Hat eine Änderung eines Paragrafen des Infektionsschutzgesetzes "unabsehbare Folgen für die Bevölkerung"? Nein. Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck zeigen: Es geht bei der Änderung um eine ganz spezifische Gruppe von Menschen und die Änderung ist auch nicht "weitreichend", wie auf einer Webseite behauptet wird.
Die Webseite Report24 titelte am 25. Juni: "Grundrechte in Nacht-und-Nebel-Aktion weiter eingeschränkt". Angeblich seien "erneut weitreichende Änderungen am umstrittenen Infektionsschutzgesetz beschlossen" worden, die "unabsehbare Folgen für die Bevölkerung" hätten.
Einen Grund zur Panik gibt es jedoch nicht, denn Report24 hat nach Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck relevanten Kontext weggelassen.
Es geht nicht um neue Grundrechtseinschränkungen, sondern darum, dass die Bundesregierung jetzt länger die Befugnis hat, von Einreisenden aus Risikogebieten einen Impfnachweis oder einen negativen Corona-Test zu verlangen. Die Worte "Einreise" oder "Risikogebiet" kommen im Artikel von Report24 beispielsweise nicht einmal vor, wodurch letztlich der Eindruck entsteht, es ginge um eine Gesetzesänderung, die alle Bürgerinnen und Bürger betreffen würde.
Was wurde am Infektionsschutzgesetz verändert?
Am 24. Juni 2021 hat der Bundestag beschlossen, dass die Bundesregierung auch noch bis zu einem Jahr nach dem Ende der "epidemischen Lage von nationaler Tragweite" Einreiseregeln festlegen kann. Also beispielsweise, dass Einreisende aus einem Risikogebiet einen negativen Corona-Test oder eine Impfung nachweisen müssen. Bisher endete diese Befugnis der Bundesregierung in dem Moment, in dem auch die epidemische Lage endete – und nicht erst ein Jahr später.
Grundlage für den Artikel von Report24 ist die Beschlussempfehlung für den Bundestag, in der die Worte "Einschränkung der Grundrechte" enthalten sind. Das bedeutet aber nicht, dass neue Grundrechte eingeschränkt würden, sondern ist lediglich eine juristische Vorsichtsmaßnahme: das Zitiergebot.
Demnach muss Gesetzen oder Gesetzesänderungen, die die Grundrechte einschränken können, ein expliziter Hinweis beigefügt werden; und zwar auch dann, wenn es sich nur um minimale Ergänzungen zu bereits bestehenden Gesetzen handelt.
Hintergrund: Einreisende könnten aus Risikogebieten neue Virusvarianten einschleppen
Wir haben beim Bundesgesundheitsministerium nachgefragt, was der Sinn hinter der Änderung des Infektionsschutzgesetzes ist. Ein Sprecher schrieb uns, dass es darum gehe zu verhindern, dass Einreisende aus Risikogebieten neue Varianten des Coronavirus nach Deutschland einschleppten. Die epidemische Lage in Deutschland mag zu einem bestimmten Zeitpunkt vielleicht beendet sein, etwa wenn es in Deutschland ein kaum noch relevantes Infektionsgeschehen gebe, aber die Gefahr durch neue Varianten ist dadurch nicht gebannt, denn in anderen Ländern könnten neue Virusvarianten entstanden sein.
Mit der Gesetzesänderung, so der Sprecher, solle vermieden werden, dass Einreisende neue oder bereits bestehende Virusvarianten "wieder nach Deutschland eintragen".
So versteht die Änderung auch der Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, Mitglied des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht des Deutschen Anwaltvereins, den wir dazu befragt haben.
Änderung birgt weder "weitreichende Änderung" noch "unabsehbare Folgen für die Bevölkerung"
Wir haben Achelpöhler auch gefragt, ob die Änderung noch andere Absätze des Infektionsschutzgesetz betrifft. Er schrieb per E-Mail, dass dem nicht so sei; es gehe bei der Änderung allein um Einreisebeschränkungen. Es gehe nicht um neue Grundrechtseinschränkungen. Mit der Änderung werden lediglich bereits bestehende Befugnisse der Regierung verlängert. Achelpöhler schreibt: "Eine neue Gewichtung von Belangen des Infektionsschutzes in Bezug auf Grundrechte lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen."
Es kann also keine Rede sein von "weitreichenden Änderungen" mit "unabsehbaren Folgen für die Bevölkerung": Die Bevölkerung insgesamt ist von der Änderung gar nicht betroffen, sondern nur Einreisende aus Risikogebieten – für maximal ein Jahr nach Ende der epidemischen Lage.
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