Krude Theorien über Hitler, gemeinsamer Spott für den deutschen Staat, kaum Lösungsvorschläge: Das Gespräch zwischen Alice Weidel und Tesla- und SpaceX-Chef Elon Musk war ein seltsamer Auftritt. Für die AfD jedoch: wohl ein voller Erfolg.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es war die bislang offensivste Unterstützung der AfD durch Multimilliardär Elon Musk. Bereits in der Vergangenheit hatte der Tesla- und SpaceX-Chef immer wieder für die AfD geworben. So hatte er beispielsweise in einem Gastbeitrag in der "Welt am Sonntag" argumentiert, nur die AfD könne Deutschland retten.

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Nun bot der reichste Mann der Welt der AfD, die in den Umfragen derzeit bei um die 20 Prozent steht, eine Riesen-Plattform: Er lud Parteichefin und Kanzlerkandidatin Alice Weidel gestern Abend um 19:00 Uhr deutscher Zeit zum gemeinsamen Gespräch. Der Titel selbstbewusst: "Conversation with the leading candidate to run Germany", so viel wie: "Gespräch mit der Spitzenkandidatin für Deutschland".

In dem Gespräch, was auf Englisch ablief und über eine Stunde dauerte, waren Musk und Weidel nur zu hören, nicht aber zu sehen. Mehr als 200.000 Zuhörerinnen und Zuhörer nahmen in der Spitze teil.

Beobachtet von EU-Beamten

Darunter auch: Bis zu 150 Experten der EU. Sie sollen, so berichtete es im Vorfeld das US-Medium "Politico", auf mögliche Verstöße gegen EU-Recht achten. Bereits Ende 2023 hatte die EU-Kommission ein förmliches Verfahren gegen "X" eröffnet und prüft seitdem, ob "X" gegen den "Digital Service Act" verstößt.

Darin geht es unter anderem um Inhaltsmoderation, Werbetransparenz, den Kampf gegen Falschinformation und Manipulation. Die Frage beim jetzigen Gespräch vor allem: Verschafft Musk der AfD einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen Parteien?

Talk als illegale Parteispende?

Bereits im Vorfeld war das Gespräch zwischen Musk und Weidel von vielen Seiten scharf kritisiert worden. CDU-Chef Friedrich Merz hatte den Wahlaufruf von Musk als "übergriffig und anmaßend" bezeichnet, Kanzler Olaf Scholz sagte, er halte nichts davon, "um die Gunst von Herrn Musk zu buhlen". Robert Habeck sprach von einem "Frontalangriff auf die Demokratie" und der Verein "Lobbycontrol" nannte den Talk zwischen Musk und Weidel sogar eine mögliche "illegale Parteispende".

Ursprünglich hatte ein "X"-User das Gespräch vorgeschlagen, nachdem Musk für seinen Gastbeitrag in der "Welt am Sonntag" viel Kritik geerntet hatte. Später hatte Musk einer AfD-nahen Influencerin, die sich ebenfalls zu der Debatte geäußert hatte, geschrieben: "Warte bis Alice und ich ein X-Spaces-Gespräch führen. Dann verlieren alle den Verstand." Musk fügte zwei Tränen-lachende Smileys hinzu.

Falschaussagen nach wenigen Minuten

So skurril der Vorgeschmack auf die Debatte bereits war, so war es das Gespräch dann auch: Man wolle über "Meinungsfreiheit und die Vorstellungen der AfD für ein zukunftsfähiges Deutschland" sprechen, hatte ein AfD-Sprecher zuvor mitgeteilt. Der rund 75-minütige Austausch drehte sich vor allem um Energie- und Migrationspolitik, um Bürokratie, Steuerpolitik sowie um das, was Weidel und Musk Meinungsfreiheit nennen.

Zu Beginn des Gesprächs bat Musk die AfD-Chefin ihre Partei vorzustellen. Die Partei sei in Reaktion auf die Regierung Merkels gegründet worden, erläuterte Weidel. "Angela Merkel, aus meiner Sicht die erste grüne Kanzlerin, hat unser Land ruiniert", meinte sie.

Online-Talk mit Musk: Weidel rechnet mit Merkel ab

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Mit positiven Aussagen über die AfD hat sich der US-Milliardär Musk bereits in den deutschen Wahlkampf eingeschaltet. Nun kommt es auf seiner Plattform X zum virtuellen Treffen mit der Parteichefin.

Es dauerte nicht lange, bis Weidel mit der ersten Falschbehauptung daherkam. "Deutschland ist das einzige Land, das die Atomkraftwerke abgeschaltet hat", äußerte sie. Das stimmt so nicht. Auch Italien ist aus der Atomkraft ausgestiegen, allerdings denkt die Regierung über einen Wiedereinstieg nach.

Keine Kontroversen

Zur Energiepolitik in Deutschland, gerade auch im Nachgang des russischen Angriffs auf die Ukraine, sagte Weidel: "Man muss sehr dumm sein oder sein Land hassen." Musk pflichtete ihr bei: "Das ist eins der verrücktesten Dinge, die ich je gesehen habe."

Die Atomkraft in Deutschland müsse hochgefahren werden, das wäre "großartig". Unstimmigkeiten gab es – über den gesamten Talk hinweg – kaum zwischen den beiden. Vielmehr bekräftigte Musk, die Forderungen von Weidel seien überhaupt nicht empörend, sondern "gesunder Menschenverstand". Das war eine Legitimation, die der AfD gefallen haben dürfte.

Nur bei der Energiepolitik zeigte er sich als Solar-Verfechter und sagte: "Viel Energie kann durch Solar und Wind gewonnen werden, aber es muss mit anderen Energieformen kombiniert werden." Zusammenfassend brauche Deutschland eine vernünftige Energie- und eine vernünftige Migrationspolitik.

Weidel: "Sie lernen nur über Gender-Studies"

Gemeinsam ließen sich Musk und Weidel über die Bürokratie in Deutschland aus. Die Anzahl der Regeln, denen sich Deutschland verpflichtet habe, sei völlig verrückt, meinte Musk. Bei der Eröffnung seiner Firma nahe Berlin hätte "ein LKW voll mit Papier" ausgedruckt werden müssen, rund 25.000 Seiten hätten gestempelt werden müssen. "Sie haben sich ins Krankenhaus gestempelt", spotteten die beiden lachend zusammen.

Auch im weiteren Verlauf des Gesprächs stellten sowohl Weidel als auch Musk immer wieder Falschbehauptungen auf. "Die jungen Menschen lernen an den Schulen und Universitäten gar nichts, sie lernen nur über Gender-Studies", sagte Weidel beispielsweise. Es gebe eine woke, linke Agenda. Musk reagierte: "Wirklich, meinen Sie das ernst? Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass Deutschland ein ziemlich gutes Bildungssystem hat. Zumindest war es so." Offenbar habe das "Woke-Mind-Virus" Deutschland schwer infiziert.

Musk: "Diebstahl wurde legalisiert"

Musk wiederum stellte die Behauptung auf, Diebstahl sei in Kalifornien legalisiert worden. Es sei erlaubt, in einem Geschäft Waren zu klauen, die weniger als 1.000 Euro kosteten. Auch das stimmt so nicht. Diebstahl ist in Kalifornien verboten. Durch eine Gesetzesänderung wurde Beute unter 950 Dollar zum Vergehen herabgestuft. Dafür wird normalerweise keine Haftstrafe verhängt.

Die EU betreibe Zensur und überlasse die gesamte Ukraine-Politik den USA, Bill Gates stecke hinter Corona und habe zusammen mit George Soros Einfluss auf die Bundestagswahl genommen, nur bei der AfD seien Juden in Deutschland sicher – all solche nicht belegbaren Äußerungen zogen sich durch das gesamte Gespräch.

Wirkliche Lösungen bot Weidel nicht an. Beim Israel-Konflikt musste sie sogar offen passen: Sie wisse nicht, wie man den Konflikt lösen könne, sagte sie.

Weidel: "Körperlicher Schmerz", wie man in Deutschland mit Trump umgeht

An vielen Stellen sprach Weidel von Dingen, bei denen sie davon ausgehen konnte, Musk zu gefallen: Man müsse Unternehmen mehr Handlungsspielraum geben, den Staat minimieren und die Bürger vom Staat befreien. Die USA dürften die Last im Ukraine-Krieg nicht alleine schultern und es habe ihr "körperlichen Schmerz" bereitet, wie man in Deutschland mit Trump umgegangen sei.

Besonders krude wurde es, als Weidel auf Adolf Hitler zu sprechen kam. Einleitend sagte sie, es sei eine völlig neue Situation für sie, offen sprechen zu können, ohne unterbrochen oder negativ geframt zu werden. Die AfD werde von den Medien als Extremistenpartei dargestellt.

Weidel: "Das hat schon Hitler so gemacht"

Auch Musk bekräftigte, er sehe die Gefahr, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland eingeschränkt werde. "Das hat schon Hitler so gemacht", sagte Weidel daraufhin. Kurz darauf wollte Musk wissen, ob die AfD eine rechtsextreme Partei sei. Weidel holte aus: "Die Nationalsozialisten waren Sozialisten", sagte sie.

"Hitler war ein Kommunist." Ihre Argumentation: Er habe Unternehmen verstaatlicht und hohe Steuern erhoben. "Hitler als rechts und konservativ zu bezeichnen, war der größte Fehler der Geschichte", meinte Weidel hinzu. Die vom Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextrem eingestufte AfD sei "das genaue Gegenteil", nämlich "libertär und konservativ".

Musk bekräftigt Wahlempfehlung

Haltbar sind Weidels Aussagen nicht. Im Gegenteil war der Antikommunismus, wenn auch nicht von Beginn an, ein zentrales Element der NS-Ideologie. Während im Kommunismus Menschen als gleichwertig angesehen werden sollen, fußte Hitlers Ideologie gerade auf der Ungleichwertigkeit von Menschen. Kommunisten und andere sozialistische Gruppen wurden unter Hitler radikal verfolgt.

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Zum Schluss bekräftigte Musk noch einmal: "Ich empfehle, die AfD zu wählen. Nur die AfD kann Deutschland retten. End of Story" und Weidels zweiter Hitler-Vergleich sorgte für ein mulmiges Gefühl: Im Zusammenhang mit der Regulierung des Internets fragte sie Musk: "Weißt du, was Adolf Hitler als erstes getan hat? Er hat die Redefreiheit abgestellt, er hat die Medien kontrolliert." Sonst wäre er nie so stark geworden.

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