennen aber sie nicht. Damit läuft die Pandemie im Moment weiter, ohne dass zentral Entscheidungen getroffen werden. Es droht wieder ein Regel-Flickenteppich.

2. Erhöhung der Impfquote

Das bisher wirksamste Gegenmittel im Kampf gegen die Pandemie ist die Impfung. Die in Deutschland verabreichten Corona-Vakzine verringern das Risiko erheblich, schwer an COVID-19 zu erkranken oder sogar daran zu sterben. Zwar können auch Geimpfte das Virus nach einer Ansteckung weiter übertragen. Studien zufolge sind sie aber weit weniger lang ansteckend.

Mehr Geimpfte bedeuten deshalb weniger COVID-19-Patienten in den Krankenhäusern und den dortigen Intensivstationen und umgekehrt mehr Kapazitäten für andere Patientengruppen.

Die zentrale Frage ist aber: Wie kann die Impfquote in Deutschland erhöht werden? Bisher sind laut RKI lediglich 67,2 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft, 56 Millionen Menschen. Politisch werden derzeit zwei Möglichkeiten diskutiert: Impfpflicht und 2G.

  • Eine allgemeine Impfpflicht wird zwar bereits seit Längerem (vor allem aus medizinischer Sicht) thematisiert, sie steht aber politisch nicht ernsthaft zur Debatte. So gibt sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) "sehr zurückhaltend", was einen solchen weitreichenden Schritt angeht. Auch weil er erlebe, "dass da viele Spannungen in der Gesellschaft sind beim Thema Impfen". Seine Sorge sei, "dass bei einer verpflichtenden Impfung aus Spannungen Spaltungen werden", wie Spahn vergangene Woche in der ARD sagte.
  • Ganz anders 2G. Seit Montag dürfen in Sachsen nur noch Geimpfte und Genesene in Restaurants, Kneipen oder Diskotheken. Auch in anderen Bundesländern, darunter Berlin, Brandenburg, Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen, steht die 2G-Regelung auf der Tagesordnung.

Experten und auch Politiker sind sich allerdings uneins, ob und wie 2G wirkt. Eine aktuelle Studie zeigt aber, dass nach einer Verschärfung für Ungeimpfte – zumindest kurzzeitig – in fast allen untersuchten Ländern und Regionen die Nachfrage nach Impfungen gestiegen ist.

3. Kampagne für Auffrischungsimpfungen

Zwei Impfungen werden langfristig nicht ausreichen. Denn Daten zeigen, dass etwa nach einem halben Jahr die Schutzwirkung der Impfung nachlässt, besonders bei alten Menschen. Um die Immunität zu erhalten, braucht es deshalb Auffrischungsimpfungen.

Bereits in der vergangenen Woche forderte etwa die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, "mehr Tempo" bei den Booster-Impfungen. "Die Gesundheitsministerien der Länder sollten jetzt alle Menschen ab 70 per Brief gezielt über die Möglichkeit zur Auffrischungsimpfung informieren. Man darf nicht einfach davon ausgehen, dass die Leute schon Bescheid wissen", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Bisher haben in Deutschland erst rund 2,8 Millionen Menschen eine Auffrischungsimpfung erhalten. Fast dreimal so viele könnten sie aber bekommen. Informationen dazu sollen deswegen jetzt über die offizielle Corona-Warn-App ausgespielt werden. Vorgesehen sind auch Hinweise, wer dafür in Frage kommt. Das ist ein erster Anfang für eine Kampagne für Auffrischungsimpfungen, die allerdings noch weiter vereinheitlicht und vor allem breit öffentlich beworben werden muss.

4. Wiedereinführung von kostenlosen Corona-Tests für alle

Die kostenlosen Tests in öffentlichen Testzentren für alle waren am 10. Oktober ausgelaufen, seither müssen die Menschen, abgesehen von bestimmten Ausnahmen, selbst für die Kosten aufkommen.

Das System ist gescheitert, die erhoffte erhöhte Nachfrage nach Impfungen blieb aus. SPD, Grüne und FDP wollen daher zurückrudern. Die Tests sollen künftig wieder gratis sein, egal ob jemand geimpft ist oder nicht, wie aus einem Entwurf der drei Ampel-Parteien für ein Gesetz hervorgeht, das für die Zeit nach dem Auslaufen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 25. November gelten soll.

5. Mehr Eigenverantwortung

Je weiter verbreitet das Virus ist, desto größer ist auch das Risiko, sich anzustecken – egal ob geimpft oder nicht. Mit Blick auf die momentan in die Höhe schnellende Zahl der Neuinfektionen sollten die Menschen auch wieder mehr Eigenverantwortung zeigen.

Selbst wenn die momentanen Bestimmungen mehr Freiheiten zulassen, es schadet nicht, auf Abstände in engen Räumen zu achten oder eine FFP2-Maske zu tragen. Und: Auch wenn 2G gilt, sollten sich Geimpfte und Genesene regelmäßig selbst testen. Die Antigen-Schnelltests gibt es mittlerweile in Supermarktkassen für ein oder zwei Euro. Das ist gut investiertes Geld in mehr Sicherheit.

6. Mehr Kontrollen

Die bestehenden Regeln sind allerdings nur effektiv, wenn sie auch eingehalten werden. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – doch daran hapert es in Deutschland im Vergleich zu vielen europäischen Nachbarn noch.

So gibt es im Ausland Strafen für Unternehmen, Geschäfte und Restaurants, falls sie ihrer Kontrollpflicht nicht nachkommen. Und die Mitarbeiter sollten sich auch hierzulande am Eingang die Impf- oder Testzertifikate nicht mehr länger nur kurz zeigen lassen, sondern tatsächlich die passende App verwenden und die QR-Codes scannen. Nur so können gefälschte, manipulierte oder nicht mehr gültige Zertifikate entdeckt werden.

7. Rückkehr ins Homeoffice

Geht es nach Rot-Grün-Gelb, dann gilt am Arbeitsplatz künftig die 3G-Regel, die Beschäftigten müssen also entweder einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen oder täglich ein negatives Testergebnis. Geplant ist auch das Auskunftsrecht des Arbeitgebers zum Impfstatus. Dabei soll zugleich geregelt werden, dass der Arbeitgeber entsprechende Daten für eine gewisse Zeit abspeichern kann. Die Regelung soll bundesweit verpflichtend sein.

Viel wirkungsvoller dürfte aber die Arbeit von zu Hause sein. Mitarbeiter sollten – wenn gewünscht und möglich – den Winter über von zu Hause arbeiten dürfen. Was in den vorangegangenen Wellen gut geklappt und sich in vielen Unternehmen bewährt hat, sollte nun landesweit angestrebt werden. Dafür braucht es nicht unbedingt eine gesetzlich verankerte Homeoffice-Pflicht, aber eine Empfehlung, die von den Unternehmen selbst getragen wird (Stichwort Eigenverantwortung).

Mit Material von dpa und AFP.
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