Am Dienstag ist das Brückenunglück von Genua zwei Wochen her. Die Ursache ist zwar noch nicht abschließend untersucht, aber ein Schuldiger schon ausgemacht: Benetton. Die schillernde Unternehmerfamilie steht am Pranger.
Mit Skandalen kennt man sich bei Benetton aus. Das italienische Modeunternehmen inszenierte sie für Werbekampagnen besonders gerne selbst: Küssende Geistliche, blutende Soldaten, HIV-Positive, kopulierende Pferde, sterbende Kranke. Die Plakate machten das Strickunternehmen einst weltberühmt.
Nun hat Benetton allerdings selbst mit einem Skandal zu kämpfen, der das Unternehmen bis ins Mark erschüttert: Seit dem Brückeneinsturz von Genua, bei dem 43 Menschen starben, steht der Familienclan am Pranger der Nation.
Benetton weit mehr als nur bunte Pullover
Denn Benetton ist mittlerweile weit mehr als bunte Pullover und krasse Werbeposter. Über die Holding Edizione Srl kontrolliert die Familie Benetton aus Treviso mittlerweile Flughäfen, Banken, Raststätten und eben Autobahnbetreiber. So wie das Unternehmen Atlantia, dem wiederum Autostrade per l'Italia untergeordnet ist - der Betreiber der maroden Katastrophenbrücke von Genua.
Schnell war deshalb der Sündenbock nach dem Unglück am 14. August ausgemacht: die Benettons. Luciano Benetton, der mit seinen Geschwistern Giuliana, Gilberto und Carlo das Unternehmen 1965 gegründet hatte, gehört zu den reichsten Menschen des Landes.
"Wir zahlen Autostrade die höchsten Mautgebühren in Europa und sie zahlen die niedrigsten Steuern, weil sie im Besitz einer Finanzgesellschaft von Benetton in Luxemburg sind", sagte der Vize-Premier und Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio.
Zwar hat Benetton seinen Sitz in Italien, wie ein Edizione-Sprecher betonte. Aber das hinderte Di Maio nicht, einen oben drauf zu setzen: Privaten Unternehmen müsse die Lizenz für das Autobahnbetreiben entzogen werden.
Benettons eine willkommene Zielscheibe
Auch wenn klar ist, dass es nicht einen einzigen Schuldigen in der Katastrophe gibt und noch längst nicht klar ist, warum die Brücke genau zusammengebrochen ist: Für die Populisten-Regierung in Rom sind die Benettons eine willkommene Zielscheibe, denn sie stehen für die alte, linksgerichtete Elite des Landes.
Fakt ist, dass Autofahrer in Italien in der Tat kräftig zur Kasse gebeten werden. Von Mailand bis Rom kostet es auf der Autobahn rund 50 Euro. Und wohin das ganze Geld fließt, fragen sich Autofahrer, die über italienische Autobahnen rumpeln, nicht erst seit dem Einsturz des brüchigen Morandi-Viadukts in Genua.
Besonders beißend wurde der Spott, weil sich die Benettons mit einer eigenen Stiftung und der sozialkritischen Werbung von Fotograf Oliviero Toscani gerne selbst als Wohltäter darstellten.
Die Familie Benetton, die "schnell dabei ist, jeden Moral zu lehren", möge die Verantwortung auf sich nehmen, sagte der Senator Maurizio Gasparri von der konservativen Forza Italia. "Für jemanden, der Milliarden kassiert, ist es das mindeste, einige Millionen (...) bereitzustellen. Sie sollen Geld überweisen. Nicht innerhalb einiger Stunden, sondern innerhalb einiger Sekunden, so können sie wenigstens aus dem Haus, ohne den Zorn des Volkes zu spüren."
Boykottaufrufe machen die Runde
Im Internet machten sich unter Wortspielen wie "United Disaster of Benetton" Boykottaufrufe breit, auch wenn viele Kleidungskunden ihre Kaufentscheidung wohl nicht von dem Brückeneinsturz abhängig machen werden.
An der Börse verlor das Unternehmen Atlantia jedoch drastisch an Wert. Für die Opfer-Familien wurden Mitel in Höhe von 500 Millionen Euro bereitgestellt.
Im Hause Benetton ist man über die Vorwürfe bestürzt. In einer Mitteilung der Holding Edizione hieß es, man tue alles, um die Wahrheit zu finden und die Verantwortlichen auszumachen.
Und zur eigenen Verteidigung: In den vergangenen zehn Jahren habe man zehn Milliarden Euro in die Autobahnen gesteckt. Danach schickte die Familie nochmal ein Kondolenzschreiben.
Als Aktionäre sind die Benettons im operativen Geschäft nicht tätig und kaum persönlich für die Katastrophe verantwortlich zu machen. Doch der Imageschaden ist enorm. Persönlich trat von den Familienmitgliedern keiner an die Öffentlichkeit. In der Zeitung "La Stampa" hieß es, man arbeite an einer Strategie, damit man nicht "als die mit der Brücke" im Gedächtnis bleibe. (cai/dpa)
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