Ostern steht auf Madeira in diesem Jahr im Zeichen der Trauer. Fast drei Dutzend Touristen, vermutlich fast alles Deutsche, sterben bei einem schrecklichen Busunfall. Während die Spuren der Tragödie langsam beseitigt werden, bleiben viele Fragen offen.
Der Unglücksbus von Madeira ist keine 24 Stunden nach dem tödlichen Unfall schon abtransportiert. Zurück bleiben an dem steilen Abhang im Örtchen Caniço die Spuren der schrecklichen Tragödie, die 29 Urlauber das Leben gekostet hat.
Der weiße Reisebus hatte sich am Mittwochabend an einem Abhang überschlagen und war in ein Gebäude am Ende der Böschung gekracht. Teile des roten Ziegeldaches sind eingestürzt, ebenso wie ein großes Stück Außenwand. Innen ist ein gelber Sessel auszumachen, ein kleiner Tisch mit einem Computerbildschirm.
Die Behörden ermittelten weiter zur Unfallursache und versuchten, die Opfer zu identifizieren. Augenzeugen zufolge könnte das Unglück auf ein Bremsversagen zurückgehen. Der Bus sei immer schneller geworden, während der Fahrer verzweifelt versucht habe, das Fahrzeug zum Halten zu bringen, hatten Augenzeugen im portugiesischen Fernsehen erzählt.
Der Bewohner des Hauses war zum Unfallzeitpunkt bei Verwandten - ein Glücksfall für den Mann, den einzigen Betroffenen, der das Unglück unversehrt überlebt hat.
Mit Kerzen wird den Unfalltoten gedacht
"Man kann nichts tun, man kann nur weinen", sagt eine Augenzeugin, die von der Straße aus tief bewegt auf den Unglücksort blickt. Viele, die danebenstehen, haben ebenfalls Tränen in den Augen.
Helfer kehren derweil Scherben der Busfenster zusammen, richten ein mitgerissenes Stromkabel wieder auf. Ein eingeknicktes Verkehrsschild "40 km/h" liegt im Gras. Oben, neben der Fahrbahn, hat jemand eine Kerze und einen kleinen Blumenstrauß aufgestellt.
Arbeiter holen schwere Betonblöcke von einem Lastwagen und stellen sie in der langen Linkskurve auf, die dem Bus zum Verhängnis wurde. Hätte sich der Unfall verhindern lassen, wenn die Blöcke dort schon am Mittwoch gestanden hätten? Viele Fragen sind offen.
Blumeninsel als Sehnsuchtsziel der Deutschen
Madeira ist für viele Reisefans, gerade auch aus Deutschland, ein Sehnsuchtsziel. Kurz vor Ostern grünt und blüht schon an allen Ecken auf der Vulkaninsel im Atlantik - nicht umsonst begeistern sich vor allem Botanikfreunde für das farbenprächtige Kleinod.
Wegen des subtropischen Klimas herrschen das ganze Jahr über angenehme Temperaturen, die kältegeplagte Deutsche in Richtung des milden Wanderparadieses ziehen lassen. Schon Kaiserin Elisabeth von Österreich, besser bekannt als Sissi, wusste die klimatischen Vorzüge zu schätzen und weilte hier 1860 zur Lungen-Kur.
Zwei Tage vor Karfreitag aber gibt es auf Madeira Regenschauer, viel Wind und Temperaturen unter 20 Grad. An diesem typischen Apriltag schlägt für knapp 60 Urlauber das Schicksal zu.
Was ein fröhlicher Ausflug in die Hauptstadt Funchal samt typisch madeirischem Dinner werden sollte, endet schon nach wenigen Minuten in einer Katastrophe.
Vom schmucken Hotel "Quinta Splendida" bricht die Gruppe - vermutlich fast alles Deutsche - gegen 18.30 Uhr in das wenige Kilometer entfernte Lokal auf. Aber in einer abfallenden Linkskurve kommt der voll besetzte Bus plötzlich von der Straße ab und durchbricht ein Geländer. 29 Menschen sterben, fast genausoviele werden verletzt.
Auswärtiges Amt stellt Flugzeug für Rückflug bereit
Keiner der 16 Verletzten im Krankenhaus sei in Lebensgefahr, zwei Patienten lägen aber weiter auf der Intensivstation, zitierte die Online-Zeitung "Observador" die Direktion der Klinik Dr. Nélio Mendonça.
"Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Verletzten, die transportfähig sind, nach Hause zu bringen", hatte Bundesaußenminister
Vom Auswärtigen Amt hieß es, ein Flugzeug der Bundeswehr stehe für die Rückkehr der Verletzten bereit. Es werde eingesetzt, wenn ihre Heimreise sinnvoll und möglich sei. Das Krankenhaus empfahl jedoch, die Verletzten nicht schon am Freitag auszufliegen, wie Miguel Reis von der Klinikleitung sagte.
Busfahrer versucht alles - vergeblich
Ein deutsches Ehepaar sagt im portugiesischen Fernsehen, es habe wohl nur deshalb leicht verletzt überlebt, weil es die Sicherheitsgurte angelegt hatte. Die meisten Insassen seien aus dem Bus herausgeschleudert worden, nur fünf von ihnen seien beim Eintreffen der Retter in dem Wrack gewesen, zitierte die Zeitung "Observador" den Koordinator der Ärzteteams, António Coelho.
Der Fahrer hatte zuvor nach Angaben von Augenzeugen mit allen Mitteln versucht, den Unfall zu verhindern und den Reisebus zum Stehen zu bringen, was ihm aber nicht gelungen sei.
Davon zeugen schwarze Streifspuren an einer Betonwand weiter oben an der Straße, in die der Fahrer den Bus wohl zunächst gelenkt hatte.
"Ohrenbetäubende Stille" am Ort des Busunglücks
Augenzeugen stehen minutenlang wie betäubt über der Böschung. Es sei eine "ohrenbetäubende Stille" eingetreten, "ein Schrei aus Stille, wie in einem Schockzustand", berichtete Rita Castro, die das Geschehen nach eigenen Angaben aus der Nähe beobachtet hatte, im portugiesischen Fernsehen.
51 Fahrgäste des Busses hatten ihren Osterurlaub auf der "Blumeninsel" beim Reiseveranstalter trendtours gebucht. Es habe sich nicht um eine feste Gruppe gehandelt, sondern um Urlauber aus ganz Deutschland, sagte eine Mitarbeiterin des Hotels "Quinta Splendida". Einige Angehörige der Opfer waren am Freitag nach trendtours-Angaben auf dem Weg nach Madeira. Leichtverletzte hätten die Möglichkeit, sofort die Heimreise anzutreten.
Noch viele Fragen unbeantwortet
Noch am Karfreitag war in der Presbyterianischen Kirche in Funchal eine Trauerfeier geplant. Organisiert hat sie Ilse Everlien Berardo, Pfarrerin der Deutschsprachigen Evangelischen Kirche auf der Insel.
In der RTL-Sendung "Guten Morgen Deutschland" hatte die Seelsorgerin die Helfer und ihren Einsatz gewürdigt: "Es wurden sofort Menschen auf der Insel gesucht, die Deutsch sprechen. Obwohl die Ärzte und Schwestern sich rührend um die Verletzten bemühen und kümmern, ist es aber immer wichtig, doch die Muttersprache zu hören und ein paar Worte der Aufmerksamkeit zu bekommen."
Madeira steht zu Ostern unter Schock - auch wenn der Bus nicht mehr zu sehen ist und das klaffende Loch in dem beschädigten Haus mit einer Plane abgedeckt wurde. Was ist geschehen? Versagten die Bremsen des relativ neuen Fahrzeugs? Und warum war die Straße nicht besser gesichert? Die Aufarbeitung des entsetzlichen Unfalls wird dauern - vor allem für die, die ihn erlebt haben. (hub/dpa)
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