- In Bayern gilt ab Montag eine FFP2-Maskenpflicht im Einzelhandel und im Nahverkehr. Das hat Ministerpräsident Söder in einer Pressekonferenz bekannt gegeben.
- Die Verschärfung soll vor dem Hintergrund aggressiver Virusmutationen mehr Sicherheit bringen.
- Verfassungsrechtler Stefan Huster aber sieht Probleme. Ist die Maßnahme rechtens?
Wer ab Montag (18. Januar) in Bayern im Einzelhandel einkauft oder im öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist, muss eine FFP2-Maske tragen. Das hat das Kabinett am Dienstag (12. Januar) in München beschlossen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) begründete die Maßnahme mit noch immer hohen Infektionszahlen und der Entwicklung schnellerer und aggressiverer Virusmutationen.
"Die normalen Community-Masken sind der Schutz des Anderen, die FFP2 ist auch der Schutz für sich selber", sagte
Verfassungsrechtler: "Panikgetriebene" Maßnahme
"Die Maßnahme kommt mir panikgetrieben und wenig sinnvoll vor", sagt Verfassungsrechtler Stefan Huster von der Ruhr-Universität Bochum. Bislang gäbe es keine Untersuchungen, die Supermärkte oder den Nahverkehr als Infektionsherde identifizierten - eine valide Grundlage für die Verschärfung der Maskenpflicht fehle somit. "Es ist zwar besser, wenn die Menschen FFP2-Masken anstelle von Alltagsmasken tragen, aber der erhebliche Aufwand und die möglicherweise erheblichen Kosten stehen in keinem Verhältnis", meint der Experte.
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Dies bedeute aber nicht, dass die Maßnahme nicht rechtens ist. "Der Gesetz- oder Verordnungsgeber hat einen gewissen Einschätzungsspielraum. In der Pandemiesituation ist es sehr schwierig zu entscheiden, was sinnvoll, wirksam und angemessen ist", erklärt Huster. Politik funktioniere aktuell oft nach dem Prinzip "Trial and Error".
Zutritt zum Supermarkt verwehrt
Menschen ab 60 Jahren und Risikopatienten hatten bereits ab November 2020 die Möglichkeit, FFP2-Masken kostenlos oder vergünstigt in Apotheken zu erhalten. Schon damals bildeten sich teilweise lange Schlangen vor den Ausgabestellen. Droht nun ein noch größerer "Run"?
Denn wer bis Montag keine Maske mehr bekommt, darf einen Supermarkt nicht mehr betreten – müsste sich Lebensmittel von Bekannten vor die Haustür stellen lassen, online bestellen oder Vorräte aufbrauchen. "Ich kann den Bestand nicht beurteilen, aber spätestens, wenn es keine Masken mehr gäbe, man aber ohne Maske nicht einkaufen darf, wäre die Unverhältnismäßigkeit erreicht", sagt Jurist Huster.
Steigende Preise für FFP2-Masken
Die Supermärkte könnten indes wenig Kritik üben, selbst wenn ihnen durch die Maßnahmenverschärfung unter Umständen Kunden verloren gingen. "Sie sind in ihrer Rechtsposition nur gering betroffen und müssen sich Maßnahmen, die eine Ausbreitung des Virus verhindern, gefallen lassen", so Experte Huster.
Ein größerer Kritikpunkt dürften die Kosten sein, die die Maßnahmenverschärfung mit sich bringt. Denn im Vergleich zu Alltagsmasken oder selbstgenähten Masken haben FFP2-Masken ihren Preis: Im Handel kosten sie, abhängig von der Abnahmemenge, zwischen einem und zwei Euro. Apotheken rufen Preise von bis zu fünf Euro auf, bei Amazon sind die Preise bereits gestiegen.
FFP2-Masken sind Einmalprodukte
Ist das – gerade auch für finanziell schlechter gestellte Menschen – zumutbar? Schließlich ist eine FFP2-Maske ein Einmalprodukt, nach spätestens acht Stunden oder starker Durchfeuchtung sollen sie laut Expertenmeinung gewechselt werden. Als Tragedauer am Stück empfiehlt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) maximal 75 Minuten, dann wird eine 30-minütige Pause empfohlen.
"Grundsätzlich ist das aber zumutbar", urteilt Huster. Zur Teilhabe am öffentlichen Leben müsse man auch in anderen Bereichen investieren: Bei einem Auto als Bewegungsmittel fielen etwa Versicherungskosten und Steuern an, der ÖPNV sei ebenfalls kostenpflichtig.
Kosten in erheblicher Höhe denkbar
"Wenn die Verschärfung zu einem Dauerunternehmen wird und Kosten in erheblicher Höhe anfallen, sodass bei manchen das Existenzminimum gefährdet ist, wird man überlegen müssen, ob man das nicht irgendwie ausgleichen muss". Eine solche Nachsteuerung hält der Experte beispielsweise bei den Hartz-IV-Regelsätzen für möglich, weil die Anschaffung eine bislang nicht berücksichtigte Belastung darstellen.
Laut der niedersächsischen Regierungssprecherin in Hannover würde das Bundesland eine Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske nur dann erwägen, wenn ein kostenloser Zugang für alle Menschen in Niedersachsen sichergestellt wäre.
Noch vor Montag gerichtlich kippen?
Könnte die bayerische Maßnahme also noch vor Inkrafttreten wieder gerichtlich gekippt werden? "Ministerielle Verordnungen können als solche gerichtlich in der Regel nicht angegriffen werden", informiert Huster. Wenn einer Einzelperson aber der Zutritt zum Supermarkt verwehrt würde oder Bußgelder anfielen, könne sie dagegen vorgehen.
"Dann würde die zugrundeliegende Verordnung überprüft. Dabei gibt es die Möglichkeit eines einstweiligen Rechtsschutzes, also eines vorläufigen Rechtschutzes im Schnellverfahren, bei dem man relativ zügig eine Gerichtsentscheidung haben dürfte", erklärt Huster.
Regieren am Parlament vorbei
Die Erfolgsaussichten dabei hält er aber für gering: "Die Gerichte haben zwar schon Corona-Maßnahmen gekippt, ich gehe aber davon aus, dass dem Verordnungsgeber ein relativ großer Spielraum bei der Einschätzung der Wirksamkeit zugestanden würde." Es sei schwierig zu beurteilen, ob die einzelne Maßnahme sich auf die Infektionszahlen auswirke.
Insgesamt sieht Huster die Maßnahme als gutes Beispiel für ein Grundproblem in der Pandemiesituation: "Aktuell wird alles von der Exekutive gemacht. Ministerpräsident und Regierung überlegen sich eine Maßnahme und sie wird direkt in eine Verordnung umgesetzt", kritisiert der Experte und empfiehlt: "Es sollte wieder mehr im Parlament debattiert werden, dann fänden auch skeptische Stimmen Gehör. Das Regieren am Parlament vorbei könnte sich auch negativ auf den Inhalt der Politik auswirken."
Verwendete Quellen:
- Interview mit Prof. Dr. Stefan Huster
- Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): SARS-CoV-2 FAQ und weitere Informationen
Bayern beschließt FFP2-Maskenpflicht für Nahverkehr und Einzelhandel
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