Ist das Ende der Supermärkte eingeläutet? Verschwinden die Tante-Emma-Läden vollends? An diesem Donnerstag startete in Deutschland das neueste Projekt des Versand-Riesen Amazon. Frisch aus dem Kühlregal werden leicht verderbliche Lebensmittel bis vor die Haustüre geliefert, und das in einem Zeitfenster von nur zwei Stunden.
Amazon Fresh gibt es bislang ausschließlich in Berlin und Potsdam. Das Modell dahinter haben Konsumenten zum Beispiel durch das Angebot der Supermarktkette Rewe kennengelernt. Aber nehmen sie es auch an? Wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, bestellen zum Beispiel die Münchner nicht einmal ein Prozent aller Lebensmittel im Internet.
Doch gerade weil die Zahl so niedrig sei, rechneten Marktforscher mit einem Anstieg auf bis zu zehn Prozent, heißt es weiter.
Die Kosten für die Amazon-Fresh-Nutzung setzen sich zusammen aus der jährlichen Prime-Gebühr in Höhe von 69 Euro sowie 9,99 Euro pro Monat für die Amazon-Fresh-Nutzung.
Dafür können Prime-Mitglieder in Berlin und Potsdam unbegrenzt viele Bestellungen machen.
Der Mindestbestellwert pro Lieferung liegt bei 40 Euro, wenn dieser nicht erreicht wird, kommt bei der Sendung nochmal 5,99 Euro hinzu.
85.000 Produkte über Amazon Fresh
Die Kunden könnten immerhin aus 85.000 Produkten wählen, wirbt Amazon. Außerdem sind laut Amazon mehrere hunderte Artikel von lokalen Händlern im Sortiment.
Das Selbstbewusstsein hinter dem Projekt ist nachvollziehbar. Amazon wächst, expandiert, kauft auf.
Der Konzern aus Seattle ist längst ein Gigant über das bloße Versandgeschäft hinaus. Der Umsatz belief sich laut dem deutschen Online-Statistik-Portal Statista im ersten Quartal 2017 auf 35,71 Milliarden US-Dollar.
Der weltweite Umsatz hatte im Geschäftsjahr 2016 demnach bei rund 136 Milliarden US-Dollar gelegen – Tendenz steigend.
Kapazitäten für Konkurrenz
Bei der Expansion geht es nach einem verlustreichen Jahr 2014 (geschätztes Minus: 214 Millionen US-Dollar) darum, neue Absatzfelder samt Produktsparten zu erschließen und sich unabhängiger vom Versand elektronischer Geräte zu machen.
Alle Aspekte des Versandgeschäfts abzudecken, ist dabei wichtiger Teil der Geschäftsstrategie, berichtet die "Welt", Kapazitäten sollen auch anderen Onlinehändlern zugänglich sein.
Die Welt listet auf: Wer seine Waren über Amazon verkauft, kann Amazons Warenhäuser nutzen, die Pakete werden über Amazons Logistik ausgeliefert, die Abrechnung erfolgt über Amazons Finanzdienstleistungen und die IT übernimmt Amazons Cloud-Server-Dienst AWS.
Amazon betreibt Flugzeugflotte
Amazon strebt indes selbst nach mehr Unabhängigkeit. So stellte der Konzern im August 2016 das erste eigene Frachtflugzeug vor, eine umgebaute Boeing-Passagiermaschine mit dem einprägsamen Namen Amazon One.
Die Paketflieger sind maßgeblich für die Kampagne Amazon Prime. Premiumkunden in Nordamerika wird eine Lieferung aller Bestellungen in zwei Tagen versprochen.
Dazu betreibt der Konzern einen eigenen Luftfrachtstützpunkt in Wilmington im US-Bundesstaat Ohio. Bis Sommer 2018 soll die Flotte auf 50 Leasing-Flieger anwachsen. Ein Vorteil: Künftig könnte Amazon überschüssigen Platz in seinen Flugzeugen an andere Onlinehändler versteigern.
Verlierer der Amazon-Expansion
Der Konzern rüttelt damit an der Vormachtstellung klassischer Paketzusteller wie UPS, FedEx und DHL. Der Erfolg? Überwältigend! Nach dem Verlustgeschäft 2014 stieg der Gewinn 2016 Schätzungen von Statista zufolge auf bis zu 2,371 Milliarden US-Dollar.
Elektronik ist dabei nach wie vor die umsatzstärkste Produktsparte mit rund 100 Milliarden US-Dollar (2016). 24,21 Milliarden US-Dollar entfielen 2016 demnach auf die Sparte "Medien", etwa den Versand von Büchern.
Diese sollen Kunden künftig sogar mit Drohnen geliefert bekommen, so die spektakulärste Zukunftsvision. In Großbritannien läuft ein Testprogramm für Drohnenlieferungen im Umland von Cambridge. Die Technik des Projekts Prime Air gilt als fortgeschritten, nur die passende Gesetzgebung fehlt auch in Deutschland - noch.
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