- Bisher wurden in Deutschland rund 50 Millionen Impfdosen gespritzt, aber immer noch warten Millionen Menschen auf ihren ersten Stich.
- Nun werden Barrieren für sie weggeräumt: Am Montag fällt die Priorisierung in den Arztpraxen.
- Trotzdem brauchen Impfwillige noch eine Menge Geduld.
Gut fünf Monate ist es her, dass die erste Spritze gegen das Coronavirus in Deutschland gesetzt wurde. Nach reichlich Ärger und Frust zu Beginn haben die Impfungen immer mehr Fahrt aufgenommen.
Und jetzt startet die nächste große Etappe: An diesem Montag fallen für Millionen Menschen Hindernisse weg, an begehrte Termine zu kommen. Dann endet die Priorisierung, die einen Vorrang für besonders gefährdete Gruppen sichern sollte.
Zugleich wird das Impfnetz noch größer, und Beschäftigte können sich auch direkt über die Firma impfen lassen. Ärztinnen, Ärzte und Politik bitten trotzdem um Geduld.
Was ändert sich ab Montag genau?
Am 7. Juni tritt eine geänderte Impfverordnung in Kraft, in der keine feste Reihenfolge nach "höchster", "hoher" und "erhöhter" Priorität mehr steht.
Im Entwurf hieß es erläuternd: "Ein Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 besteht für alle Personen, unabhängig von ihrem Alter, ihres Gesundheitszustandes sowie ihrer beruflichen Tätigkeit und eines damit zusammenhängenden signifikant erhöhten Risikos für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf."
Die Länder können die Priorisierung für ihre regionalen Impfzentren zwar noch beibehalten, wenn sie wollen. In den Praxen ist sie aber passé. Und generell gilt: der Anspruch für alle besteht "im Rahmen der Verfügbarkeit der vorhandenen Impfstoffe".
Können sich ab Montag alle impfen lassen?
Theoretisch ja - doch für die meisten dürfte es noch Wochen bis zur Impfung dauern. Tatsächlich können sich nun aber alle um Termine bemühen, die dann über den Sommer hinweg eingetaktet werden sollen.
Die Impfstoffmengen nehmen zwar zu, geliefert wird aber weiter nur nach und nach. Laut Prognosen der Hersteller sollen kommende Woche fast 2,6 Millionen Dosen des Präparats von Biontech/Pfizer an die Praxen gehen, dazu gut 300.000 von Astrazeneca und 514.000 von Johnson & Johnson.
Daneben sollen die Impfzentren 2,5 Millionen Dosen bekommen. Die Öffnung für alle fällt allerdings in eine Phase, in der gerade sehr viele Zweitimpfungen mit dafür reservierten Dosen laufen.
Was passiert in den Praxen?
Nach dem Start auf breiter Front nach Ostern sind 75.000 Haus- und Facharztpraxen dabei, darunter künftig auch etwa 2.000 Privatärztinnen und -ärzte. Schon vor der offiziellen Impf-Freigabe für alle gab es vielerorts großen Andrang und überlastete Praxisteams.
Ärzte und Politik bitten daher um Nachsicht und Geduld. "Wenn Sie unbedingt sauer sein wollen, weil es vielleicht nicht gleich beim ersten Anruf klappt, dann seien Sie im Zweifel sauer auf mich", sagte Gesundheitsminister
"Jeder wird geimpft werden, aber nicht sofort", heißt es auch bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Praxen sollen nun täglich auch die Zahl der Geimpften unter 18 Jahre melden, neben der über 60.
Was ist mit Impfungen für Kinder?
Auch alle Kinder ab zwölf Jahren können sich nun impfen lassen. Das Biontech-Präparat ist dafür europaweit zugelassen. Doch es dürfte in Deutschland vorerst keine generelle Empfehlung dazu geben.
Mitglieder der Ständigen Impfkommission (Stiko) hatten schon gesagt: Es fehlten noch Daten, um das Risiko einer COVID-19-Erkrankung bei Kindern exakt gegen das mögliche Risiko einer Impfung abwägen zu können. Erwartet wird für die kommenden Tage aber eine eingeschränkte Empfehlung der Stiko - etwa erstmal für Kinder mit Vorerkrankungen.
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Hängt der Schulbesuch nach den Sommerferien von einer Impfung ab?
Nein. Spahn betont, eine Impfung der Kinder solle eine individuelle Entscheidung der Betroffenen und ihrer Eltern und Ärzte sein.
"Wir werden definitiv keine verpflichtenden Impfungen haben, auch nicht an Schulen oder Kindergärten." Als Kriterien für eine Impfentscheidung nannte der Minister Vorerkrankungen, die persönliche und familiäre Situation, und Risiken auch einer COVID-19-Infektion. Ziel ist, bis Ende August allen Kindern ab 12 Jahren Impfungen anzubieten.
Wie wollen die Betriebsärzte loslegen?
Für Beschäftigte sollen nun auch Impfungen in tausenden Unternehmen möglich sein. Mehr als 6.000 Betriebsärztinnen und -ärzte haben Impfstoff geordert, wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilte. In der ersten Woche sollen sie 702.000 Dosen bekommen.
Damit kämen nun "nicht mehr die Menschen zum Impfstoff, sondern der Impfstoff kommt zu den Menschen", formulierte es der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter. Impfen lassen können sich so auch viele, die sich nicht extra um Termine kümmern wollen.
Wie schnell geht es nun mit der Immunität in Deutschland?
Bundesregierung und Robert-Koch-Institut (RKI) erwarten, dass es noch Wochen dauert, bis so viele Menschen einen Immunschutz haben, dass die Corona-Beschränkungen weitgehend aufgehoben werden können.
RKI-Präsident Lothar Wieler lobt den Impffortschritt. Doch er betont auch: "Um weitgehend auf Maßnahmen verzichten zu können, müssen aber mehr als 80 Prozent der Menschen in unserem Land einen Impfschutz haben oder einen Immunschutz haben - entweder durch eine vollständige Impfung oder durch eine Infektion plus Impfung." Und den vollen Impfschutz hat derzeit erst etwa jeder Fünfte.
(Sascha Meyer und Basil Wegener, dpa/ank)
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