- In rasantem Tempo hat in Israel bereits mehr als ein Viertel der Bevölkerung die erste Impfdosis gegen COVID-19 erhalten.
- Gleichzeitig verzeichnet das Land aktuell Rekordzahlen was Neuinfektionen und Todesfälle angeht.
- Das hat sowohl medizinische als auch politische Gründe.
Die Regierung Israels macht der Welt aktuell vor, wie schnell eine Immunisierung der Bevölkerung zur Eindämmung der Corona-Pandemie gehen kann.
Pro 100 Einwohnern hat das Land, das über ein sehr gutes Gesundheitssystem verfügt, mit Stand vom Freitag bereits mehr als 38 Impfdosen verabreicht. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Zahl bei 1,67. In Österreich sind es 1,85 und in der Schweiz 1,27.
Bereits am 19. Dezember begann mit der Impfung des 71 Jahre alten Ministerpräsidenten
Knapp zehn Prozent der israelischen Bevölkerung haben beide Spritzen erhalten, während der Wert in den D-A-CH-Ländern noch unter 0,1 Prozent liegt.
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Neuinfektionen auf hohem Niveau
Trotzdem weist Israel derzeit einen sehr hohen Wert bei den Neuinfektionen auf. Im Sieben-Tage-Schnitt wurden bis zu 8.624 positive Tests pro Tag registriert. Die Neuinfektionen gehen aktuell zurück, doch der Sieben-Tage-Durchschnitt an täglichen Todesfällen unter Corona-Infizierten ist momentan mit 53,57 auf einem Höhepunkt.
Während der gesamten Pandemie wurden in Israel pro einer Million Einwohner 63.685 Menschen positiv auf Sars-CoV-2 getestet, davon sind 0,7 Prozent gestorben. In Deutschland ist die Zahl der positiv getesteten Menschen mit 25.126 pro Million Einwohner deutlich niedriger, der Anteil der Toten liegt mit 2,4 Prozent jedoch wesentlich höher.
Ein Grund für die hohen Infektionszahlen trotz der beeindruckenden Impfkampagne liegt in der zeitlichen Entwicklung und Verbreitung der Krankheit. So haben sich viele der Menschen, die sich Anfang Januar aufgrund von verdächtigen Symptomen testen ließen, im positiven Fall vermutlich bereits im Dezember angesteckt.
Wirkung der Impfungen tritt zeitverzögert ein
Nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff produzieren die Körperzellen ein für das Coronavirus typisches Protein. Daraufhin erzeugt das Immunsystem Antikörper gegen diesen Baustein und das benötigen ebenfalls Zeit.
Untersuchungen der israelischen Krankenversicherungen Clalit und Maccabi zeigen, dass die Schutzwirkung der ersten Impfung in den Tagen nach der Verabreichung zunächst sehr gering ist. Erst zwei Wochen nach der Injektion ist eine deutliche Verringerung der Infektionsrate feststellbar.
Von den Menschen, die die erste Dosis erhalten haben, infizieren sich im Vergleich zu nicht geimpften dann 33 Prozent weniger mit Sars-CoV-2. Erst nach der zweiten Impfdosis erreicht der Impfstoff seine 95-prozentige Schutzwirkung.
Sowohl für die erfolgreiche Impfkampagne als auch für die anhaltend hohen Infektionszahlen gibt es aber auch politische Gründe. Ende März stehen in Israel Parlamentswahlen an. Nachdem sich die Regierung im vergangenen Jahr starker Kritik für ihre Corona-Politik ausgesetzt sah, muss sie jetzt Erfolge vorweisen.
Anstehende Parlamentswahl beeinflusst Pandemiebekämpfung
Vermutlich ist es kein Zufall, dass Netanjahu Ende März als Zielmarke für die Impfkampagne gesetzt hat. Bis dahin sollen alle impfwilligen Bewohner des Landes über 16 Jahren immunisiert werden.
Der Ministerpräsident versprach, dass Israel das erste Land der Welt werden solle, das die Corona-Pandemie hinter sich lässt und so sowohl die Wirtschaft wieder in Schwung bringt als auch alle Freiheiten der Bürger wiederherstellt.
Die anstehenden Wahlen stellen die Regierung aber auch vor Herausforderungen bei der Pandemiebekämpfung. Das Land befindet sich inzwischen im dritten strengen Lockdown, der bei vielen Bewohnern an den Nerven zehrt. Und bei den Infektionszahlen besteht eine große Diskrepanz zwischen den säkularen Teilen der Bevölkerung und den streng religiösen. Die meisten Infektionen gibt es unter orthodoxen Juden und den mehrheitlich muslimischen arabischen Israelis.
Unter den orthodoxen Juden gibt es einzelne Gemeinden, die sich den Gesetzen des Landes weniger verpflichtet fühlen als den Regeln ihrer Gemeinschaft. Abstandsregeln und Hygienevorschriften wurden hier häufiger ignoriert. Religionsschulen wurden weiterbetrieben, obwohl nach dem Regierungswillen alle Bildungseinrichtungen geschlossen werden sollten. Schlagzeilen machten auch arabische Großhochzeiten mit Hunderten Teilnehmern.
Die orthodoxe Minderheit fungiert in Israel immer wieder als Mehrheitsbeschaffer für die jeweilige Regierung. Deshalb hat sie über die Jahrzehnte Sonderrechte erwirkt, die in der übrigen Bevölkerung für Unmut sorgen.
Somit befindet sich Netanjahu auf einer Gratwanderung, um einerseits der lockownmüden säkularen Bevölkerung durch handfeste Erfolge Hoffnung auf ein Ende der Pandemie zu geben und andererseits orthodoxe Gruppen mit einem harten Durchgreifen nicht kurz vor der Wahl zu verärgern.
Verwendete Quellen:
- Epidemic Stats: Israel
- Our World in Data: Coronavirus (COVID-19) Vaccinations
- Our World in Data: Israel: Coronavirus Pandemic Country Profile
- Robert-Koch-Institut: Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19
- Yedioth Ynetnews: Pfizer vaccine reduces coronavirus infection among entire population, Israeli data suggests
- Israel Hayom: Israel's COVID contagion rate drops for first time in 2 months
- Haaretz: Coronavirus Israel Live: Police, ultra-Orthodox Groups Clash Over Restrictions; Minister Urges Calm
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