Am 24. März jährt sich das tragische Germanwings-Unglück zum zehnten Mal. Der Absturz der Maschine wurde damals durch einen einzelnen Piloten herbeigeführt. Was hat sich seither getan, um ähnliche Katastrophen zu verhindern – könnte ein ähnliches Unglück wieder passieren?

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Die Germanwings-Tragödie in den französischen Alpen am 24. März 2015 gehört zu den schlimmsten Flugkatastrophen, die es in Europa je gab. Vor allem da der Absturz kein Unfall war, sondern absichtlich durch den Copiloten Andreas Lubitz herbeigeführt wurde.

Lubitz war wegen psychischer Probleme in Behandlung, hatte diese aber teilweise geheim gehalten. Laut der Rekonstruktion des Fluges von Barcelona nach Düsseldorf hatte Lubitz den Piloten aus dem Cockpit gesperrt, als der kurz auf der Toilette war. Dann brachte er die Maschine in den Sinkflug und ließ sie an einer Felswand zerschellen. 150 Menschen fanden den Tod. Die Angehörigen leiden bis heute.

"Unsere wichtigste Aufgabe besteht weiterhin darin sicherzustellen, dass sich ein solches Ereignis nicht wiederholt." So äußert sich Cornelia Cramer vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) gegenüber unserer Redaktion. Dazu wurden auf nationaler und europäischer Ebene eine Reihe neuer Vorschriften erlassen.

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Lehren aus Germanwings-Katastrophe

Die Tat von Andreas Lubitz wurde seiner psychischen Erkrankung, unter anderem schweren Depressionen, zugeschrieben. Hier stellt sich die Frage, wie man solche Krankheiten besser erkennen und wie man darauf reagieren kann.

Folgende Maßnahmen sollen die medizinische Eignung des Personals sicherstellen:

  • Eine flugmedizinische Datenbank speichert relevante medizinische Daten. Dies soll helfen, potenzielle gesundheitliche Risiken bei Piloten und Flugpersonal frühzeitig zu erkennen.
  • Regelmäßige Alkohol- beziehungsweise Drogenkontrollen sollen die Dienstfähigkeit von Flugbesatzungen und Kabinenpersonal sicherstellen.
  • Anlaufstellen für Piloten sollen einen geschützten Raum in schwierigen persönlichen Situationen bieten.
  • Bei der Neuanstellung von Piloten wird eine psychologische Bewertung durch die Luftfahrtunternehmen vorgenommen.
  • Die regelmäßigen flugmedizinischen Untersuchungen wurden insbesondere in Bezug auf die seelische Gesundheit von Piloten erweitert.

Psychische Probleme früher erkennen – doch bei Tauglichkeitsprüfungen gibt es Probleme

"Wir erkennen früher in der Ausbildung der Piloten, ob es Probleme gibt. Dann überwachen wir stärker und legen mehr Wert auf die psychologische Beurteilung der Piloten." Das sagt Patrick Ky, von 2013 bis 2023 Exekutivdirektor der Europäischen Flugsicherheitsagentur "European Aviation Safety Agency" (EASA) in einer Dokumentation der ARD.

Doch wie sieht das konkret aus? Psychologische Aspekte werden meist anhand von Fragebögen erfasst. Und die sind natürlich von der Mitarbeit der Piloten abhängig.

Außerdem hakt es bei der zügigen Umsetzung der Untersuchungen. So berichtete der "Spiegel" erst 2024 über massive Probleme bei der Erteilung von flugmedizinischen Tauglichkeitszeugnissen. Wegen Personalmangel käme es zu Wartezeiten von Monaten oder gar Jahren. Dadurch komme es oft sogar dazu, dass Piloten Krankheiten verschweigen. Das exakte Gegenteil also von dem, was die neuen Regelungen erreichen sollen.

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Kritischer Faktor Cockpittür: Bis heute keine zufriedenstellende Lösung

Bei der Katastrophe hat ein weiterer Faktor eine wichtige Rolle gespielt: die Tatsache, dass Lubitz alleine im Cockpit war. Er hatte die Tür verriegelt und diese war von außen nicht mehr zu öffnen. Eine Regelung, die als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 eingeführt worden war und sich nun als fatal erwies.

Um Ähnliches in Zukunft zu verhindern, führten Fluglinien eine Regelung ein, nach der zu jeder Zeit zwei Personen im Cockpit sein müssen. Doch die Vorschrift wurde bald schon wieder zurückgenommen.

"Das Problem besteht darin, dass die Anforderung, dass zwei Personen im Cockpit sein müssen, de facto eine dritte Person in das Cockpit bringt, was an sich schon einige Sicherheitsrisiken mit sich bringen könnte." Das sagte John Franklin von der EASA unserer Redaktion. "Je nach Politik des Betreibers können die Risiken, die durch die vorgeschriebene Anwesenheit dieser dritten Person im Cockpit entstehen, tatsächlich größer sein, als wenn ein Mitglied der Flugbesatzung für kurze Zeit alleine im Cockpit wäre."

Zugang zum Cockpit: Sind technische Lösungen zu komplex?

Eine technische Lösung scheint es bis heute nicht zu geben. Im Gespräch waren unter anderem biometrische Systeme oder geheime Autorisierungsmechanismen. Doch solche Verfahren sind komplex, denn sie müssten einerseits garantieren, dass niemand absichtlich den Zugang verwehren kann, gleichzeitig aber unbefugtes Eindringen verhindern.

10 Jahre nach der Katastrophe scheint es keine befriedigende Weiterentwicklung der Sicherheitssysteme zu geben. Man wird sich wohl mit der Binsenweisheit abfinden müssen, dass es hundertprozentige Sicherheit nicht geben kann. Deshalb bleibt es Abwägungssache, von wo die größten Gefahren drohen und welche Sicherheitssysteme deshalb greifen sollen.

Über die Gesprächspartner

  • John Franklin ist Lead Specialist Safety Promotion bei der European Union Aviation Safety Agency (ESEA).
  • Cornelia Cramer ist Sachgebietsleiterin Medien- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Stabsstelle Behördenleitung des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA).

Verwendete Quellen