- Der Sänger Gil Ofarim berichtet bei Instagram von einem antisemitischen Vorfall in einem Leipziger Hotel.
- Der Zentralrat der Juden, Politiker und viele Nutzer und Nutzerinnen in den sozialen Medien zeigen sich erschüttert.
- Nun hat das Hotel erste Konsequenzen nach dem Vorfall gezogen – und mit einer Aktion erneut für Kritik gesorgt.
Nach Antisemitismus-Vorwürfen des Musikers
Ofarim hatte in einem am Dienstag veröffentlichten Instagram-Video berichtet, wegen seiner Davidstern-Kette beim Einchecken in das "Westin Hotel" von Mitarbeitern nicht berücksichtigt worden zu sein.
Zuvor sei am Hotelempfang wegen technischer Probleme eine lange Schlange entstanden. Ofarim sagte, er habe sich eingereiht - mit seiner Davidstern-Kette um den Hals. "Das steht mir zu. Mache ich schon mein Leben lang", sagte er im Video. Immer wieder seien Personen vorgezogen worden.
Als er nach 15 Minuten an der Reihe gewesen sei, habe er gefragt, was das solle. Der Hotelmitarbeiter habe ihm die Antwort gegeben: "Um die Schlange zu entzerren", dabei habe Ofarim ja selbst darin gestanden. Daraufhin habe "irgendeiner aus der Ecke" gerufen, dass er seinen Stern einpacken solle. Auch der Hotelmitarbeiter habe gesagt: "Packen Sie Ihren Stern ein."
Der Davidstern ist eines der bekanntesten Symbole, die mit dem Judentum verbunden werden. Er besteht aus einem Hexagramm, das durch zwei ineinander verwobene gleichschenklige Dreiecke gebildet wird. Obwohl das Hexagramm als jüdisches Zeichen bereits im 7. Jahrhundert vor Christus vorkommt, schmückt der Davidstern erst seit dem Mittelalter Synagogen und seit 1948 die Flagge des Staates Israel. Während des Nationalsozialismus wurde der Davidstern den Juden als Stigma ("Judenstern") aufgezwungen.
Ofarim äußert sich nach Vorfall
Am Mittwoch äußerte sich Ofarim bei Bild TV erneut öffentlich zu dem Vorfall. Dabei zeigte sich der Musiker vor allem betrübt darüber, dass niemand um ihn herum etwas gesagt habe, als der Hotelmitarbeiter ihn aufforderte, seinen Davidstern abzulegen. "Ich hätte mir nur gewünscht, dass ich nicht alleine gewesen wäre in dem Moment, und hätte mir gewünscht, dass andere Gäste das vielleicht mitgehört hätten", so Ofarim.
"Es ist nicht der erste Vorfall in meinem Leben, in dem ich konfrontiert worden bin mit Fremdenhass, mit Antisemitismus. Aber ich glaube: Es war einmal zu viel", sagte Ofarim. Wie er erklärte, sei er froh, dass er den Vorfall öffentlich gemacht habe. "Ich finde, man soll einfach nicht mehr die Klappe halten und das über sich ergehen lassen."
Eine Entschuldigung von dem Hotel habe er bislang nicht erhalten. "Mein Management hat nur eine Email bekommen, dass man sich mal austauschen wollen würde, mal reden. Aber ich habe weder eine Stellungnahme bekommen zu diesem Fall, ich habe keine Entschuldigung bekommen, gar nichts."
Wie Ofarims Management am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilte, habe ihn der Vorfall zusätzlich getroffen, weil an diesem Tag "der Geburtstag seines Vaters gewesen" wäre. Gil Ofarim ist der Sohn des in Israel geborenen Sängers Abi Ofarim, der 2018 starb.
Gil Ofarims Fall von Antisemitismus: Hotel erntet Kritik für Banner-Aktion
Die Polizei nahm nach Bekanntwerden des Vorfalls Ermittlungen auf. Olaf Hoppe, Sprecher der Leipziger Polizei, sagte am Dienstag, dass die mutmaßliche Aussage des Hotelangestellten für ihn "klar antisemitisch" sei. Die Polizei werde Inhalte des Videos an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, die eine strafrechtliche Relevanz prüfe. Je nach Ergebnis werde dann weiter ermittelt oder nicht.
Am Dienstagabend nahmen Hunderte Menschen an einer Solidaritätskundgebung mit Jüdinnen und Juden in Deutschland vor dem Hotel teil, zu der das Bündnis "Leipzig nimmt Platz" aufgerufen hatte. Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl zunächst auf den "mittleren dreistelligen Bereich", wie eine Sprecherin sagte.
Irena Rudolph-Kokot von "Leipzig nimmt Platz" sagte bei der Kundgebung, dass der antisemitische Vorfall nicht unwidersprochen bleiben dürfe. "Wir solidarisieren uns mit allen Jüdinnen und Juden, denen das in Deutschland immer noch viel zu häufig passiert", sagte sie.
Neben den Hunderten Teilnehmenden aus der Zivilgesellschaft nahmen auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hotels an der Kundgebung teil. Sie hielten vor dem Hoteleingang ein Transparent hoch, auf dem vier Israel-Flaggen und zwei Mondsicheln mit einem Stern zu sehen waren. Der Sichelmond oder "Hilāl" ist ein wichtiges Symbol des Islam.
Der Zentralrat der Juden kritisierte die Aktion des Hotels später. "Was soll dieser Banner", hieß es auf dem offiziellen Twitter-Account. "Eine angemessene Reaktion sieht anders aus!"
Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats, sagte der dpa am Mittwoch: "Nach der antisemitischen Anfeindung gegen einen Juden in Deutschland fällt dem Hotel nichts anderes ein, als die israelische Flagge und Symbole des Islam auf ein Banner zu drucken". Dabei sei die Leipziger Synagoge fußläufig vom Hotel entfernt. Bei dem Hotel gebe es offenbar wenig Bewusstsein dafür, dass Juden ein Teil der deutschen Gesellschaft seien. "Wir sind zudem mehr als irritiert, dass eine deutliche Entschuldigung des Hotels gegenüber Gil Ofarim bisher ausgeblieben ist."
Politiker in Sachsen solidarisieren sich mit Ofarim
Bereits am Dienstag hatten sich Vertreter aus Politik und Gesellschaft in den sozialen Medien empört über den antisemitischen Vorfall gezeigt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sprach von einem "unfassbaren Fall von Antisemitismus" und einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). "Eine rasche Antwort des Hotels ist überfällig. Aus unserer Sicht kann das nicht folgenlos bleiben", schrieb die Bundesstelle auf Twitter.
Die Vorsitzende des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Lea Rosh, sagte laut Mitteilung, dass dem Musiker die uneingeschränkte Solidarität des Vereins gelte. "Juden waren in Deutschland schon mal in Hotels unerwünscht. Das war 1933. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung und personelle Konsequenzen."
Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hofft darauf, dass der Musiker Anzeige erstattet, damit man den Vorgang polizeilich untersuchen könne. "Sachsen ist ein weltoffenes Land", betonte Wöller. Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) schrieb bei Twitter, es mache ihn wütend, was Ofarim widerfahren sei. Er spreche für die übergroße Mehrheit der Menschen in Sachsen, wenn er sich stellvertretend für die antisemitische Demütigung entschuldige. "Wir haben noch viel zu tun in Sachsen!" (dpa/AFP/thp)
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