• Deutschland muss schneller impfen, darin sind sich Experten einig.
  • Angebote der Wirtschaft, dabei zu unterstützen, hat die Bundesregierung bislang ausgeschlagen.
  • Dabei scharren die Betriebsärzte vieler Firmen schon mit den Hufen.

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Deutschland impft - aber immer noch zu langsam. Aus den auf dem Impfdashboard des Bundes veröffentlichten Zahlen geht hervor, dass bis zum Mittwoch knapp 10,4 Millionen Impfdosen nach Deutschland geliefert wurden, davon aber über ein Drittel - 3,5 Millionen Dosen - bis dahin aber nicht verimpft waren.

Und nach Analyse des Statistikportals "Our World in Data" war Großbritannien bis Dienstag mit 31,8 verabreichten Impfdosen pro 100 Einwohnern viermal schneller vorangekommen als Deutschland mit 7,9. Effizienter als Deutschland impfen demnach unter anderem auch Polen, Griechenland und Portugal.

Im neuen Bund-Länder-Beschluss ist nun vorgesehen, die Hausärzte besser in die Impfkampagne einzubeziehen und so den Impfstau aufzulösen. "Darüber hinaus werden Betriebsärzte im Laufe des zweiten Quartals verstärkt in die Impfkampagne eingebunden", erklärt die Bundesregierung.

Betriebsärzte stehen zur Verfügung

Dass die Betriebsärzte erst "im Laufe des zweiten Quartals" zum Einsatz kommen sollen, geht vielen Unternehmen und Wirtschaftsverbänden zu langsam. Der schleppende Fortschritt der Impfkampagne löst bei ihnen wachsenden Ärger aus, da der Lockdown und die Corona-Beschränkungen des Alltags große volkswirtschaftliche Schäden bedeuten.

Mit anderen Worten: Die Betriebsärzte vieler Unternehmen scharren schon mit den Hufen.

"Wir Betriebsärzte haben das Knowhow, um auch große Gruppen zu impfen", sagt Wolfgang Panter, der Präsident vom Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte, und verweist auf Erfahrungen bei Grippeschutzimpfungen.

Die den Sparkassen verbundene Versicherungskammer hat ihre Belegschaft bereits in einem Schreiben informiert, dass das Unternehmen gern die Betriebsärztinnen und -ärzte in Marsch setzen würde. "Wir stehen bereit", hieß es in der Münchner Zentrale des öffentlichen Versicherers.

Und auch bei der Allianz in München würden sie am liebsten so schnell wie möglich loslegen: "Wir bereiten uns aktuell darauf vor, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an allen großen Standorten in Deutschland die Möglichkeit zu einer Corona-Impfung anzubieten", heißt es bei der Allianz in München. "Dafür planen wir bis zu 25 Impfstraßen auf unseren Betriebsgeländen einzurichten", sagte eine Sprecherin des größten deutschen Versicherers.

"Die Vorbereitungen treffen wir jetzt, damit wir loslegen können, sobald es genügend Impfstoff gibt und Mitarbeiterimpfungen gemäß der Nationalen Impfstrategie möglich sind." Die Chefetage der deutschen Allianz-Gesellschaft geht in ihren Überlegungen bereits darüber hinaus: "Weitergehende Unterstützungen wie zum Beispiel Impfungen von Familienangehörigen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind derzeit bei uns in Diskussion."

Deutsche Bank würde auch Nicht-Mitarbeiter impfen

Die Deutsche Bank geht ihn ihrem Hilfsangebot für die Regierung sogar noch weiter.

"Wie andere Unternehmen auch will die Deutsche Bank ihren Beitrag leisten, um den Impfstau in Deutschland zu lösen und bald überschüssigen Impfstoff zu verwenden", -erklärt Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing gegenüber "Welt" und stellt klar: "Wir sind deshalb grundsätzlich bereit, Menschen eine Impfung zu ermöglichen, auch wenn sie nicht für uns arbeiten."

In Bonn betonte die Telekom, dass sie auf Wunsch und mit Unterstützung der Behörden ihre "bewährte Logistik" für die alljährlichen Grippeimpfungen auch für andere Impfstoffe einsetzen könne, wie ein Sprecher sagte.

Aktiv werden will auch die chemische Industrie: "Wenn voraussichtlich ab April mehr Impfstoff zur Verfügung steht, müssen wir alle Kapazitäten nutzen, um ihn in den Arm zu bringen", erklärte Kai Beckmann, der Präsident des Chemie-Arbeitgeberverbands BAVC, dessen Mitgliedsunternehmen mehr als eine halbe Million Menschen beschäftigen.

Auch Adidas-Chef Kasper Rorsted will seinen Mitarbeitern eine Impfung ermöglichen – freiwillig und sobald der Impfstoff flächendeckend verfügbar sei. "Mit der Grippeschutzimpfung machen wir das heute schon", so Rorsted und kündigt an: "Wir können uns auch vorstellen, andere Unternehmen dabei zu unterstützen, ein Impfangebot für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen, sofern das logistisch machbar ist."

Weitere Unternehmen stehen bereit

Dies sind nur einige Unternehmen, weitere stehen bereit. Denn allein der seit Dezember geltende Lockdown für Handel und Gastronomie bedeutet nach einer Schätzung des Münchner Ifo-Instituts für die deutsche Wirtschaft jede Woche verlorene Wertschöpfung von 2,5 Milliarden Euro.

Sollte es wegen zu langsamer Impfungen zur befürchteten dritten Welle kommen und der Lockdown verschärft werden, könnten sich die wöchentlichen Verluste demnach sogar auf zweistellige Milliardenbeträge summieren, schreiben Ifo-Präsident Clemens Fuest und Kollegen in einem kürzlich publizierten Aufsatz.

Am Donnerstag trifft sich Kanzlerin Angela Merkel mit Vertretern der Wirtschaft. Dabei soll wohl auch der Vorschlag der Unternehmen besprochen werden, Mitarbeiter und eventuell auch Nicht-Mitarbeiter aus eigener Kraft zu impfen. Vielleicht wäre es ein Weg aus Deutschlands Impf-Dilemma. (ska/dpa)

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