Traueranzeigen von Angestellten des Stuttgarter Jugendamts verbreiten sich im Netz. Sie seien "plötzlich und unerwartet" gestorben, heißt es: eine beliebte Formulierung unter Impfgegnerinnen und Impfgegnern. Für den angeblichen Zusammenhang zwischen der Corona-Impfung und den Todesfällen gibt es keine Belege.

Seit Ende Dezember verbreiten sich in Sozialen Netzwerken Traueranzeigen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Stuttgart. Die Namen von mehreren Menschen, die im November und Dezember 2022 verstarben, finden sich dutzendfach auf Telegram, Facebook oder Twitter. Ihr Tod wird in Zusammenhang mit der Corona-Impfung gebracht.

Mehr Panorama-News

"Klar, mit der Impfung hat das nichts zu tun", schreibt etwa eine Person auf Twitter. "Wie wir alle wissen, kommt das Unglück überwiegend ‚plötzlich und unerwartet‘", schreibt ein Facebook-Nutzer. "Plötzlich und unerwartet" ist eine beliebte Formulierung in der Impfgegner-Szene – damit wird suggeriert, dass der Tod eine Folge der Covid-19-Impfung sei. In einem Telegram-Beitrag ist sogar von einer "tödlichen Impfcharge" die Rede. Allein diesen Beitrag haben mehr als 120.000 Menschen gesehen.

Belege für diese Behauptungen liefern die Beiträge nicht. Die Impfung und die Todesfälle der städtischen Mitarbeiter hätten nichts miteinander zu tun, sagte ein Sprecher der Stadt Stuttgart zu T-Online. Für das Stuttgarter Jugendamt arbeiten zudem mehr als 4.000 Menschen – die Anzahl der Todesfälle ist statistisch nicht ungewöhnlich.

Mehr als 4.000 Menschen arbeiten beim Stuttgarter Jugendamt, acht starben

Die Traueranzeigen sind echt. Sie wurden in der Stuttgarter Zeitung und in den Stuttgarter Nachrichten veröffentlicht. Die Screenshots selbst stammen offenbar von einem Online-Portal für Traueranzeigen, das die beiden Zeitungen gemeinsam betreiben. Die Todesanzeigen selbst lassen sich inzwischen nur noch in einer archivierten Version der Seite finden.

Sven Matis, Sprecher der Stadt Stuttgart, schrieb uns per E-Mail: "Fakt ist: Acht Menschen sind im vergangenen Jahr verstorben, die bis zu ihrem Tod im Jugendamt tätig waren. Acht von rund 4.000." Auffällig oder besser gesagt zufällig sei, dass es im Dezember fünf Todesfälle gegeben habe.

Ein Blick auf die Sterbestatistik für Deutschland zeigt: 2021 starben in der Bundesrepublik 12,3 Menschen pro 1.000 Einwohner. In den Jahren davor war die Zahl ähnlich hoch. Auch wenn dabei nicht nur Verstorbene im erwerbsfähigen Alter erfasst werden, wird deutlich: Die acht Toten sind statistisch gesehen nicht auffällig, zumindest nicht auf das ganze Jahr gerechnet.

Stadt Stuttgart wehrt sich mit Strafanzeigen und berichtet von Drohanrufen

"Wir waren empört, als wir von den Veröffentlichungen erfuhren", schrieb uns Matis. Durch die Behauptung würden Menschen in die Irre geführt und aufgewiegelt. Es habe sogar einen Drohanruf beim Jugendamt gegeben, berichtete T-Online. Nach Angaben des Sprechers hat die Stadt einen Strafantrag wegen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt.

Auch der Blog Report24 instrumentalisiert Todesanzeigen der Stadt Stuttgart. Dort wird behauptet, es gebe eine Übersterblichkeit, die im Zusammenhang mit Covid-19-Impfungen stehe. Zu Übersterblichkeit kam es durch die Corona-Pandemie tatsächlich, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Die Todesursachenstatistik für 2021 zeigt, dass sieben Prozent aller Todesfälle direkt auf Covid-19 zurückgehen; Corona-Impfungen dagegen werden nicht als Todesursache aufgeführt.

Einer vorläufigen Sonderauswertung des Bundesamts vom 10. Januar 2023 zufolge könnte die Übersterblichkeit für einzelne Wochen und Monate 2022 unter anderem auf Covid-19 und Grippe zurückgehen. Die genaue Auswertung der Todesursachen steht noch aus, bislang gibt es aber keine Belege für einen Zusammenhang mit Corona-Impfungen.

Aktuell kursieren im Netz auch Todesanzeigen der Universität des Saarlandes – auch bei diesen Sterbefällen wird suggeriert, sie hätten etwas mit der Corona-Impfung zu tun. Dafür gibt es ebenfalls keinerlei Belege, wie wir berichteten. Auch in der Vergangenheit wurde mit ähnlichen Behauptungen Stimmung gegen die Covid-19-Impfstoffe gemacht.

Weitere Faktenchecks zum Coronavirus

CORRECTIV ist ein gemeinnütziges, unabhängiges und vielfach ausgezeichnetes Recherchezentrum. Die investigativen Journalisten recherchieren langfristig zu Missständen in der Gesellschaft, wie dem CumEx-Steuerraub oder illegaler Parteifinanzierung.
Eine eigene Faktencheck-Redaktion - CORRECTIV.Faktencheck - überprüft irreführende Behauptungen und Gerüchte in den sozialen Medien. Die Faktenchecker erklären, wie Falschmeldungen unsere Wahrnehmung beeinflussen und wie Sie sich vor gezielten Falschmeldungen schützen können.
Alle zwei Wochen erhalten Sie die neuesten Faktenchecks zu Gerüchten im Netz direkt in Ihr Postfach: Abonnieren Sie hier den CORRECTIV Newsletter

Wenn Sie auf mögliche Falschmeldungen oder Gerüchte stoßen, können Sie diese CORRECTIV.Faktencheck zur Überprüfung schicken - entweder über den CrowdNewsroom oder über WhatsApp an die +49-151-17535184.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.