• Wer gegen Quarantäne-Auflagen verstößt, muss mit Zwangsmaßnahmen rechnen.
  • Schleswig-Holstein und andere Länder bringen Quarantäne-Verweigerer in speziellen Einrichtungen unter.
  • Verstöße können jedoch nur schwer kontrolliert werden.

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Im schleswig-holsteinischen Neumünster gibt es eine Einrichtung, in der bis zu sechs Quarantäne-Verweigerer untergebracht werden können. Wer gegen die Auflagen einer coronabedingten Quarantäne verstößt, kann dort zwangseingewiesen werden.

Ähnliche Einrichtungen gibt es auch in anderen Bundesländern, wie etwa in Sachsen oder in Baden-Württemberg. Dabei soll die Zwangsunterbringung nur als aller letztes Mittel angewandt werden. Und das auch nur bei Personen, die sich erkennbar weigern, die Quarantäne-Bestimmungen einzuhalten.

Der Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Landkreistags, Sönke Schulz, erwartet keine Vollauslastung der Einrichtung in Neumünster. "Es handelt sich nicht um ein tägliches, flächendeckendes Problem", sagte er im Interview mit unserer Redaktion.

Und doch bereiten sich die Bundesländer darauf vor, Quarantäne auch mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen. Rechtsgrundlage dafür ist das Infektionsschutzgesetz. Das gab es übrigens schon lange vor der Corona-Pandemie.

Infektionsschutzgesetz regelt Zwangsunterbringung

Das Gesetz besagt, dass Personen, bei denen Ansteckungsgefahr besteht, sich in Quarantäne begeben müssen. Leistet die betroffene Person der Anordnung jedoch nicht Folge, wird sie in einer dafür geeigneten Einrichtung abgesondert. In einzelnen Fällen wurde dies auch schon früher umgesetzt.

Die Hürden, bis es zu einer Zwangsunterbringung kommt, sind groß. Zuerst erfolgt eine sogenannte "Gefährderansprache" in Anwesenheit der Polizei.

"Es muss mindestens zwei Mal gegen die Absonderungsanordnung verstoßen werden", sagt Schulz. "In der Regel sind weitere Verstöße dokumentiert." Schließlich bedarf es einer gerichtlichen Anordnung, um den Quarantäne-Arrest durchzuführen.

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Doch wie kann man überhaupt kontrollieren, ob eine Quarantäne ordnungsgemäß eingehalten wird? "Es gibt keine spezielle Kontrolle für die Einhaltung von Absonderungsanordnungen", so Schulz "Das wäre personell nicht tragbar."

Stattdessen führen Gesundheitsämter oder Polizei stichprobenartige Kontrollen durch. Oft ist es einfach der Zufall, der die Behörden auf die Spur bringt.

Quarantäneverweigerung kann als (versuchter) Totschlag ausgelegt werden

Die zwangsweise Absonderung dauert maximal 14 Tage – entsprechend der eigentlichen Quarantäne. Davon sei aber eine Vorlaufzeit abzurechnen, sagt Schulz, für den mindestens zweimaligen Verstoß samt Gefährderansprache und der gerichtlichen Anordnung. Letztendlich werde die Unterbringung nur wenige Tage dauern.

Im Extremfall könne ein vorsätzlicher Verstoß gegen Quarantäne-Auflagen sogar ein Fall für das Strafrecht sein. Darauf weist Ulf Buermeyer von der Gesellschaft für Freiheitsrechte hin. "Wer durch einen solchen Verstoß das Virus weiterverbreitet, kann nach § 74 Infektionsschutzgesetz mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft werden."

Wer über eine eigene Infektion Bescheid weiß und sich trotzdem bewusst in eine Situation begibt, in der er andere anstecken kann, begehe damit unter Umständen eine Körperverletzung, sagt Buermeyer. "Gehört das Opfer noch dazu einer Risikogruppe an, ist selbst eine Strafbarkeit wegen (versuchten) Totschlags oder Mordes nicht ausgeschlossen."

Quarantäneverstoß bei Wanderung sorgt für Corona-Ausbruch

Für Furore sorgte zum Beispiel ein Fall in Mühlheim an der Donau. Dort war es zu einem Corona-Ausbruch gekommen, nachdem 14 Personen aus zehn Haushalten zusammen gewandert waren und anschließend in einer Hütte zusammensaßen. Einer der Teilnehmer soll dabei gegen Quarantäneauflagen verstoßen haben.

Mehr als 30 Corona-Fälle sind direkt auf diese Wanderung zurückzuführen, zwischenzeitlich stieg die Sieben-Tage-Inzidenz in Mühlheim auf über 1.000. Die Stadt prüft deshalb ein strafrechtliches Vorgehen.

Rechtsexperte mahnt Verhältnismäßigkeit an

Buermeyer weist jedoch auch auf die Grenzen von Zwangsmaßnahmen hin. Diese seien durch die Grundrechte definiert, namentlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. "Zum Beispiel darf eine solche ‘Zwangsquarantäne‘ nicht länger dauern, als sie zum Schutz anderer Personen notwendig ist, weil sonst die Freiheit der Person in ungerechtfertigter Weise eingeschränkt würde."

Zudem komme es stets darauf an, wie die Vorschrift tatsächlich angewandt wird. So bestehe etwa die Gefahr, dass Menschen davon betroffen seien, die ohne eigenes Verschulden Quarantäneauflagen nicht richtig einhalten können, sagt Buermeyer.

Dies könne zum Beispiel der Fall sein, weil sie in überfüllten Flüchtlingsunterkünften untergebracht sind. "In diesem Fall wäre das mildere Mittel zur Freiheitsentziehung die Unterbringung in dezentralen Unterkünften mit erheblich weniger Infektionspotential," ergänzt Buermeyer.

Die Unterbringung in Neumünster erfolgt auf dem Gelände einer Jugendhaftanstalt. Allerdings in einem unabhängigen Gebäude. Im Gegensatz zu den Insassen der Haftanstalt genießen Personen in der Zwangsunterbringung einige Privilegien. Dazu gehören eine individuelle Nasszelle oder die freie Nutzung von Handy und Laptop.

Über die Experten: Sönke E. Schulz ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Schleswig-Holsteinischen Landkreistags Ulf Buermeyer ist Vorsitzender und Legal Director der Gesellschaft für Freiheitsrechte.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Sönke E. Schulz
  • Interview mit Ulf Buermeyer
  • NDR: Neumünster: Einrichtung für Quarantäne-Verweigerer startet
  • Stadt Mühlheim an der Donau: Gemeinde- und Ortschaftsrat zum Coronaverstoß
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