- Widerstand gegen Ausgangsbeschränkungen: Die geplante Bundes-Notbremse löst im Bundestag eine Kontroverse aus.
- Bundeskanzlerin Angela Merkel ruft eindringlich zur Eile im Kampf gegen die Pandemie auf.
- Unterdessen müssen Intensivpatienten bereits aus bis zum Anschlag belasteten Regionen ausgeflogen werden.
Mit einem hitzigen Schlagabtausch hat der Bundestag die Beratungen über die geplante bundesweite Corona-Notbremse begonnen.
Eine generelle Ablehnung der Bundespläne signalisierten die AfD und die Linke. Die FDP hält ein bundesweites Vorgehen für nötig, droht aber trotzdem mit Verfassungsklage wegen der geplanten Ausgangsbeschränkungen ab 21.00 Uhr. Unterdessen wurden 25.831 neue Coronafälle gemeldet. Die Zahl der auf Intensivstationen versorgten Covid-19-Patientinnen und -patienten stieg um 61 auf 4.740.
Merkel sagte: "Das Virus verzeiht keine Halbherzigkeiten, sie machen alles nur noch schwerer. Das Virus verzeiht kein Zögern, es dauert alles nur noch länger. Das Virus lässt nicht mit sich verhandeln, es versteht nur eine einzige Sprache, die Sprache der Entschlossenheit." Im Bundestag wird nun fieberhaft über Details des geplanten Gesetzes verhandelt. Am Mittwoch soll es beschlossen werden. Kurz darauf soll der Bundesrat sein Votum abgeben. Kontaktbeschränkungen zum Brechen der dritten Welle sollen in Kreisen und Städten ab einer Inzidenz von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einer Woche greifen. Zuletzt lagen rund 350 von mehr als 400 Kreisen über dieser Schwelle.
Intensivmediziner senden einen Hilferuf nach dem anderen
"Die Intensivmediziner senden einen Hilferuf nach dem anderen - wer sind wir denn, wenn wir diese Notrufe überhören würden?", so Merkel. Die Notbremse solle die drohende Überlastung des Gesundheitswesens verhindern. Dann könnten mit systematischem Testen bei niedrigeren Inzidenzen Öffnungen ermöglicht werden. Mit Blick auf den Frühjahrs-Lockdown 2020 sagte Merkel: "Wir haben es doch schon einmal geschafft, wir können es jetzt wieder schaffen."
Trotz kritischer Haltung sagte FDP-Chef
Streit um Ausgangsbeschränkungen
Mit Blick auf die geplanten Ausgangsbeschränkungen kündigte Lindner Vorschläge an, das Gesetz "verfassungsfest" zu machen. Die FDP werde vors Bundesverfassungsgericht ziehen, wenn darauf nicht eingegangen werde. Bisher sei geplant, "dass ein geimpftes Ehepaar (...) daran gehindert wird, alleine nach 21 Uhr vor die Tür zu treten zum Abendspaziergang". Merkel verteidigte die Pläne. Andere Staaten hätten solche Maßnahmen "zum Teil erheblich restriktiver" praktiziert. "Es geht darum, abendliche Besuchsbewegungen von einem Ort zum anderen – im Übrigen auch unter Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs - zu reduzieren." Die Vorteile überwögen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte: "Es wird alleine nicht reichen, aber in keinem Land ist es gelungen, eine Welle mit Variante B.1.1.7 noch einmal in den Griff zu bekommen, ohne dass man nicht auch das Instrument der Ausgangsbeschränkung, und nicht -sperre, genutzt hätte."
Rechtswissenschaftler bewerten nächtliche Ausgangsbeschränkungen unterschiedlich. In der Bundestagsanhörung waren die Juristen dazu unterschiedlicher Meinung. Nach Einschätzung des Berliner Physikers Kai Nagel kann so eine Beschränkung die Verbreitung des Coronavirus spürbar reduzieren. Aber statt abends Ausgänge pauschal zu verbieten, plädierte Nagel in der Anhörung dafür, nur den Ausgang für private Besuche in Innenräumen zu verbieten - dafür rund um die Uhr. Hintergrund ist das weit höhere Infektionsrisiko drinnen. Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz setzte eine abendliche Ausgangssperre aus, nachdem das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren die aufschiebende Wirkung angeordnet hatte.
Ab welcher Inzidenz sollen die Schulen auf Präsenzunterricht verzichten?
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte: "Erst ab einer Inzidenz von 200 zu handeln, ist zu spät", das sei kein Schutz für Schüler und Schülerinnen und kein Schutz für Eltern. Geplant ist, dass Schulen in Kreisen und Städten mit über 200 Corona-Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohnern keinen Präsenzunterricht mehr anbieten. Ab einer Inzidenz von 100 soll es bei Präsenzunterricht zwei Corona-Tests pro Woche geben. "Wir wissen, dass die Mutation jetzt sehr stark Kinder betrifft, dass die Kinder ihre Eltern anstecken", sagte Göring-Eckardt. Die Grünen wollten entsprechende Nachbesserungen. Zugleich kritisierte sie, dass das Gesetz nicht schneller als geplant auf den Weg gebracht werden soll.
In Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg soll die Corona-Notbremse schon ab Montag gelten. In einigen Bundesländern gelten schon strengere Regeln, die denen der Notbremse meist mit wenigen Ausnahmen entsprechen - so etwa in Bayern, Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Schleswig-Holstein. Die Staatskanzleien in Hessen und im Saarland haben bislang noch keine Verschärfung der aktuell geltenden Maßnahmen geplant. (dpa/fra) © dpa
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