• Seit Mitte Oktober übernimmt der Bund die Kosten für Corona-Bürgertests in aller Regel nicht mehr. Viele Testzentren haben seitdem geschlossen, die Zahl der Testungen ist deutlich rückläufig.
  • Was bedeutet der Schritt für die Pandemiebekämpfung und hat die Maßnahme die gewünschten Effekte gebracht?
  • Ein Testzentrums-Betreiber aus Dortmund berichtet aus der Praxis.

Mehr aktuelle Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

Keine langen Schlangen mehr, Leere in den Testzentren: Seit dem Sommer haben sich die Bilder in den Testzentren deutlich verändert. Wer aber ein Restaurant, ein Kino, einen Friseur oder einen anderen Ort, an dem die 3-G-Regel gilt, besuchen möchte und weder geimpft noch genesen ist, muss seit dem 11. Oktober in aller Regel dafür draufzahlen.

Denn seitdem sind die Bürgertests nicht mehr kostenlos, Ausnahmen gibt es nur für bestimmte Gruppen wie Kinder oder Schwangere. Die etwa 15 Euro für einen Antigen-Schnelltest, den Testzentren seitdem für Selbstzahler verlangen, übernimmt der Staat nicht. Die Regierung hatte sich mit diesem Schritt zweierlei erhofft: Einerseits sollte die Maßnahme die Staatskasse entlasten, andererseits mehr Ungeimpfte zur Corona-Impfung motivieren.

Lesen Sie auch: Alle aktuellen Informationen rund um die Corona-Pandemie in unserem Live-Blog

Kritik am Ende kostenfreier Tests

Medizinethiker hatten die Entscheidung von Bund und Ländern begrüßt und argumentiert, bei einer für alle verfügbaren, verträglichen und kostenfreien Impfung sei der Schutzauftrag des Staates ausreichend erfüllt. Kritik war aus unterschiedlichen Richtungen gekommen.

Während die Ärztegewerkschaft "Marburger Bund" ein Einfallstor für weitere Ansteckungen sah, weil sich vermutlich weniger Menschen mit Symptomen testen lassen, argumentierte der "Sozialverband VdK" mit überteuerten Angeboten und der Privilegierung von finanziell Bessergestellten. Die "Deutsche Stiftung Patientenschutz" hatte gar eine neue Vereinsamung von Bewohnern in Alten- und Pflegeheimen befürchtet.

Kundenrückgang um 70 Prozent

Wie sieht es heute in den Testzentren aus? Harun Danisik betreibt ein Testzentrum in Dortmund. "Die Kundenzahlen sind klar rückläufig", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Am Wochenende kämen nach wie vor die meisten Menschen, in der Spitze beobachte er aber einen Rückgang um etwa 70 Prozent.

Hauptsächlich kämen nun Kinder, Jugendliche und Personen, die bisher noch keine Impfung erhalten hätten. "Allerdings haben wir auch eine feste Anzahl an Kunden, die vollständig geimpft sind und sich dennoch testen lassen wollen, weil beispielsweise ein Familientreffen oder ein Besuch im Altenheim anstehen", so der Betreiber. Es kämen auch Kunden, die sich zu Hause mit Hilfe von sogenannten Laientests getestet hätten und über das Ergebnis verunsichert seien.

Gestiegenes Risiko für Ungeimpfte

Beschwerden über das Ende der kostenfreien Tests verzeichne man nur in wenigen Fällen. "Den Kunden ist klar, dass die Entscheidung, die kostenlosen Tests zu beenden, nicht in unserer Verantwortung liegt", betont Danisik. Es gäbe aber Gespräche, in denen Kunden ihr Unverständnis über die Situation ausdrückten.

"Durch den Wegfall der kostenlosen Tests steigt für sie das Risiko, von einer geimpften Person mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert zu werden, weil diese sich auch nicht mehr kostenlos testen lassen können", gibt Danisik zu Bedenken.

Schließungen von Testzentren

Durch die Lockerungen bei niedriger Inzidenz waren die Schnelltestzentren schon im Sommer immer weniger benötigt worden, Anfang Oktober hatten weitere Testzentren ihre Türen geschlossen. Weil die Organisation in den Testzentren Ländersache ist, liegen dem Bund keine konkreten Zahlen vor.

Während es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen im Juli noch knapp 9.400 Teststellen gab, waren dem Landesgesundheitsministerium Ende Oktober nur noch knapp 7.100 Teststellen gemeldet. Die Anzahl der Bürgertests ist in noch stärkerem Maße rückläufig: Machten Ende Juni wöchentlich mehr als 2,8 Millionen Menschen in NRW einen Bürgertest, waren es Ende Oktober nur noch knapp 760.000.

"Wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll"

Für das Schließen der Teststellen macht auch das Land die zurückgehende Nachfrage verantwortlich. "Es wurden aber auch andere Gründe angegeben wie zum Beispiel die Wiederaufnahme des eigentlichen Gewerbebetriebs, zum Beispiel in der Gastronomie", merkt Pressesprecher Carsten Duif an. Auch Testzentrum-Betreiber Danisik gibt zu: "Wirtschaftlich gesehen ist die Aufrechterhaltung nicht mehr sinnvoll."

Allerdings sei man der Auffassung, dass man mit den Testzentren eine gewisse Verantwortung im Hinblick auf eine erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie habe, weshalb das Angebot aufrechterhalten werde. Wie hilfreich Testzentren in der Pandemiebekämpfung sind und waren, lässt sich schwer in Zahlen fassen.

Schnelltests in der Kritik

Das Robert-Koch-Institut (RKI) macht dazu selbst keine Angaben. Gegenüber der "Tagesschau" erklärte das RKI, es fehle an Zahlenmaterial und begleitenden Studien. "Das RKI hat dazu keine Zahlen, weil negative Testergebnisse nicht meldepflichtig sind und nicht immer mit übermittelt wird, ob einem (positiven) PCR-Test auch ein positiver Schnelltest vorausgegangen ist", hieß es.

Schnelltests im Allgemeinen standen immer wieder in der Kritik, weil beispielsweise unklar bleibt, wie wirksam sie die inzwischen dominierende Delta-Variante nachweisen können. Als sie entwickelt wurden, gab es die Variante noch nicht.

Zusammenhang mit Impfaktivität

Ein Zusammenhang zur Impfaktivität kann das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium zumindest in einem Punkt erkennen: Einen deutlichen Anstieg verzeichnete das Land Mitte August – nachdem Medien über das Ende der kostenlosen Bürgertests berichteten.

Zwar trat die aktualisierte Coronatest-Verordnung erst Ende September in Kraft, damals gab es jedoch schon Medienberichte, dass Bund und Länder die generelle Kostenübernahme für Bürgertests beenden.

Mehr als 3,7 Milliarden Euro Steuergelder

Bis dahin hatten die Bürgertests den Steuerzahler bereits mehr als 3,7 Milliarden Euro gekostet, wie aus einer Aufstellung des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) hervorgeht. Bis zu 18 Euro für Abstrich und Testkit hatte der Bund bis Ende Juni gezahlt, ab Juli waren die Kosten auf 11,50 Euro reduziert worden.

Insgesamt belaufen sich die Auszahlungen für Leistungen aufgrund der Coronavirus-Testverordnung bis Mitte Oktober auf 5,74 Milliarden Euro – darunter fallen aber auch andere Arten von Testungen. Unter den Teststellenbetreibern hat es auch schwarze Schafe gegeben: Etliche Teststellenbetreiber sollen bei der Abrechnung falsche Angaben gemacht haben.

Hohe Dunkelziffer an Neuinfektionen?

Danisik hat allerdings noch eine andere Sorge: Im Laufe der letzten Woche habe man beobachtet, dass sich viele Personen mit Hilfe von Laientests positiv getestet hätten und im Anschluss im Dortmunder Testzentrum mittels PCR-Test Gewissheit suchten. "Leider müssen wir davon ausgehen, dass es eine hohe Dunkelziffer an Personen gibt, die nach einem positiven Laientest ein solches Vorgehen nicht an den Tag legen", meint Danisik.

Durch den Wegfall der kostenlosen Tests würden nun mehr Menschen eine Coronainfektion zu Hause selbst "auszusitzen", ohne, dass zuständige Ämter und Institutionen etwas davon mitbekämen. "Wir müssen davon ausgehen, dass diese Personen für den Großteil der Neuinfektionen verantwortlich sind, auch wenn wir keine stichhaltigen Beweise haben", ist sich Danisik sicher.

Verwendete Quellen:

  • Anfrage an das Bundesministerium für Gesundheit
  • Anfragen an das Landesministerium für Gesundheit NRW
  • Interview mit Harun Danisik
  • Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS): Zahlungen des BAS aufgrund der COVID-19-Pandemie. Stand 28.10.2021

Für wen bleiben die Corona-Tests kostenlos?

Anstelle einer Corona-Impfung mal eben einen Schnelltest machen und damit los ins Konzert? Für die meisten geht das künftig nicht mehr, ohne dafür zu bezahlen.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.